Mamma Mia! Here We Go Again

USA/GB 2018 · 114 min. · FSK: ab 0
Regie: Ol Parker
Drehbuch:
Kamera: Robert D. Yeoman
Darsteller: Amanda Seyfried, Cher, Meryl Streep, Lily James, Andy Garcia u.a.
Generationsübergreifender Kirchenchor

Zerkratzte B-Seite

Ein seltener Zufall will es, dass gleich zwei Filme in dieser Woche ihren Start haben, denen man eigent­lich nie eine Fort­set­zung gewünscht hatte und die unter­schied­li­cher nicht sein könnten. Führte Denis Ville­neuves Sicario 2015 in die ernüch­ternd amora­li­schen Weiten des ameri­ka­nisch-mexi­ka­ni­schen Drogen­krieges ein und sezierte das damalige Amerika so gnadenlos und erzäh­le­risch so rund, dass ein Sicario 2 nicht einmal moralisch denkbar erschien, so ist Mamma Mia! so ziemlich das Gegenteil, konnte man sich hier vielmehr nicht vorstellen, noch mehr Romcom- und Musical-Glück zu empfinden, als es vor ziemlich genau zehn Jahren der Fall war.

Ein Glück, das aller­dings schwer zu fassen ist. Hing es einfach nur mit der ziemlich über­ra­schenden Erkenntnis zusammen, dass man auch als ABBA-Verächter von dem Glück über­wäl­tigt werden konnte, das ABBAs Musik vielen ihrer Fans seit Jahr­zehnten spendete? Lag es an der Mischung aus anar­chi­scher, hippiesker Krea­ti­vität und genialer Main­stream-Musik, die einer Tochter gleich drei Väter bescherte, weil ihre Mutter sich nicht mehr sicher war, wer als erster am Drücker war? Oder war es dieses bis dahin undenkbar, fast schon schamlos Groteske in einem Musical, ein Gefühl, das der BBC-Film­kri­tiker Mark Kermode mit dem Gefühl beschrieb, welt­be­kannten Schau­spie­lern dabei zuzusehen, wie sie betrunken Karaoke prak­ti­zieren? Die Gründe sind natürlich erheblich viel­fäl­tiger, dafür spricht auch die von Louise Fitz­ge­rald und Melanie Williams 2012 erstellte wissen­schaft­liche und inzwi­schen als Buch veröf­fent­lichte Studie Mamma Mia The Movie! Exploring a cultural pheno­menon.

Aber immerhin hilft der Glücks­mo­ment ein wenig zu erklären, warum Sicario 2 als Fort­set­zungs­kon­zept funk­tio­niert und Mamma Mia! Here We Go Again leider nur bedingt: Glück mag sich einfacher anfühlen als Unglück, ist aber viel kompli­zierter zu gene­rieren. Im wirk­li­chen Leben wie auch im Film, auch wenn alles beim Alten scheint.

Mamma Mia! Here We Go Again könnte für diesen Gedanken fast sinn­bild­lich stehen. Denn natürlich wollten die Macher das Glück nicht heraus­for­dern – wie das kaum eine Fort­set­zung wirklich will – und ließen denn auch so viel es denn geht beim Alten. Zwar sind fünf Jahre vergangen, aber trotz grie­chi­scher Wirt­schafts­krise ist die grie­chi­sche Traum­insel Kalokairi immer noch ein Traum. Die Inten­sität dieses Traums hilft Sophie (Amanda Seyfried) auch über den Tod ihrer Mutter Donna (Meryl Streep) hinweg­zu­kommen. Ihr zu Ehren hat sie das Haus Donnas zu einem Traum­hotel modi­fi­ziert, das jetzt eröffnet werden soll, und alle Bekannten, Freunde und Familie und der ganze Jet Set sowieso sind einge­laden. Auch die drei Väter, von denen Sam (Pierce Brosnan) – wir erinnern uns – gar nicht einge­laden werden musste. Je mehr die Vorbe­rei­tung zu der Eröffnung von kleinen Tragödien und Über­ra­schungen begleitet wird, alte Bekannte eintru­deln und immer wieder gesungen und getanzt wird, desto mehr strebt auch der parallel erzählte Plot seiner Klimax entgegen, der Geschichte, wie Donna es überhaupt auf ihre Traum­insel verschlug und was es mit ihren drei sexuellen Eskapaden auf sich hat.

Gerade in dieser Verschrän­kung von Vergan­gen­heit und Gegenwart beweist Mamma Mia! Here We Go Again immer wieder Stärke, weil sich Regisseur und Dreh­buch­autor Ol Parker gerade in diesen Momenten am deut­lichsten von seinem Vorgänger eman­zi­piert und immer wieder auch über­rascht, nicht nur durch eine bis ins Alberne reichende Betonung starker, weib­li­cher, gene­ra­ti­ons­über­grei­fender Rollen­mo­delle, ganz ähnlich wie wir es auch aus dem operet­ten­haften Bibi & Tina -Franchise von Detlef Buck kennen. Daneben räumt Parker gleich auch mit anderen Stereo­typen auf. Auch Altsein ist auf einer Traum­insel erlaubt und im Alter geil sein, erst recht. Diese Szenen eini­ger­maßen glaubhaft und dennoch mit der gefor­derten Komik und Selbst­ironie zu reali­sieren, wäre ohne Julia Walters, Christine Baranski, Colin Firth, Pierce Brosnan und Stellan Skarsgard sicher­lich nicht möglich gewesen, aber gerade die als Höhe­punkte anvi­sierten Auftritte von Cher und Meryl Streep verzerren dieses Bild und lassen eher an den Aufstand der Mumien als den des Alters denken und erinnern dann auch schmerz­haft daran, wie dünn­häutig die Geschichte ist, die hier erzählt wird. Und vor allem immer wieder auch schlecht erzählt wird: Die Stich­wort­geber zu den Gesangs­ein­lagen sind oft platter, als es eine Schü­ler­thea­ter­in­sze­nie­rung erlauben würde, die Realität so kulis­sen­haft, dass man sich immer wieder die Augen reiben muss, und dass es Ol Parker um eine gut erzählte Geschichte nicht wirklich zu gehen scheint, zeigt sich auch daran, dass die viel­leicht inter­es­san­teste Lebens­linie der jungen Väter, die von Harry, glatt vergessen wird. Zwar hat er seinen Samen ordent­lich gespendet und scheint sich auch noch ein Boot zu besorgen, aber auf der Insel kommt er zumindest in diesem Film nie an.

Das war beim ersten Teil sicher­lich nicht anders, doch hatte der Film damals auf fast allen Ebenen die Über­ra­schung auf seiner Seite. Die der immer wieder auch gnadenlos schlecht gesun­genen ABBA-Lieder, die der zarten Amoral und die der völlig über­ra­schend besetzten ersten Garde von Hollywood-Schau­spie­lern. Zwar versucht der zweite Teil das über Lily James (Die dunkelste Stunde, Downtown Abbey) als junge Donna zu kompen­sieren, wird traum­wand­le­risch rumge­vö­gelt und auch gesungen und getanzt, aber was nach den Tanz- und Gesangs­ein­lagen hängen bleibt, sind eher die gelun­genen Massen­cho­reo­gra­phien und die exzel­lenten Kame­ra­fahrten von einem Meister seines Fachs, Robert Yeoman, der immer wieder auch mit Wes Anderson zusam­men­ge­ar­beitet hat.

Dass die Lieder die Handlung dieses Mal nicht retten – man also nicht denkt: so schlecht, dass es schon wieder gut ist – dürfte vor allem daran liegen, dass die guten ABBA-Songs schon alle im ersten Teil verbraten worden sind und in Mamma Mia! Here We Go Again mehr­heit­lich die B-Seiten ihrer größten Single-Erfolge gespielt werden. Und das sind Lieder, die ähnlich unent­schlossen dahin­düm­peln wie die völlig unin­spi­rierte Handlung. Als ob Ol Parker das bewusst ist, und nicht unähnlich dem Konzert eines One-Hit-Wonders, greift er deshalb zum einzigen Notnagel, den er hat, und spielt dann und wann auch einen Hit aus dem ersten Teil. Und so traurig das klingen mag, es funk­tio­niert, sind das doch die stärksten Momente, die der gene­ra­ti­ons­über­grei­fende Kirchen­chor Mamma Mia! Here We Go Again zu bieten hat.