Großbritannien 2006 · 123 min. · FSK: ab 16 Regie: Kevin Macdonald Drehbuch: Jeremy Brock, Peter Morgan Kamera: Anthony Dod Mantle Darsteller: Forest Whitaker, James McAvoy, Kerry Washington, Gillian Anderson, Simon McBurney u.a. |
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Abgründige Charakterstudie: Forest Whitaker als Idi Amin |
»Ich bin du«, ruft Idi Amin in die jubelnde Menge. Sein glänzendes, rundes Gesicht ist schweißgebadet, auf seiner Brust prangt eine ganze Batterie von Orden. In einer Nacht und Nebel Aktion hat der General seinen einstigen Gönner, den sozialistisch orientierten Präsident Obote, entmachtet. Nun jubelt ihm das Volk zu. Denn er verspricht ihnen Krankenhäuser, Kliniken, Schulen. Vor allem steht er für ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein und schwarzen Stolz. Unter den Massen steht blass und schmal Nicholas Garrigan und jubelt, angesteckt von der Begeisterung, ein bisschen mit. Den jungen Arzt hat die Abenteuerlust nach Afrika verschlagen, wo er in einer Mission die kranke Landbevölkerung behandelt.
Es kommt anders als geplant: Idi Amin findet Gefallen an dem jungen Doktor, der mehr aus Naivität denn aus echter Courage wagt, dem Präsidenten die Stirn zu bieten. Leute wie Dich, die offen ihre Meinung sagen, brauche ich an meiner Seite, behauptet der Putschist. Ein besonderer Pluspunkt ist für ihn die Nationalität des jungen Arztes: Wenn ich etwas anders sein wollte als Ugander, dann wollte ich Schotte sein bis auf die roten Haare, begeistert sich Amin. Um die Engländer zu ärgern, schmückt er sich gern mit dem Titel König von Schottland und kleidet sich in einen Kilt. Nicholas Widerstand ist von kurzer Dauer. Denn ein Diktator akzeptiert kein Nein: Amin verführt mit Charme und besticht mit dem Glamour großer Autos und schöner Frauenund dem Nimbus der Macht. Und so wird der milchgesichtige Schotte unversehens Leibarzt des Präsidenten und seiner Familie, Chef der modernen Klinik der Hauptstadt und Amins Berater.
Was anfangs noch als ungleiche Freundschaft durchgehen könnte, entpuppt sich zusehends als ein perfides Katz-und-Maus-Spiel. Immer öfter lässt der Diktator hinter der Maske des jovialen Landesvaters die Fratze eines unberechenbaren Größenwahnsinnigen aufblitzen. Von mitreißenden Reden, die die Massen hypnotisieren über Momente verspielen Übermuts bis zu erschreckenden Ausbrüchen von Paranoia spielt Forest Whitaker virtuos den janusköpfigen Charakter eines Menschen zwischen Verfolgungs- und Größenwahn.
Mit Nicholas Blick auf Amin wandelt sich auch die Bilder das Films: Sonnendurchflutete Szenen, die von lachenden Menschen bevölkert werden, weichen zunehmend düsteren Motiven. Der Tag, an dem Nicholas seine Augen endgültig nicht mehr vor der blutigen Realität verschließen kann, endet in einem ebenso dunklen wie orgiastischen Tanz auf dem Vulkan. Du bist wie ein Kind, hält Nicholas zum Ende des Films dem Diktator vor, das macht dich so verdammt gefährlich.
Dokumentarfilmer Kevin Macdonald (One Day in September) verschmilzt in seinem Spielfilmdebüt historischer Fakten geschickt mit der fiktionalen Erzählung, ein Kunstgriff, der es ihm erlaubt, den Zuschauer gemeinsam mit derim übrigen fiktiven Gestalt des jungen Schotten – auf die Reise in eine andere Welt zu schicken. Und so ist es nur konsequent, wenn sich die ganze sadistische Brutalität des Diktators am Ende offenbart, idem sie sich gegen den einstmaligen Liebling des Präsidenten richtet.
Idi Amins Schreckensherrschaft währte nur acht Jahre. In dieser Zeit ließ er Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen zufolge rund 400 000 Menschen umbringen. Er selbst wurde im Exil 80 Jahre alt, ohne sich für seine Verbrechen verantwortet zu haben.
Bis in die Nebenrollen grandios besetzt ist der Film jedoch weniger eine Geschichtsstunde al eine Parabel auf die verführerische Sogwirkung der Macht.
P.S.: Bereits Mitte der Siebziger Jahre wagte sich Dokumentarfilmer Barbet Schroeder an ein Portrait des Despoten: Général Idi Amin Dada: Autoportrait entstand unter Mitwirkung des Diktators und zeigt ihn auf dem Höhepunkt seiner Macht. In Absprache mit Amin fertigte Schroeder zwei Varianten des Films an, eine ugandische Version, über die sich der Diktator höchst erfreut zeigte, und eine Auslandsversion, die eine halbe Stunde weiteres Material enthielt und mit der der Diktator weniger zufrieden war. Als Schroeder sich weigerte, zwei Minuten aus der Auslandversion herauszuschneiden, ließ Amin kurzerhand 200 in Uganda lebende Franzosen in einem Hotel festsetzen und händigte ihnen die Nummer des Regisseurs ausund bekam so einmal mehr seinen Willen.