Deutschland 2014 · 93 min. · FSK: ab 12 Regie: Anno Saul Drehbuch: Philip Voges, Ilja Haller Kamera: Carl-Friedrich Koschnick Darsteller: Fahri Yardim, Milan Peschel, Marie Bäumer, Peri Baumeister, Josefine Preuß u.a. |
||
Hölzern und uninspiriert. |
»Ein Trailer ist ein aus einigen Passagen der originalen Vorlage zusammengesetzter Clip von meist ca. 2 Minuten Laufzeit, zur Werbung für einen Kino- oder Fernsehfilm, ein Computerspiel oder eine andere Veröffentlichung.« (wikipedia)
Eine Erfahrung, die sich immer häufiger einstellt: Ein Trailer hat einen erfolgreich ins Kino gelockt und nun sitzt man gespannt im Zuschauerraum und stellt mit zunehmender Dauer des Films fest, dass die Höhepunkte des Trailers tatsächlich auch die besten (oder wahlweise auch witzigsten oder berührendsten) Szenen des Films sind, die man nach und nach „abarbeitet“. Schade, wenn da nicht mehr dazu kommt. Schade überhaupt, wenn Trailer zunehmend ganze Portionen des Hauptgerichts servieren, statt mit kleinen Häppchen den Appetit anzuregen.
So geschehen in Irre sind männlich von Regisseur Anno Saul, der sich nach den erfolgreichen Komödien Kebab Connection und Wo ist Fred? und dem düsteren Die Tür (2009) wieder der heiteren Unterhaltung zugewandt hat (Drehbuch Ilja Haller). Erzählt wird die Geschichte von den ziemlich besten Freunden Daniel und Thomas, die sich – aus unterschiedlichen Motiven heraus – Psychoseminare als Aufreiß-Biotop auserkoren haben. Treibende Kraft ist Thomas Vierzig, der, wie originell, 39 ist – ständig auf der Suche nach schnellem Sex statt langer Bindung. Milan Peschel, in den letzten Jahren Dauergast in den Schweighöferproduktionen, aber darüber hinaus einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler, spielt seine Rolle gewohnt überdreht, aber mit skurrilem Charme und mimischem Feuerwerk, nach dem eisernen Komödiengesetz: Wer nicht aussieht wie George Clooney, muss wenigstens superwitzig sein. Sein Freund Daniel (Fahri Yardim – bekannt als Sidekick von Til Schweiger im Tatort) ist da deutlich introvertierter und ruhiger und schließt sich der Aufreißjagd zunächst nur sehr widerwillig an, weil er Abstand zu seiner missglückten Beziehung zu Mia (Josefine Preuß) sucht. Diese wirft ihm nämlich vor, dass er zu sehr klammert und ihr nicht den nötigen Freiraum lässt. Die beiden Männer geben sich also, perfekt auf die Wirkung bei Frauen abgestimmte, Tarnidentitäten (Tierpfleger, Herzchirurg, Kinderbuchautor) und punkten bei so genannten Familienaufstellungen, bei denen Männer sowieso rar sind, mit fiktiven tragischen Kindheiten und geheuchelter Empathie und Ehrlichkeit. Der Plan geht auf, die Teilnehmerinnen schmelzen bei so viel „neuem Mann“ dahin und stürmen die Betten der Freunde, um ihre Wunden zu lindern und ihre Komplexe zu heilen. Nur eine Teilnehmerin, Sylvie, kommt ihnen auf die Schliche, weil sie ein ähnliches Beuteschema hat und sich ihre Wege zum zweiten Mal kreuzen. Irre sind also auch mal weiblich.
Das Tempo stimmt, die Hälfte des Trailers ist abgespult, so könnte es weitergehen. Doch dem zweiten Teil, dem nach Komödienschema ernsten, geht dann teilweise die Luft aus. Das Superseminarwochenende bei Guru Schorsch Trautmann (routiniert, aber mit wenig Spielraum: Herbert Knaup) zieht sich sehr zäh dahin und Marie Bäumer als bindungsscheue Sylvie wirkt für den geforderten flachen Witz zu hochkarätig besetzt, während Peri Baumeister und Tom Beck als das Promi-Paar Bernadette und Carsten trotz ihrer optischen Attraktivität fernsehhaft hölzern und uninspiriert agieren. Aus dem Therapiesetting kann der Film dann auch nur noch einmal wirklich Kapital schlagen, in einer Szene – genau, die aus dem Trailer – in der die Sexualität von Thomas „aufgestellt“ wird, inklusive schlaffem Glied und Vagina.
Natürlich müssen sich die Protagonisten dann noch positiv entwickeln und am Ende geläutert oder zumindest glücklich dastehen. Schon klar. Aber muss es wirklich immer nach dem gleichen Schema laufen? Enttäuschung und Bruch nach Auffliegen der Tarnung, Beweisen der Liebe durch Hartnäckigkeit und Kreativität (Schreiben eines Kinderbuches) und so weiter…Das hat einem der Trailer vorenthalten, aber das kennt man ja schon aus Hunderten anderer gleich gestrickter Komödien. Vielleicht hätte der zweite Teil mehr Profil gewonnen, wenn die Psycho-Szene als origineller Handlungsort und Themenschwerpunkt etwas konsequenter genutzt worden wäre, wie es etwa der Rosenmüller-Film Sommer in Orange anhand der Sekten-Szene gezeigt hat. Jeder Feel-Good-Film braucht seine geschätzten zehn Minuten Feel-Bad-Zeit, bevor sich die Paare in die Arme fallen, dazu die passende traurige Musik.
Interessant sind die beziehungstechnischen Lösungen, die der Film anbietet, als Redensart unter „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ bekannt. (Theoretische Untermauerung dazu: http://www.welt.de/wissenschaft/article2286082/Gleich-und-Gleich-gesellt-sich-gern.html.) Der Bindungsscheue bekommt mit der Bindungsscheuen ein Kind, weil er seine Angst im Partner gespiegelt findet und Daniel, der Beziehungstyp, der seine Partnerin gern per Standort-App auf dem Handy verfolgt und auf Partys lieber mit ihr zusammen steht, anstatt sich flirtend unter das Volk zu mischen, findet in Bernadette seine klammernde Entsprechung. Mal was Anderes!
Dass die recht populären „Familienaufstellungen“ mehr zu bieten haben, als ein Auslöser für eine Handvoll Lachen zu sein, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt.