Irre sind männlich

Deutschland 2014 · 93 min. · FSK: ab 12
Regie: Anno Saul
Drehbuch: ,
Kamera: Carl-Friedrich Koschnick
Darsteller: Fahri Yardim, Milan Peschel, Marie Bäumer, Peri Baumeister, Josefine Preuß u.a.
Hölzern und uninspiriert.

Für eine Handvoll Lachen

»Ein Trailer ist ein aus einigen Passagen der origi­nalen Vorlage zusam­men­ge­setzter Clip von meist ca. 2 Minuten Laufzeit, zur Werbung für einen Kino- oder Fern­seh­film, ein Compu­ter­spiel oder eine andere Veröf­fent­li­chung.« (wikipedia)

Eine Erfahrung, die sich immer häufiger einstellt: Ein Trailer hat einen erfolg­reich ins Kino gelockt und nun sitzt man gespannt im Zuschau­er­raum und stellt mit zuneh­mender Dauer des Films fest, dass die Höhe­punkte des Trailers tatsäch­lich auch die besten (oder wahlweise auch witzigsten oder berüh­rendsten) Szenen des Films sind, die man nach und nach „abar­beitet“. Schade, wenn da nicht mehr dazu kommt. Schade überhaupt, wenn Trailer zunehmend ganze Portionen des Haupt­ge­richts servieren, statt mit kleinen Häppchen den Appetit anzuregen.

So geschehen in Irre sind männlich von Regisseur Anno Saul, der sich nach den erfolg­rei­chen Komödien Kebab Connec­tion und Wo ist Fred? und dem düsteren Die Tür (2009) wieder der heiteren Unter­hal­tung zugewandt hat (Drehbuch Ilja Haller). Erzählt wird die Geschichte von den ziemlich besten Freunden Daniel und Thomas, die sich – aus unter­schied­li­chen Motiven heraus – Psycho­se­mi­nare als Aufreiß-Biotop auser­koren haben. Treibende Kraft ist Thomas Vierzig, der, wie originell, 39 ist – ständig auf der Suche nach schnellem Sex statt langer Bindung. Milan Peschel, in den letzten Jahren Dauergast in den Schweig­hö­fer­pro­duk­tionen, aber darüber hinaus einer der viel­sei­tigsten deutschen Schau­spieler, spielt seine Rolle gewohnt überdreht, aber mit skurrilem Charme und mimischem Feuerwerk, nach dem eisernen Komö­di­en­ge­setz: Wer nicht aussieht wie George Clooney, muss wenigs­tens super­witzig sein. Sein Freund Daniel (Fahri Yardim – bekannt als Sidekick von Til Schweiger im Tatort) ist da deutlich intro­ver­tierter und ruhiger und schließt sich der Aufreißjagd zunächst nur sehr wider­willig an, weil er Abstand zu seiner miss­glückten Beziehung zu Mia (Josefine Preuß) sucht. Diese wirft ihm nämlich vor, dass er zu sehr klammert und ihr nicht den nötigen Freiraum lässt. Die beiden Männer geben sich also, perfekt auf die Wirkung bei Frauen abge­stimmte, Tarn­iden­ti­täten (Tier­pfleger, Herz­chirurg, Kinder­buch­autor) und punkten bei so genannten Fami­li­en­auf­stel­lungen, bei denen Männer sowieso rar sind, mit fiktiven tragi­schen Kind­heiten und geheu­chelter Empathie und Ehrlich­keit. Der Plan geht auf, die Teil­neh­me­rinnen schmelzen bei so viel „neuem Mann“ dahin und stürmen die Betten der Freunde, um ihre Wunden zu lindern und ihre Komplexe zu heilen. Nur eine Teil­neh­merin, Sylvie, kommt ihnen auf die Schliche, weil sie ein ähnliches Beute­schema hat und sich ihre Wege zum zweiten Mal kreuzen. Irre sind also auch mal weiblich.

Das Tempo stimmt, die Hälfte des Trailers ist abgespult, so könnte es weiter­gehen. Doch dem zweiten Teil, dem nach Komö­dien­schema ernsten, geht dann teilweise die Luft aus. Das Super­se­mi­n­ar­wo­chen­ende bei Guru Schorsch Trautmann (routi­niert, aber mit wenig Spielraum: Herbert Knaup) zieht sich sehr zäh dahin und Marie Bäumer als bindungs­scheue Sylvie wirkt für den gefor­derten flachen Witz zu hoch­karätig besetzt, während Peri Baumeister und Tom Beck als das Promi-Paar Berna­dette und Carsten trotz ihrer optischen Attrak­ti­vität fern­seh­haft hölzern und unin­spi­riert agieren. Aus dem Thera­pie­set­ting kann der Film dann auch nur noch einmal wirklich Kapital schlagen, in einer Szene – genau, die aus dem Trailer – in der die Sexua­lität von Thomas „aufge­stellt“ wird, inklusive schlaffem Glied und Vagina.

Natürlich müssen sich die Prot­ago­nisten dann noch positiv entwi­ckeln und am Ende geläutert oder zumindest glücklich dastehen. Schon klar. Aber muss es wirklich immer nach dem gleichen Schema laufen? Enttäu­schung und Bruch nach Auffliegen der Tarnung, Beweisen der Liebe durch Hart­nä­ckig­keit und Krea­ti­vität (Schreiben eines Kinder­bu­ches) und so weiter…Das hat einem der Trailer vorent­halten, aber das kennt man ja schon aus Hunderten anderer gleich gestrickter Komödien. Viel­leicht hätte der zweite Teil mehr Profil gewonnen, wenn die Psycho-Szene als origi­neller Hand­lungsort und Themen­schwer­punkt etwas konse­quenter genutzt worden wäre, wie es etwa der Rosen­müller-Film Sommer in Orange anhand der Sekten-Szene gezeigt hat. Jeder Feel-Good-Film braucht seine geschätzten zehn Minuten Feel-Bad-Zeit, bevor sich die Paare in die Arme fallen, dazu die passende traurige Musik.

Inter­es­sant sind die bezie­hungs­tech­ni­schen Lösungen, die der Film anbietet, als Redensart unter „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ bekannt. (Theo­re­ti­sche Unter­maue­rung dazu: http://www.welt.de/wissen­schaft/article2286082/Gleich-und-Gleich-gesellt-sich-gern.html.) Der Bindungs­scheue bekommt mit der Bindungs­scheuen ein Kind, weil er seine Angst im Partner gespie­gelt findet und Daniel, der Bezie­hungstyp, der seine Partnerin gern per Standort-App auf dem Handy verfolgt und auf Partys lieber mit ihr zusammen steht, anstatt sich flirtend unter das Volk zu mischen, findet in Berna­dette seine klam­mernde Entspre­chung. Mal was Anderes!

Dass die recht populären „Fami­li­en­auf­stel­lungen“ mehr zu bieten haben, als ein Auslöser für eine Handvoll Lachen zu sein, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt.