Deutschland 2021 · 79 min. · FSK: ab 0 Regie: Joya Thome Drehbuch: Piet De Rycker, Alexander Lindner, Thilo Graf Rothkirch, Michael Mädel, Claudia Seibl, Joya Thome Kamera: Daniela Knapp Darsteller: Emilia Kowalski, Michel Koch, Luise Heyer, Ludwig Trepte, Jonas May u.a. |
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Mein Freund der Baum, der Stern, ich und die Welt | ||
(Foto: Warner Bros.) |
Kinderbuchbestseller zu verfilmen ist in Deutschland so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau, ein Kelch, der anscheinend keinem Regisseur und keiner Regisseurin erspart bleibt. Nicht einmal Joya Thoma, die 2017 noch mit dem genauen Gegenteil überrascht hatte, einem ganz eigenen, selbst geschriebenen Drehbuch und einem Kinderfilm, der so ungewöhnlich wie großartig war und völlig zurecht den Preis für den besten deutschen Kinderfilm des Verbandes der deutschen Filmkritik erhalten hatte.
Diesen Film, Thomes Königin von Niendorf, sollte man schnell vergessen, wenn man sich Thomes neuen Film Lauras Stern, ansieht. Denn Lauras Stern kommt nicht aus dem Nichts, wie Thomes letzter Film, sondern hat eine lange Geschichte und damit Erwartungshaltungen, die bedient werden müssen. Er basiert nicht nur auf der millionenfach verkauften Kinderbuchbestsellerreihe von Klaus Baumgart, sondern muss sich auch mit einer zwischen 2002 und 2011 realisierten 52-teiligen Fernsehserie messen, deren jeweils 10-minütigen Folgen auf ZDF und KIKA regelmäßig rauf- und runterwiederholt werden. Und dann ist da natürlich noch die auf der Serie basierende Kinoauskopplung von Lauras Stern aus dem Jahr 2004 und die ebenfalls animierten Langfilme Lauras Stern und der geheimnisvolle Drache Nian (2009) und Lauras Stern und die Traummonster (2011).
Thomes Film ist kein Spin-Off wie die letzten beiden Verfilmungen sondern erzählt ziemlich exakt genau die Einstiegsgeschichte, die bereits 2004 erzählt worden ist und davon handelt, wie Laura nach dem Umzug vom Land in die Stadt zu ihrem Stern kommt und nach ersten Entfremdungserfahrungen in der Stadt über ihren abgestürzten und in Pflege genommenen Stern ein neues Heimatgefühl für sich entdeckt. Diese Geschichte, die ein wenig wie Spielbergs E.T. – Der Außerirdische für Kindergarten- und Grundschulkinder daherkommt, wird von Thome allerdings noch zusätzlich in besonders weiche Watte gepackt, obwohl sich ja gerade der »Real«-Film dafür anbietet, etwas »realistischere« Töne anzuschlagen.
Aber nein, hier ist das Gegenteil der Fall. Wir sehen Eltern (Michel Koch, Luise Heyer), die der bildungsbürgerlichen Elite unsere Landes angehören und sich eine dementsprechende Penthouse-Wohnung leisten können, in der alles so kuschelig und kinderkonform eingerichtet ist, dass einem bei all der liebevollen Enge schon fast Beklemmungen kommen und man sich die bösen Jungs auf der Straße fast noch ein wenig böser wünscht, als sie hier dargestellt werden. Mehr noch als Laura (Emilia Kowalski) in ihrer alles einfordernden Natur einem der kleinen KindertyrannInnen gleicht, die mangels pädagogischer Leitfäden und stark zunehmenden Helikopterelternpersönlichkeiten immer mehr zum Problem in Kindertageseinrichtungen und Schulen werden. Ein Kind, das irgendwie noch süß ist, aber in seinen Logorrhö-Anfällen auch sehr nervt und eigentlich nur noch dann erträglich ist, wenn es ihr vor Angst ein wenig die Sprache verschlägt.
Also ob das nicht genug wäre, ist Thomes Film mit einem derartig bombastischen und aufdringlichen Zuckerguss-Score (Hans Zimmer, Nick Glennie-Smith, Henning Lohner) überzogen, dass man sich wirklich fragt, was damit noch verstärkt oder erklärt werden soll. Soll das fast schon inflationär wiederkehrende Kernthema möglicherweise Sicherheit vermitteln, die ja schon die Geschichte zur Genüge bietet, in der wirklich nichts, aber auch gar nichts riskiert wird und purer Eskapismus zu einer kindlichen Weltreligion erhoben wird? Statt einmal wirklich über Heimat und den Verlust von Heimat ein paar ernste Worte zu verlieren, so wie etwa Sarah Winkenstette in ihrem fantastischen Zu weit weg.
Aber da es in einer derartigen Bestseller-Großproduktion darum geht, Risiken zu meiden, Gewinne zu maximieren und die Kleinsten nicht zu irritieren, sehen wir in Lauras Stern einen Kompromiss auf den anderen getürmt und haben dafür am Ende zwar keinen Familienfilm, aber einen Kinderfilm, der so bonbonknallbunt und unterfordernd, dämlich und harmlos daherkommt, dass selbst das 0 der FSK noch übertrieben scheint.
Was immerhin bleibt, ist die Hoffnung, dass dieser Film für Thome nur eine kommerzielle Fingerübung gewesen ist, denn wie schon in ihrer Königin von Niendorf mit Lisa Moll, zeigt Thome auch hier mit den beiden zentralen Kinderschauspielern Emilia Kowalski und Jonas May, dass sie es wie nur wenige RegisseurInnen versteht, Kinder zu überzeugendem Schauspiel zu animieren.