USA 2004 · 104 min. · FSK: ab 12 Regie: Ethan Coen, Joel Coen Drehbuch: Joel Coen Kamera: Roger Deakins Darsteller: Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons u.a. |
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The Devil & Mrs. Munson; Hanks & Hall |
Der Teufel hatte es schon mal leichter in Amerika. »Let’s go backt to God,« heißt mehr denn je das Motto, so wie es The Ladykillers gleich zu Beginn als Gospelsong auf dem Soundtrack ausgibt. Und zwar zurück zu einem alttestamentarischen Gott, der mit Vergebung wenig am Hut hat. Wer vom rechten Weg abweicht, den erwartet keine Gnade. »Smite them,« erschlagt sie, heißt die Losung, die der schwarze Prediger in The Ladykillers
ausgibt für den Umgang mit allen, die zuchtlos geworden und vom Glauben abgefallen sind – wie »those backsliding Israelites« bei ihrem Tanz um’s Goldene Kalb, mit denen Moses entsprechend verfuhr. (Der zürnte damals nicht nur ein bisserl, wie es meist in den possierlichen Bibelverfilmungen gezeigt wird – der befahl allen, die dem HERRN angehören, mit dem Schwert durch’s Lager zu ziehen und »Bruder, Freund und Nächsten« zu erschlagen.)
Eine Toteninsel aus
Abfall, »far removed from God«, wartet in The Ladykillers auf alle, die vom engen Pfad der Rechtschaffenheit abgekommen sind, ein »garbage island« in einer Flussmündung. Müll ist der Mensch, der nicht bei Gott ist, und zu Müll wird er wieder werden.
Der Teufel trägt in The Ladykillers den schönen Namen Goldthwait Higginson Dorr, Ph.D. und wird gespielt von Tom Hanks in seinem schönsten Auftritt seit Menschengedenken. Der Film spart es sich, expilizit auszusprechen, dass wir es hier mit dem Leibhaftigen zu tun haben. Es ist auch so deutlich genug: Dorr, dieser falsche Professor für tote Sprachen, mit seinem Kinnbart und dem einen schiefen Zahn, mit seinem affektierten Oxford-Englisch-Akzent und seinen
verführerischen Einflüsterungen, die er in ein Wortgewalle verpackt, als hätte er einen Thesaurus gefrühstückt; Dorr mit seiner Fiedel und dem altmodischen Gewand eines Südstaaten-Gentlemans, der direkt aus einer Mark Twain-Geschichte entsprungen scheint (»The Mysterious Stranger« heißt eine von Twains späten Stories, und die Titelfigur ist kein anderer als der Höllenfürst) – bis auf den Bocksfuß trägt Dorr so ziemlich alle Attribute des Herrn der Fliegen, wie sie
insbesondere in einer langen amerikanischen Tradition von Geschichten über den Teufel auf in cognito-Streifzügen in den US-Südstaaten geläufig sind.
Und falls das alles nicht offensichtlich genug wäre, dann muss man nur die angstvolle Abscheu betrachten, mit der Dorr auf den Vorschlag reagiert, er solle in die Kirche kommen (»And engage in divine worship?,« schaudert es ihm) – eine für ihn undenkbare Alternative, obwohl sie ihn und seine Kumpane aus einem schweren Dilemma
befreien könnte.
Als Alec Guiness 1955 in Alexander Mackendricks The Ladykillers zum erstenmal auftritt, da fällt auch zunächst sein Schatten durch die Tür (»darkened your door, as the expression has it,« sagt Dorr selbst über seine eigene Ankunft), verfinstert die gute Stube von Mrs. Wilberforce (Katie Johnson) und läßt ahnen, dass da ein mehr als nur alltäglich Böses zur Untermiete
Einzug halten wird.
Während diese metaphysischen Untertöne sich in Mackendricks Film aber weitgehend verlieren, haben die Coen-Brüder ihnen bei ihrem »Remake« des britischen Komödien-Klassikers (»Reworking« wäre ein passenderer Begriff) zu zentraler Prominenz verholfen.
»Behold, there is a Stranger in our midst, come to destroy us,« weiß die schwarze, tiefgläubige Südstaaten-Lady Mrs. Munson (Irma P. Hall) schon zu Beginn des Films, noch bevor dieser Fremde an ihre Tür geklopft hat. Da kommt sie gerade aus dem Büro des Sheriffs – und von einer Szene, in der die Coens gleich ein paar fundamentale Differenzen zur altehrwürdigen Film-Vorlage etablieren.
Auch in Mackendricks Film lernen wir die Lady, von der der Titel spricht, anfangs bei einem
Besuch des örtlichen Polizeireviers kennen. Bevor sich dann der Chef einer Gangsterbande bei ihr einquartiert und – sich mit seinen vier Kollegen als Musik-Ensemble tarnend – ihr Haus zum Stützpunkt für einen großen Raubzug macht. Ein Plan, den die Hausherrin zufällig enttarnt, woraufhin ihr die Ganoven ans Leben wollen, bei ihren Mordversuchen aber unerwarteten Schwierigkeiten begegnen.
Doch wie anders sind bei den beiden Filmen die Kräfte bei der eröffnenden
Staatsgewalts-Visite verteilt: Katie Johnson als Mrs. Wilberforce war ein zierliches, äußerst britisches, verunsichertes Persönchen, grundgütig und naiv, schwer eingeschüchtert von der Autorität, der sie sich gegenüber sah. Die weltliche Macht in der Coen-Version hingegen residiert in einem winzigen, schachtelartigen Gebäude, in dem die Spinnweben an der offenbar schon lang nicht mehr bewegten Tür zur Arrestzelle hängen. Die Staatsgewalt, das sind zwei wohlbeleibte,
schlafende Männer; der Sheriff wirbt auf einem Plakat um seine Wiederwahl mit dem Argument, was anderes als Sheriff-Sein wüsste er nicht zu tun.
Und dann platzt Mrs. Munson herein: Eine Urgewalt mit einem mächtigen Körper, die keine Widerworte duldet – ach was, die überhaupt kaum Worte duldet von ihrem Gegenüber. Es gibt keine Sekunde des Zweifels (man vergleiche auch nur die Kamerawinkel, mit denen die beiden Filme hier jeweils auf ihre Hauptdarstellerinnen und die
Polizisten blicken), wer hier wirklich die Macht hat. Das Mississippi des Coen-Ladykillers ist ein Reich Gottes, das staatliche Ordnungshüter nur als bessere Handlanger kennt. Und Mrs. Munson hat Gott auf ihrer Seite. Kein Wunder, dass Dorr sie viel später mal »a more formidable antagonist than one would have imagined« nennt. Selbst im Schlaf wacht der Allmächtige über sie – und schickt wenn’s brenzlig wird schon mal Jesus persönlich als
Lebensretter aus der Kuckucksuhr...
Bei ihrem Auftritt im Polizeirevier macht Mrs. Munson noch eines klar: Sie hat wenig Toleranz für Kultur, die ihr neu oder fremd ist. Ganz furchtbar schimpft sie auf die »Hippytihop-Music« ihres Neffen.
Die Opposition von Professor Dorr und Mrs. Munson ist für The Ladykillers nicht einfach nur eine von Teufel und Gott, »Böse« und »Gut«. (Wobei die Sympathien des Films auf der Seite von Dorr und seiner Truppe liegen, auch wenn er sie durchwegs als mehr oder
weniger volle Trottel zeichnet. Die Coens hatten schon immer eine Liebe zu den reinen Toren, den Narren, deren kognitive Fähigkeiten von der Welt deutlich überfordert werden – denn letzteres ist im Coen-Universum quasi die Grundform menschlichen Daseins...)
Dorr und Munson stehen für zwei Systeme von Kultur.
Auf der einen Seite Dorr, der in Paris die »toten Sprachen« studiert hat, Griechisch und Latein, der die Musik von Renaissance und Rokkoko kennt, der in all seinem
Gebaren äußerst europäisch tut, sich mit einer ethnisch bunt zusammengewürfelten Bande von »Spezialisten« umgibt – und der mit Vorliebe Poe zitiert, insbesondere das Gedicht »For Helen«: Ein Gedicht, das seinerseits die antiken Kulturen beschwört; ein Gedicht aus einer Zeit, als die amerikanische Literatur nichts dagegen hatte, sich in Europa und bei vergangenen Epochen zu bedienen, als sie morbide sein durfte und dem Dunklen zugetan.
Auf der anderen Seite Munson, in deren
Ohren die Pariser Elite-Uni Sorbonne nur nach »sore bone«, schmerzendem Knochen, klingt, die dafür die christliche »Bob Jones University« für die höchste aller Bildungsanstalten hält, der »For Helen« suspekt vorkommt (Wer war diese Helen? Womöglich »some whore of Babylon«?), die nur Gospelmusik duldet und nur ein Buch im Leben zu brauchen glaubt – die Bibel.
Die wahre Schandtat von Dorr und Konsorten ist dann auch nicht, dass sie sich illegal bereichern wollen, gegen das Gebot »Du sollst nicht stehlen« verstoßen. Die wahre Schandtat, die eigentliche (geradezu wörtlich zu nehmende) Subversion ist, dass sie mit ihren kriminellen Tunnelbauarbeiten im Keller beweisen, auf welch bröckeligem, leicht durchdringbarem Fundament Mrs. Munsons Heim gebaut ist, dass ihnen die direkte Verbindung des Sündenpfuhls Casino mit dem Haus der
Gottesfürchtigen gelingt, dass sie unbemerkt den kontaminierten Lohn des Lasters in dieses Haus einschmuggeln.
Dorr und seine Leute sind eine Bedrohung für die Monokultur Mrs. Munsons, weil sie in mehr als nur konkreter Hinsicht Schleichwege öffnen, Unerwartetes im Gepäck mitführen, Sprengstoff mitbringen.
Denn mit The Ladykillers basteln die Coen-Brüder ein weiteres Mal an ihrem Ur-Thema schlechthin: Amerika nicht als Schmelztiegel, sondern als Kampf-
und Spielplatz der unterschiedlichsten Kulturen.
Weil sie nach neun Filmen (und unmittelbar nach ihren zwei vielleicht schönsten, eigenwilligsten Werken überhaupt, O Brother, Where Art Thou? und The Man Who Wasn´t There) es gewagt haben, mit Intolerable Cruelty
auch mal zu gucken wie das ist, wenn man ein fremdes Drehbuch verfilmt; weil sie dabei »nur« die schönste, lustigste Komödie des Kinojahrs abgeliefert haben statt eines tief persönlichen, von der unverkennbaren Handschrift durchfurchten Meisterwerks, wollte man vielerorts gleich beleidigt eine Schaffenskrise, einen Ausverkauf der Coenschen Vision diagnostizieren. Genies dürfen halt alles – nur nicht mal ein bisschen Spaß haben, nur nicht das Auteur-Lesemuster
durchbrechen.
Als dann ruchbar wurde, dass ihr nächstes Projekt ein Remake sein würde, packten viele gleich präventiv die Keule aus und droschen dann auch munter zu, ohne den fertigen Film eines näheren Blickes zu würdigen.
Dabei ist The Ladykillers ein Coen-Film durch und durch. (Mit, nebenbei, besten Chancen, dieses Jahr wiederum die lustigste Kinokomödie zu bleiben.) Und das keineswegs nur wegen der frei flottierenden Albernheiten, an denen die Brüder
ihre gewohnt diebische Freude haben – so hemmungslos wie seit Raising Arizona nicht mehr: Ein Hund mit Gasmaske – und die Mund-zu-Mund-Beatmung selbigen Hundes, herrlich absurde Diskussionen um biblische Musikinstrumente (»Othar never played no shofar!«), Geschichten von der Reizdarmsyndrom-Selbsthilfegruppe.
Nein, die Filme der Coens waren seit jeher Filme »über« andere Filme
– jeder bezog sich auf gewisse Genres, meist sogar auf gewisse Perioden innerhalb eines Genres; jeder spielte mit Vor-Bildern, wollte als Arbeit mit und an speziellen Traditionen erkannt und verstanden werden.
Insofern ist es nicht nur ein konsequenter, sondern ein geradezu überfälliger Schritt, dass sich die Coens an das Genre »Remake« wagen. Statt einer spezifischen ART von Film als Ideen-Trampolin ist es nun halt ein spezifischer FILM, der als Lese-Folie
zugrundeliegt.
Ähnlich Tim Burtons Planet of the Apes-Remix rechnet The Ladykillers dezidiert damit, dass man das Original kennt – je genauer, je besser. Nicht nur, weil viele Gags eine zweite Stufe zünden, wenn man den Vergleich mit der Ur-Version hat, nicht nur, weil etliche hübsche Hommagen an die alte Fassung versteckt sind (nur ein Beispiel: das Erklingen des
Boccherini-Quintetts), sondern weil generell sich vieles schärft, wenn man zugleich die Differenz zum Vorbild im Blick hat: Siehe die Eröffnungsszene im Polizeirevier, siehe was aus der Eisenbahnbrücke von einst geworden ist, siehe wie sehr die Rolle des Porträts des verblichenen Hausherren in ihrer Bedeutung gewachsen ist.
Es ist kein Zufall, dass die Coens sich nicht für das Remake eines amerikanischen Films entschieden haben sondern für einen echten Import. Der 1955er Ladykillers aus den legendären Ealing-Studios ist ein zutiefst BRITISCHER Film, der sein Gift unter einer über alle Maßen höflichen, gemächlichen, ja fast betulichen Oberfläche verborgen hat – heute kann er einem, zumal mit den
wunderschön antiquierten Farben seines (damals in Großbritannien noch seltenen) Technicolor, wie ein historisches Dokument scheinen eines England, das sich noch immer nicht ganz das viktorianische Zeitalter aus den Augen gerieben hatte. Ein Film, der so sehr seiner Ära, seiner Heimat verpflichtet ist, dass allein durch den Transport in ein anderes Land, eine andere Zeit allerlei merkwürdige Dinge mit ihm passieren.
Und der Version der Coens geht es genau um solche
Transformationen, um den Warenverkehr von Geistesgütern. Man könnte The Ladykillers auch als Meta-Remake bezeichnen – als Film ÜBER den Umgang mit Vorbildern, vorgeschriebenen Texten, über das Tradieren, Aneignen, Verändern von Kultur.
So ist es auch mehr als nur ein Gag, eine absurde Steigerung der Original-Ladykillers Tarnung als gewöhnliches Streichquintett, dass Dorr und seine Mannen mit Zink und Laute anrücken, dass sie sich
ausgerechnet als Ensemble für historische Aufführungspraxis ausgeben: Als Vertreter einer Musizier-Richtung, die versucht, all die Ablagerungen, die die Jahrhunderte von Interpretations-Geschichte an alten Werken hinterlassen haben, wieder abzuschaben, zu einer originalen Gestalt zurückzukehren. Fast überflüssig zu sagen: Das ist natürlich pure Ironie; in der Welt von The Ladykillers ist sowas nicht denkbar (auch wenn eine Mrs. Munson sicher davon
träumt) – und Dorrs Mannen können all den schönen historischen Instrumenten ja auch keinen Ton entlocken. »I don’t play the buttsack,« wie Lump (Ryan Hurst) so schön wortverdrehend betont.
Bisher haben die Coens bei ihren Expedition ins Land der amerikanischen Volksstämme meist einen bestimmten kulturellen Mikrokosmos genauer unter die Lupe genommen, haben »fremde« Elemente nur wohldosiert in selbigen eingeführt. (Exemplarisch in der Mittelwesten-Dialektkomödie Fargo.) The Ladykillers ist hingegen ein regelrechter »clash of cultures«.
Diesmal ist
der Schauplatz – ein »Mississippi of the mind« – nicht alles prägender Hintergrund sondern nur das Heimatterrain einer der »Mannschaften«: Mrs. Munson und ihrer Kirchenclique. In Dorrs Team aber prallen die unterschiedlichsten Traditionen aufeinander. Der schweigsame »Colonel« (Tzi Ma) aus nicht näher benannten Kriegen in Indochina vertritt nicht nur die asiatische Fraktion – er ist ein über mehrere Wände zurückgeworfenes, verzerrtes Echo von The Bridge On The River Kwai (in dem bekanntlich wie im originalen Ladykillers Alec Guiness die Hauptrolle spielte). Garth Pancake (J.K. Simmons), der so gern das Offensichtlichste nochmal ausspricht, stammt zwar angeblich aus den USA, erinnert aber auch stark an britische Armee-Filme – und wird auch mit einem zum Werbespot heruntergekommenen Zitat solcher Erster
Weltkriegs-Epen eingeführt. Marlon Wayans als Gawain ist der junge, urbane Afro-Amerikaner, der in seinem konkreten Umfeld weniger verankert ist als in einer globalen (HipHop)-Kultur.
Der einzige pure »Amerikaner« (gab es sowas eigentlich schonmal in einem Coen-Film?), Lump, der Football-Spieler, ist fast nur Körper, ist ein Muskelpaket, dessen kognitive Fähigkeiten (von einer überraschend cleveren Wortmeldung abgesehen) grade mal zur Fortbewegung reichen. (Soll man es
hinterhältig und gemein finden, dass dieser tumbe »all-american boy« durch eine lange Subjektive eingeführt wird – dass der Film den Blick des Publikums und den Lumps erstmal als deckungsgleich vorführt?)
Die Coen-Brüder haben immer wieder erzählt, dass die Sprache der Figuren für sie einer der wichtigsten Schlüssel zu den Charakteren ihrer Filme ist. Es gibt bei ihnen nie ein einfaches »Amerikanisch«. (Nicht nur deswegen sind die Sychronfassungen hier stets – noch mehr als üblich – vollkommen andere Filme als das Original.) In The Ladykillers prallen Idiome aufeinander, die stellenweise kaum noch eine Verständigung untereinander zu
erlauben scheinen.
Da hat die Gottes-Fraktion, zu der Mrs. Munson gehört, einen (jedenfalls strategischen) Vorteil: Sie ist sehr homogen und kommt seit Jarhunderten mit nur einem Buch als Grundtext aus. Und für das bisschen, was es an Interpretation oder Übersetzung noch braucht, gibt es den Priester. (»Y'all know what 'smote' means?,« fragt der mal seine Gemeinde und konjugiert dann dolmetschend in afro-amerikanischem Idiom: »I smite, you smite, he done smote.«)
Dorrs
Truppe hingegen wirkt manchmal so, als bräuchten sie eigentlich Untertitel, wenn sie miteinander reden. Diese Leute vereint nur notdürftig das gemeinsame Ziel. Vermeintliche Chancen zu tieferen Allianzen erweisen sich als trügerisch: Mr. Pancake gehörte in den ‘60ern zu den »Freedom Riders« – doch sein tapferer, liberaler Einsatz für das Wahlrecht der Schwarzen juckt Gawain wenig. Der geht eh nicht wählen.
Gerade, was eine afroamerikanische Tradition betrifft, läuft in
The Ladykillers wenig geradlinig. Nicht nur ist die Identifikation mit den Bürgerrechts-Idealen gekappt. Gawain erkennt zwar (leider zum ungünstigsten Zeitpunkt) in Mrs. Munson eine Mutterfigur für sich – aber die kann nichts anfangen mit dem, was diese junge Generation so treibt. Ihre Sprache, ihr Verhalten, ihre Musik (siehe »Hippytihop«) sind ihr fremd und zuwider,
Die einzige klare Kontinuität, die diese Welt Gawain aufgrund seiner Hautfarbe
bietet: Sein Boss versichert dem Hilfsarbeiter, als er ihn feuert, dass nicht nur Gawains Vorgänger schwarz war sondern auch all seine Nachfolger schwarz sein werden – die Drecksjobs für die Neger, das Prinzip funktioniert noch ungebrochen in diesem Amerika.
Und die Musik birgt Hoffnung: Der Soundtrack vollzieht an einer Stelle ziemlich elegant und mühelos den Brückenschlag quer durch die Jahrhunderte. Die Musik beginnt da mit einer Pseudo-Rennaissance-Instrumentierung in angedeutetem Kirchenstil, schlängelt sich von da nahtlos vorwärts zu Gospel und Bluegrass, um schließlich bei HipHop zu landen. Und das alles sehr harmonisch und schlüssig.
Sonst aber ist The Ladykillers vor allem ein Film über
missglückte Transporte, über Umwege, Unfälle aber auch überraschende unterirdische Verbindungen. Ein Film über das Geheimnis, wie die Dinge von A nach B kommen – so wie das Casino-Geld bei Dorrs Raubzug aus einem scheinbar intakten, völlig versiegelten Raum auf mysteriösem Wege in den Keller von Mrs. Munson gelangt.
Das zentrale Bild des Films, mit dem er auch beginnt und endet, ist eine Brücke – doch wir erfahren nie, welche Punkte diese Brücke miteinander verbindet;
nie wird sie in dem Film je ganz überquert; sie scheint allein als Transitstation zu dienen ins Jenseits. Sie ist der Umsteigebahnhof für alle, die den rechten Weg verlassen haben – über ihre Brüstung geht es auf’s Schiff, dass den Müll zum »garbage island« transportiert.
Es ist eine Brücke mit gotisch anmutenden, wasserspeierartigen Figuren, von Poeschen Raben umflattert: Ein Verbindungs-Bauwerk zu einem alten Europa, einem romantischen, den sympathischen
Seiten des Teufels durchaus zugeneigten Amerika.
Im Gottes-Amerika von The Ladykillers wird sie nicht mehr regulär befahren, genutzt.
Es wäre zu billig, den Film einfach nur als Kommentar zum gegenwärtig in den USA grassierenden christlichen Fundamentalismus lesen zu wollen. So einfach funktionieren die Coens nicht. Die Coen-Brüder sind – und gerade das macht sie zu echten Künstlern – keine Dozenten. Sie sind sich ihrer Themen wohl bewusst, aber sie versuchen nicht, mit ihren Werken fertige Thesen dazu zu formulieren. Es geht nicht um eine von vornherein festgelegte »Aussage«, für die der Film
dann ein Transportmittel sein soll, auf die er sich nachher wieder reduzieren ließe. Die Coens spielen, experimentieren vielmehr – sie bringen die unterschiedlichsten Elemente miteinander in Kontakt und schauen, wie sie miteinander reagieren. Und sie sind Meister der falschen Fährten; der Inszenierung von vorgetäuschter Signifikanz als Ablenkungsstrategie; des unauflösbaren Rests, der immer bleibt, nachdem man einen ihrer Filme durch eine allzu geradlinige Lesart
dividiert hat.
Aber es kann kein Zweifel bestehen, dass die Coens – die seit jeher am Mythos einer monolithischen USA kratzen – mit diesem Film auf einen Trend im geistigen Klima ihres Landes reagiert haben. Es geht in The Ladykillers um ein Amerika, das alles auszusondern sucht, was ihm fremd, unheimlich, unverständlich scheint, was es nicht in der Bibel wiederfindet. Und dem es nichtmal reicht, wenn der Großteil davon auf einer Müllinsel vor
der Küste landet. Ganz zum Schluss des Films wird auch noch der letzte verbliebene Rest von Dorr und seiner Truppe feinsäuberlich entsorgt.
Man hat das keineswegs als Happy End zu verstehen.
Die Coen-Brüder bleiben sich selbst treu. Ihre Entwicklung läuft seit einigen Jahren konsequent in Richtung Mainstream und ihnen selbst ist das laut eigener Aussage gar nicht so unrecht. Joel und Ethan Coen wollen eine möglichst große Anzahl an Zuschauern erreichen, was für Filmemacher zunächst kein seltenes Ansinnen ist. Allerdings hatten die Brüder bereits seit ihrem ersten Film eine stetig wachsende Fangemeinde hinter sich versammelt, die fast all ihre Filme zu Erfolgen an der Kinokasse machte. Und die Coen Brüder zu Filmemachern mit Kultstatus, gerade weil ihre Filme sich abseits des Mainstream positionieren konnten. Warum die beiden inzwischen immer massentauglichere Filme, mit immer bekannteren Schauspielern drehen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.
Ladykillers, ihr neustes Werk ist jedenfalls deutlich auf ein großes Publikum ausgelegt, was nicht nur die Besetzung der Hauptrolle mit Tom Hanks, sondern auch die Entstehungsgeschichte des Films verdeutlicht. Es handelt sich um eine typische Auftragsarbeit, für die Joel und Ethan Coen zunächst nur das Drehbuch beisteuern sollten. Als Regisseur war ihr ehemalige Kameramann Barry Sonnenfeld vorgesehen, der bislang nur blockbuster zu verantworten hat. Als die Brüder schließlich die Regie übernahmen war klar, dass der Film ihr erster sein würde, der nicht nach einem Originaldrehbuch entstand. Denn Ladykillers ist natürlich ein Remake der britischen Ealing-Komödie aus dem Jahre 1955, in der sich eine Gangsterbande bei einer netten, alten Dame einquartiert um in Ruhe ihren neuesten Coup zu planen und durchzuführen. Probleme stellen sich für die Kriminellen erst ein, als der Raub bereits erfolgreich durchgeführt wurde. Denn die Hausdame hat leider Wind von der Sache bekommen und soll nun beseitigt werden, was sich als äußerst schwierig erweist. Es ist wohl müßig nun das grundsätzliche Für-und-wieder von Remakes im Allgemeinen zu diskutieren, und die Frage, ob Alex Guinness' Leistung aus dem Original überhaupt zu überbieten ist, aufzuwerfen. Tatsache ist, der neue Film existiert und er muss sich als selbstständiges Werk behaupten. Von einem Vergleich zum Original sollte man, besonders auch im Sinne der Neuverfilmung absehen.
Um eine Beurteilung der, exponierten, Hauptrolle kommt man allerdings nicht herum. Es ist offensichtlich, dass Tom Hanks viel Spaß daran hatte diesen Part zu übernehmen. In einer reinen Komödie wollte er mal wieder mitspielen und in der Rolle des falschen Professors Goldthwait Higginson Dorr III. kann Hanks sein ganzes komödiantisches Potential zum besten geben. Mit Inbrunst rezitiert er Edgar Alan Poe, den die Coens dem Original hinzugefügt haben und genießt es sichtlich in seiner ungewohnten Maske und Verkleidung zu chargieren. Die Hauptfigur erfüllt Tom Hanks mit viel Leben und auch im Drehbuch ist die Rolle des Professors breit angelegt. Dafür kommen die Nebenfiguren des Films, besonders die Gangster-Komplizen zu kurz. Hier entwickelt der Film keine eigenständigen Charaktere, die Figuren bleiben Stereotypen, die für den ein oder anderen Gag gut sind, allzu oft jedoch zu bloßen Stichwortgebern degradiert werden.
Die Handlung haben die Coens von England in die US-Südstaaten verlegt. In O Brother, Where Art Thou?, war dies ein genialer Schachzug, der der frei nach Homer erzählten Odyssee einige wahnwitzige neue Aspekte hinzufügte. Diesmal gibt es ein paar müde Gags über die »Hippity-Hop«-Musik der jungen Schwarzen, ansonsten schlägt der Film kein Kapital aus der Umsiedelung. Auch die Entscheidung, den Film, anders als im Original, nicht ausschließlich im Haus der alten Dame spielen zu lassen, entpuppt sich als kontraproduktiv. Gewinnt der Schwarzweiß-Klassiker gerade aus der Beschränkung auf den einen, zentralen Ort ungemein an Spannung, geraten die Nebenschauplätze im Remake sehr beliebig und lenken vom eigentlichen Kern der Handlung unnötig ab.
In diesen sekundären Handlungsorten würde man die, für die Coen Brüder so typischen, skurrilen Elemente ihrer Filme erwarten. Aber, und das ist das größte Manko dieses Films, diese skurrilen Elemente gibt es fast nicht. Nur ganz selten taucht der berüchtigte Humor der Coens auf, wenn z.B. die Leichen des Films mit einem Müllschiff entsorgt werden, das immer wieder zu einem irreal anmutenden, überdimensionierten Müllberg fährt. In dieser, sich während des Films, oft wiederholenden
Sequenz, spürt man, was aus Ladykillers hätte werden können. Denn der Film ist eine nette Hollywood-Komödie, nicht mehr und nicht weniger. Für einen Film der Coen Brüder kann dies jedoch nicht der Maßstab sein. Für sie ist das ganz klar zu wenig.
Für ihren nächsten Film wollen sich Joel und Ethan mehr Zeit lassen und vielleicht finden sie dann auch wieder zurück in Richtung ihrer Wurzeln. Was sich auch mit ihrem Anspruch an ein möglichst großes Publikum nicht
widerspricht, denn auch finanziell war Ladykillers bislang nicht erfolgreicher als ihre, abseits des Mainstream entstandenen Werke.