Immer wieder Dienstag

Tisdagsklubben

Schweden 2022 · 102 min. · FSK: ab 12
Regie: Annika Appelin
Drehbuch:
Kamera: Andreas Wessberg
Darsteller: Marie Richardson, Peter Stormare, Carina M. Johansson, Sussie Ericsson, Björn Kjellman u.a.
Immer wieder Dienstag
Was auch sonst: Liebe geht durch den Magen...
(Foto: 24 Bilder)

Alles Zucker?

Annika Appelin tariert in ihrer Wohlfühlkomödie überzeugend die Chancen aus, die man als Ü-60-Frau im Leben noch hat. Das ist nicht nur im Vergleich zu amerikanischen und französischen Pendants sehr erfrischend

Es mag sein, dass das, was die schwe­di­sche Regis­seurin Annika Appelin und ihre Dreh­buch­au­torin Anna Fred­riksson in Immer wieder Dienstag zeigen, sonderbar vertraut wirkt. Denn skan­di­na­vi­sche Fami­li­en­feste haben zumindest im Film schon immer kathar­ti­sche Effekte gehabt, sei es in Ingmar Bergmans groß­ar­tigem Fanny und Alexander (1982) oder in einem anderen wegwei­senden Film, in Thomas Vinter­bergs Das Fest (1998). Auch bei Appelin gerät einiges aus den Fugen, als Karins (Marie Richardson) Ehemann Sten (Björn Kjellman) bei der Feier ihres 40. Hoch­zeits­tages stürzt und das vermeint­liche Glück einer heilen Ehe gleich mit sich reißt. Karin hilft dann nicht nur ihre Leiden­schaft fürs Kochen – eine selbst-thera­peut­siche Methode, die es schon so oft wie Fest-Filme und zuletzt in Trần Anh Hùngs Geliebte Köchin zu bestaunen galt – nein, es ist auch die Gründung eines Clubs gleich­ge­sinnter Frauen, der ihr wieder auf die Beine hilft. Auch das ist natürlich überaus bewährtes film-erzäh­le­ri­sches Terrain, das zuletzt am erfolg­reichsten in Bill Holder­mans solidem Book Club – Das Beste kommt noch und dem unsäg­li­chen Buchclub 2 – Das nächste Kapitel durch­de­kli­niert wurde, in dem sich ein paar Frauen im hohen Alter endlich selbst ermäch­tigen und die Sau raus­lassen.

Dass Appelins Film trotz all der ausge­latschten Pfade dennoch Spaß macht, ja sogar ein regel­rechter Jung­brunnen ist, liegt nicht nur an einem herrlich aufspie­lenden Cast, sondern natürlich auch daran, dass wir hier in Schweden sind und anders als in den USA jeder sein Alter ganz unge­schminkt vor sich her trägt. Und auch vor fran­zö­si­schen Trennung-im-Alter-und-sich-neu-finden-Pendants wie Liebes­briefe aus Nizza oder Adieu Chérie – Trennung auf Fran­zö­sisch muss sich Immer wieder Dienstag nicht verste­cken, denn Appelin und ihrer Dreh­buch­au­torin gerät gerade durch die schräge Kombi­na­tion aller aufge­zählter Genres eine Melange, die auch deshalb anders schmeckt, weil sie trans­ge­ne­ra­tional arbeitet, d.h. auch ein Glücks-Vergleich der Gene­ra­tionen mit in diese roman­ti­sche Komödie mit einge­flochten wird, die roman­ti­sche Komödie damit gleich noch einmal erweitert, denn schließ­lich ist es nicht nur Karin, die ihr Leben neu aufstellen möchte, sondern auch ihre Tochter, die sich eigent­lich gegen jede Änderung wehrt.

Appelin gelingt damit ein Spagat, der nicht selbst­ver­s­tänd­lich ist, wirken gerade die Bemühungen in den fran­zö­si­schen Film-Beispielen, ihr Narrativ auch auf die Kinder der Betei­ligten auszu­weiten, aufge­setzt und wenig über­zeu­gend. Ein Versuch, den Book Club erst gar nicht wagt. Wohl auch, weil mit diesen Filmen letzt­end­lich die Alters­gruppe bedient und in die Kinos gelockt wird, die wie die Leser von Tages­zei­tungen wohl die Einzigen sind, die mit der Kunstform Kino noch in ihrer Jugend sozia­li­siert worden sind und deshalb noch regel­mäßig bereit sind, überhaupt ins Kino zu gehen, sollten keine Alters­ge­bre­chen sie daran hindern.

Und dann macht es neben all den Liebes- und Alters­ro­chaden auch Spaß, dem wunderbar mürrisch insze­nierten Meis­ter­koch Henrik (Peter Stormare) bei der wider­wil­ligen Leitung seines Koch­kurses zuzusehen, die letzt­end­lich die Grundlage für eine roman­ti­sche Komödie ist, die bei all dem klebrigen Nostalgie-Zucker, der hier auf vermeint­lich ideale 1980er Jahre gegossen wird, dann doch den Mut hat, sich für eine Gegenwart zu bekennen, die viel­leicht nicht ideal, dafür aber umso leben­diger ist. Viel mehr Lebens­weis­heit geht eigent­lich kaum.