Österreich/Luxemburg 2006 · 73 min. · FSK: ab 0 Regie: Elke Groen, Ina Ivanceanu Drehbuch: Elke Groen, Ina Ivanceanu Kamera: Elke Groen Schnitt: Pia Dumont, Emily Artmann |
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Familie made in China |
»Heute wird ein Film gezeigt,... die Schauspieler sind wir selbst ... ist ziemlich lustig!« Mit dieser Ansage aus dem Dorflautsprecher des chinesischen »Musterdorfes« Beisuzha beginnt dieser Film so heiter, wie er dann weitergeht. Jeder siebte Mensch ist eine ungewöhnliche, überaus beschwingend anzusehende Dokumentation über drei sehr verschiedene Dörfer aus China. Der Film heißt nicht so, weil etwa jeder siebte Mensch Chinese wäre – das ist bei derzeit 6,7 Mrd. Weltbevölkerung derzeit sogar jeder fünfte – sondern weil es sich bei jedem siebenten Mensch um einen chinesischen Bauern handelt! Eine unglaubliche Zahl, die wir uns doch immer wieder ins Bewusstsein rücken sollten, wenn in den nächsten Wochen im Zuge der Olympiade andauernd von China die Rede sein wird, und die Medien ein glanzvolles futuristisches Bild zeigen werden: Von Wirtschaftswunder, Turbokapitalismus, zweistelligem Wachstum und so weiter – diese Hypermoderne ist nur die eine Seite Chinas, weitaus prägender nach Innen ist der Agrarstaat, sind die archaischen Arbeitsbedingungen, ist ein Leben, das zwar unglaublich besser ist, als vor hundert Jahren, aber eben doch hart, einfach, von Traditionen geprägt, die Sozialismus wie Kapitalismus übergreifen.
Die Regisseurinnen Ina Ivanceanu und Elke Groen kommen aus Österreichs Hauptstadt Wien, und haben schon mehrfach zusammengearbeitet. Sie sind – ganz wichtig! – keine China-Experten, ihr Blick auf ihren drei Reisen zwischen 2002 und 2005, die diesem Film zugrundeliegen, ist also offen und unbefangen, unspezialistsch, er ähnelt unserem: Neugierig und verwundert, immer noch staunend über den wunderbaren unbekannten Kontinent, der uns da gerade auf der anderen Seite der Welt erschlossen wird, und der unsere Zukunft verändert. Denn natürlich bleibt auch auf dem chinesischen Land nicht alles beim Alten: Das erste Dorf Beisuzha im Norden ist ein »Musterdorf«. Hier ist der Sozialismus intakt, die Planung des gewählten Dorfkomitees bestimmt das Leben. Geburtenplanung, Kindererziehung, Hygiene – alles unterliegt dem Konformitätsdruck der Dorfgemeinschaft, ob der mit kommunistischen Phrasen garniert wird, spielt keine Rolle. San Yuan ist ein kleines Normal-Dorf im Südwesten, nahe dem Himalaya. Erst seit 2003 gibt es eine Asphaltstraße, nur ein Auto für alle. Auch hier dominiert einfache Leben, kleine Freuden, etwa über Kühlschrank und Waschmaschine – ein Stolz, der allenfalls älteren Deutschen noch aus der Nachkriegszeit vertraut sein dürfte.
Schließlich Jiangjiazhai das in der Sonderzone des »Sozialismus mit chinesischem Gesicht« liegt, so der offizielle Slogan für die kapitalistischen Gehversuche. Hier sieht man, wer China wirklich verändert: Der Nestlé-Konzern fördert die Milchproduktion, plötzlich gibt es Kühe – die es hier noch nie gab, wo auch normalerweise keiner Milch trinkt. Ein bizarrer Kulturclash.
Die überraschendste Erkenntnis ist aber, wieviel Diskussion, Demokratie und Selbstbestimmung es in den Dörfern gibt. Vielleicht kommt die nächste Revolution des »Bauernstaates China« aus den Provinzen.