Der Mann, der die Sterne macht

L'uomo delle stelle

Italien 1995 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Giuseppe Tornatore
Drehbuch: ,
Kamera: Dante Spinotti
Darsteller: Sergio Castellito, Tiziana Lodato, Franco Scaldati, Leopoldo Trieste
Die Kamera als Spiegel der Hoffnung

»Nur Cineast zu sein, ist lächer­lich. Mein einziges Ziel kann es sein, ein Mensch zu werden.« Roberto Rosselini

Joe Morelli reist als Talen­te­su­cher für die Univer­salia Studios Rom durch das arme Sizilien der Nach­kriegs­zeit. In jedem neuen Dorf, in dem er auftaucht, verteilt er zuerst ein paar Text­zeilen aus Vom Winde verweht. Alle, die sich die Chance auf ein Leben als berühmter Filmstar nicht entgehen lassen wollen, sollten diese Zeilen für Probe­auf­nahmen vor Morellis Kamera auswendig lernen. Für 1500 Lire glauben viele an diese Chance und lassen sich aufnehmen, auch wenn sie nicht einmal die kurzen Sätze ihrer Vorbilder behalten können. Morelli ermutigt die Leute, indem er ihnen garan­tiert, daß wahres Talent sich durch­setzen wird.

Einige Sizi­lianer nutzen die Gegenwart der Kamera jedoch dafür, ihren Träumen und Ängsten, ihrer Wut und Trauer Ausdruck zu geben. Sie vertrauen sich Morelli und seinem anonymen Kine­ma­to­gra­phen in einer furcht­losen Offenheit an, so wie es ihnen gegenüber ihren Mitmen­schen nie gelungen ist.

In diesen Momenten rüttelt das Gewissen den Ganoven Morelli, denn mit Fimstu­dios hat er sowenig zu tun, wie belicht­barer Film in seiner Kamera steckt. Doch er verdrängt seine Schuld­ge­fühle, die ohnehin nie sehr groß sind. Dabei sind es gerade diese Menschen, für die er wirklich etwas leistet. Sie bekommen durch ihn die Möglich­keit, das Unaus­sprech­liche zu sagen, sich davon zu erleich­tern und viel­leicht ein neues Leben zu beginnen.

Für Morelli deutet sich erst eine Wandlung an, als er der Liebe und Verehrung der schönen Beata nachgibt. Es bleibt ihnen aber nur eine kurze Zeit des Glücks, denn Morelli muß für seine Skru­pel­lo­sig­keit noch bezahlen...

Guiseppe Tornatore reflek­tiert mit seinen wunder­vollen Bildern von Sizilien die Wider­sprüch­lich­keit von Träumen und Realität. Als Zuschauer bekommt man die roman­ti­sche Schönheit des Landes und seiner Menschen vorge­führt. Für diese Menschen ist die sie umgebende Schönheit aber kaum zu erkennen, sie sehen ihren Alltag in Armut, den sie nur zu gerne hinter sich lassen wollen, indem sie den nicht erfüll­baren Träumen von Ruhm und Reichtum hinter­her­jagen.

Eine schwin­del­er­re­gende, minu­ten­lange Kame­ra­fahrt durch ein Dorf zeigt uns die Leute auf der Straße, laufend und wild gesti­ku­lie­rend, nur noch damit beschäf­tigt, ihren Text für die Probe­auf­nahmen auswendig zu lernen. Diese große Dynamik der Kamera und Akteure steht im extremen Gegensatz zu Morellis stati­scher Kamera, vor der die Menschen auf einem Stuhl Platz nehmen. Morelli nutzt nur ihre Träume, um sich daran zu berei­chern, er versteht die Leute weder in ihrer leben­digen Schönheit, noch in ihrer Armut. Da er deswegen über das Leben der Menschen keinen Film machen kann, ist folge­richtig auch nur alter, nicht zu entwi­ckelnder Film in seiner Kamera.

An dem Punkt, an dem sich der Film der Bestra­fung Morellis zuwendet, läuft die Geschichte leider sehr schnell, ganz im Gegensatz zur Zeit, die sich Tornatore für den vorher­ge­henden Teil des Films gelassen hat. Und dieser Bruch des Rhythmus läßt die weitere Entwick­lung der Geschichte etwas sehr konstru­iert erscheinen.

Trotzdem bleibt das Bild von Beata, wie sie ihre Sehnsucht nach Liebe offenbart, in Erin­ne­rung; so wie sich Morelli daran erinnert und endlich verstanden hat.