Deutschland 2008 · 107 min. · FSK: ab 6 Regie: Simon Verhoeven Drehbuch: Simon Verhoeven Kamera: Jo Heim Darsteller: Christian Ulmen, Nadja Uhl, Wotan Wilke Möhring, Maxim Mehmet, Jana Pallaske u.a. |
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Auf dem Weg ins Vollglück |
Gut. Es ist nicht exakt die Schlacht von Waterloo und das Ende von Napoleon, das in diesem Film heraufbeschworen wird. Und es sind auch nicht präzis die Folgen der Karlsbader Beschlüsse von 1819, die hier anhand eines Berliner Experimentierfeldes skizziert werden; Beschlüsse, die – nur am Rande – versuchten Europa endlich wieder zu dem zu machen, was es vor der großen Krise, vor der französischen Revolution gewesen ist. Aber die Revolution und ihre Folgen, die hatten wir auch. Und was das für ein Rumgesaue gewesen ist, diese letzten 30 Jahre, dieser Irrsinn an Freiheit und die zügellose Maßlosigkeit, den ganzen Ego-Shooter-Trip, zu dem die Ideale der 68er dann eingedampft wurden und die in ihrem fanalen Wahnsinn Napoleons Besessenheit in nichts nachstanden – davon erzählt in heiterer, vertraut-stereotyper Trallala-Weise Simon Verhoevens ganz und gar deutsche Komödie Männerherzen.
Bis auf die bösen Banker sind sie deshalb auch alle hier versammelt, die Sieger und die Verlierer unserer Gegenwart. Fein säuberlich arrangiert und über ein Fitnesscenter untereinander ebenso akkurat vernetzt, werden in raschen Schritten disparate Geschichten erzählt: die des Werbefachmanns, der sich und seine Träume verkauft; die des Musikproduzenten, der für das große Geld groß leidet; die des Beamten der Berliner Stadt, der den prekären Verhältnissen eines Lebenskünstlers gebrochen gegenübersteht und die eines U-Bahn-Fahrers, der beruflich und privat eigentlich nur noch rot sieht. Bei aller Unterschiedlichkeit haben diese Männer neben der Mitgliedschaft im gleichen Fitnesscenter allerdings eine weitere Gemeinsamkeit: Es sind Männer, die nicht erwachsen werden wollen oder es nicht können. Damit reihen sie sich in die wunderbare Erzähltradition des großen Judd Apatow und seiner Komödien ein, die mit Jungfrau (40), männlich, sucht... 2005 ihren Anfang nahm. Dass sie es jedoch nur zu müden Replikanten dieser Tradition bringen, liegt wohl auch in diesem Fall wieder einmal an der Unfähigkeit oder politisch korrekten Angst nicht nur dieser deutschen Komödie sich auf schwarzen Humor einzulassen.
Stattdessen greift Verhoeven auf eine schwarze, abgrundtief christdemokratisch und restaurative Moral zurück, die ihre Ursprünge in den 1950er Jahren des deutschen Films hat oder wie eingangs erwähnt Anfang des 19. Jahrhundert schon einmal bedient worden ist. Eine Moral, in der Liebe alle Wunden heilt; eine Liebe, die ganz im biedermeierlichen Sinn, nur im Privaten blühen kann, in Abkehr übler öffentlicher Institutionen wie Politik, Wirtschaft und ihren Counterparts des Widerstands. Deshalb sollte auch die Rolle der Frau in Verhoevens Film keinesfalls überraschen, ist sie doch nur logischer Teil dessen, was sie vor und nach der Krise unserer Gegenwartskultur war: Heiratsobjekt, dummgeile Sängernudel, erotisches Projektionsfeld, bestenfalls Angestellte in einer Zoohandlung oder Kindergärtnerin.
Bei all dieser Reproduktionswut gut abgehangener Klischees wundert es denn auch nicht, dass die schauspielerischen Leistungen in Männerherzen nicht über das deutsche Fernsehfilmniveau hinausreichen. Als Aspirin-Ersatz hilft für Momente das Gedankenspiel, dieses eigentlich wunderbare Ensemble mit einem Drehbuch und der Regie von Apatow und Tarantino vereint zu sehen. Aber hilft das wirklich? Nein. Es tröstet, den Schmerz nimmt es nicht. Sind es doch Zeiten, auf die Jean Pauls Worte über die Zeit nach dem Wiener Kongress nicht besser passen könnten, Zeiten, in denen nun mal das „Vollglück in der Beschränkung“ liegt.