Lauras Stern

Deutschland 2021 · 79 min. · FSK: ab 0
Regie: Joya Thome
Drehbuch: , , , , ,
Kamera: Daniela Knapp
Darsteller: Emilia Kowalski, Michel Koch, Luise Heyer, Ludwig Trepte, Jonas May u.a.
Filmszene »Lauras Stern«
Mein Freund der Baum, der Stern, ich und die Welt
(Foto: Warner Bros.)

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Joya Thome hat den Kinderbuchbestseller von Klaus Baumgart als Realfilm neu aufgelegt – das ist weniger überraschend als erwartet und manchmal sogar richtig nervig

Kinder­buch­best­seller zu verfilmen ist in Deutsch­land so etwas wie die eier­le­gende Woll­milchsau, ein Kelch, der anschei­nend keinem Regisseur und keiner Regis­seurin erspart bleibt. Nicht einmal Joya Thoma, die 2017 noch mit dem genauen Gegenteil über­rascht hatte, einem ganz eigenen, selbst geschrie­benen Drehbuch und einem Kinder­film, der so unge­wöhn­lich wie großartig war und völlig zurecht den Preis für den besten deutschen Kinder­film des Verbandes der deutschen Film­kritik erhalten hatte.

Diesen Film, Thomes Königin von Niendorf, sollte man schnell vergessen, wenn man sich Thomes neuen Film Lauras Stern, ansieht. Denn Lauras Stern kommt nicht aus dem Nichts, wie Thomes letzter Film, sondern hat eine lange Geschichte und damit Erwar­tungs­hal­tungen, die bedient werden müssen. Er basiert nicht nur auf der millio­nen­fach verkauften Kinder­buch­best­sel­ler­reihe von Klaus Baumgart, sondern muss sich auch mit einer zwischen 2002 und 2011 reali­sierten 52-teiligen Fern­seh­serie messen, deren jeweils 10-minütigen Folgen auf ZDF und KIKA regel­mäßig rauf- und runter­wie­der­holt werden. Und dann ist da natürlich noch die auf der Serie basie­rende Kino­aus­kopp­lung von Lauras Stern aus dem Jahr 2004 und die ebenfalls animierten Langfilme Lauras Stern und der geheim­nis­volle Drache Nian (2009) und Lauras Stern und die Traum­monster (2011).

Thomes Film ist kein Spin-Off wie die letzten beiden Verfil­mungen sondern erzählt ziemlich exakt genau die Einstiegs­ge­schichte, die bereits 2004 erzählt worden ist und davon handelt, wie Laura nach dem Umzug vom Land in die Stadt zu ihrem Stern kommt und nach ersten Entfrem­dungs­er­fah­rungen in der Stadt über ihren abge­stürzten und in Pflege genom­menen Stern ein neues Heimat­ge­fühl für sich entdeckt. Diese Geschichte, die ein wenig wie Spiel­bergs E.T. – Der Außer­ir­di­sche für Kinder­garten- und Grund­schul­kinder daher­kommt, wird von Thome aller­dings noch zusätz­lich in besonders weiche Watte gepackt, obwohl sich ja gerade der »Real«-Film dafür anbietet, etwas »realis­ti­schere« Töne anzu­schlagen.

Aber nein, hier ist das Gegenteil der Fall. Wir sehen Eltern (Michel Koch, Luise Heyer), die der bildungs­bür­ger­li­chen Elite unsere Landes angehören und sich eine dementspre­chende Penthouse-Wohnung leisten können, in der alles so kuschelig und kinder­kon­form einge­richtet ist, dass einem bei all der liebe­vollen Enge schon fast Beklem­mungen kommen und man sich die bösen Jungs auf der Straße fast noch ein wenig böser wünscht, als sie hier darge­stellt werden. Mehr noch als Laura (Emilia Kowalski) in ihrer alles einfor­dernden Natur einem der kleinen Kinder­ty­ran­nInnen gleicht, die mangels pädago­gi­scher Leitfäden und stark zuneh­menden Heli­ko­pter­el­tern­per­sön­lich­keiten immer mehr zum Problem in Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen und Schulen werden. Ein Kind, das irgendwie noch süß ist, aber in seinen Logorrhö-Anfällen auch sehr nervt und eigent­lich nur noch dann erträg­lich ist, wenn es ihr vor Angst ein wenig die Sprache verschlägt.

Also ob das nicht genug wäre, ist Thomes Film mit einem derartig bombas­ti­schen und aufdring­li­chen Zucker­guss-Score (Hans Zimmer, Nick Glennie-Smith, Henning Lohner) überzogen, dass man sich wirklich fragt, was damit noch verstärkt oder erklärt werden soll. Soll das fast schon infla­ti­onär wieder­keh­rende Kernthema mögli­cher­weise Sicher­heit vermit­teln, die ja schon die Geschichte zur Genüge bietet, in der wirklich nichts, aber auch gar nichts riskiert wird und purer Eska­pismus zu einer kind­li­chen Welt­re­li­gion erhoben wird? Statt einmal wirklich über Heimat und den Verlust von Heimat ein paar ernste Worte zu verlieren, so wie etwa Sarah Winken­stette in ihrem fantas­ti­schen Zu weit weg.

Aber da es in einer derar­tigen Best­seller-Groß­pro­duk­tion darum geht, Risiken zu meiden, Gewinne zu maxi­mieren und die Kleinsten nicht zu irri­tieren, sehen wir in Lauras Stern einen Kompro­miss auf den anderen getürmt und haben dafür am Ende zwar keinen Fami­li­en­film, aber einen Kinder­film, der so bonbon­knall­bunt und unter­for­dernd, dämlich und harmlos daher­kommt, dass selbst das 0 der FSK noch über­trieben scheint.

Was immerhin bleibt, ist die Hoffnung, dass dieser Film für Thome nur eine kommer­zi­elle Fingerü­bung gewesen ist, denn wie schon in ihrer Königin von Niendorf mit Lisa Moll, zeigt Thome auch hier mit den beiden zentralen Kinder­schau­spie­lern Emilia Kowalski und Jonas May, dass sie es wie nur wenige Regis­seurInnen versteht, Kinder zu über­zeu­gendem Schau­spiel zu animieren.