Im Netz der Versuchung

Serenity

USA 2019 · 107 min. · FSK: ab 12
Regie: Steven Knight
Drehbuch:
Kamera: Jess Hall
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Diane Lane, Jason Clarke, Djimon Hounsou u.a.
Die Gerechtigkeit fischen gehen

Auf der Suche nach dem verlorenen Glamour

Es ist ein kleines Paradies in den Florida Keys: Blaues Meer, male­ri­sche Fels­buchten, tropi­sches Klima. Zu Beginn sehen wir den Helden beim morgend­li­chen Erfri­schungs-Sprung von einer viele Meter hohen Fels­platte. Tief taucht er ins kris­tall­klare Wasser ein.

Baker Dill, gespielt von Matthew McCo­n­aughey, hat sich schon in frühen Jahren in den kleinen Ort in Florida zurück­ge­zogen. Dort vermietet er sein Boot für Fischer­aus­flüge an Touristen. Baker selbst, der meist nur mit T-Shirt oder nacktem Ober­körper herum­läuft, ist besessen von einem riesigen Thunfisch, der schon dreimal seinen Fängen entkommen ist. Er hat ihn »Justice« getauft, »Gerech­tig­keit«. Und er jagt ihn mit ähnlicher Selbst­auf­gabe und Entschlos­sen­heit, wie einst Käptain Ahab den weißen Wal Moby Dick. Der Name ist alles andere als ein Zufall: Baker jagt die Gerech­tig­keit.
Der Ort heißt Plymouth Island, und hat eine einzige Bar, einen Dorf­po­li­zisten; im Ort kennt jeder jeden. Der Zuge­reiste Baker fühlt sich in diesen engen provin­zi­ellen Verhält­nissen zunehmend unwohl und ist langsam genervt.

Steven Knight, der Regisseur dieses Films, ist ein bekannter Dreh­buch­autor. Unter anderem schrieb er mit dem Russen­ma­fi­athriller Eastern Promises einen Film für David Cronen­berg. Knight unter­nimmt jetzt den Versuch, eines der Lieb­lings­genres des klas­si­schen Hollywood wieder­zu­be­leben: Den Film noir, mit dem zum Beispiel Bogart und Bacall einst mehrfach reüs­sierten: »Key Largo« und »To have and have not« heißen zwei der Klassiker auf die Knight in seinem Film »im Netz der Versu­chung«, im Original »Serenity«, jetzt anspielt.

Knight macht hier einen hervor­ra­genden Job. Er legt falsche Fährten, aber auch unschein­bare Spuren, die im Rückblick bereits auf die Auflösung der Geschichte hindeuten.
Sehr präzise zeichnet er die kleine enge Welt, in die sich seine Haupt­figur zurück­ge­zogen hat: Denn Baker ist ein Veteran des Irak-Kriegs. Manchmal verfolgen ihn seine schlimmen Erin­ne­rungen bis in den Schlaf. Aus einer früheren Ehe hat er einen Sohn, den er seit Jahren nicht gesehen hat, zur Zeit ist er mit der Dorf­be­woh­nerin Constance liiert, gespielt von Diane Lane. Nicht ohne Grund ist sie eifer­süchtig.

Dann tritt ohne Vorwar­nung eines Tages ein Geist aus Bakers Vergan­gen­heit auf: Karen, Bakers Ex-Ehefrau, die der Mann einst verlassen hat. Anne Hathaway spielt sie als vermeint­liche Femme Fatale mit blon­dierten Haaren. Inzwi­schen ist Karen mit einem Mann verhei­ratet, der zwar ungemein reich ist, ansonsten aber überaus unsym­pa­thisch. Nicht zuletzt, weil er seine Frau und seinen Stiefsohn regel­mäßig verprü­gelt.

Die Funken der alten Liebe zwischen Baker und Karen sprühen sofort. Und es dauert nicht lange, bis Karen zur Sache kommt: »Ich möchte, dass du ihn ins Meer wirfst, als Futter für die Haie. dafür gebe ich dir zehn Millionen Dollar.« Zehn Millionen für einen Mord!
Natürlich liegen die Dinge dann doch noch um einiges anders, als man glaubt – aber das wollen wir hier nicht verraten.

Im Netz der Versu­chung ist ein Film, der eine spannende, bis zum Ende fesselnde, wenn auch etwas abstruse und in seinem Symbo­lismus aufdring­liche Geschichte erzählt – nicht gerade aus dem Leben gegriffen, aber dafür aus exzel­lenten Filmen gut zusam­men­ge­klaut. Es ist aber gerade diese Verwir­rung und der Verwei­s­cha­rakter, durch den den Film besticht. Und durch seine Bilder.

Im Netz der Versu­chung ist ein Film, der intel­li­gent unter­halten will – und dem das auch gelingt – dadurch, dass er schön anzusehen ist und Spaß macht, dadurch, dass er mit seinen Bildern verführt und an das Unbe­wusste der Zuschauer rührt. Damit erinnern dieser Film und sein Regisseur auch daran, was in letzter Zeit im Kino verloren gegangen ist, daran was Kino früher einmal war, und heute viel zu selten ist. Ein Kino des Glamours, der Lust und des visuellen Exzesses. Mit voll­kommen unwich­tigen Themen, aber dafür großem Vergnügen und deshalb en passant trotzdem einiger Bedeutung.

Wo sind eigent­lich solche Filme hin, wie Charade und Arabeske, oder Haben und Nicht­haben und Out of the Past mit Humphrey Bogart und Robert Mitchum? Thriller-Geschichten, ohne Super­helden und ohne Welt­ret­tung? Filme, die Spannung mit erwach­sener Komödie verbinden? Was für Filme würden Audrey Hepburn und Cary Grant heute drehen, wenn sie heute arbeiten würden? Oder Chaplin und Keaton? Mitchum und Bogart? Im Kino, aber auch in Serien und im Fernsehen, gibt es sie zwischen all dem Super­hel­den­bom­bast, Wellness-Kino, aber auch all der inhal­tis­ti­schen Fixierung auf angeblich wichtige Themen, viel zu wenig.

Im Netz der Versu­chung zeigt uns daher eine verlorene, verges­sene Seite des Kinos, eine Seite, die man sich aber unbedingt zurück­wünscht.