USA/D 2001 · 103 min. · FSK: ab 6 Regie: Woody Allen Drehbuch: Woody Allen Kamera: Zhao Fei Darsteller: Woody Allen, Helen Hunt, Dan Aykroyd, Brian Markinson u.a. |
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Schöne Aussichten für CW Briggs |
Woody Allen begann seine Karriere mit Parodien und Satiren (wobei Mel Brooks einmal gesagt hat, er bevorzuge das Wort Persiflage, da das irgendwie intelligenter klinge) auf altbekannten Genres. Der Historienfilm war vor ihm ebenso wenig sicher wie Science-Fiction oder japanische Gangsterfilme. Im Laufe der Zeit entwickelte er aber einen ganz eigenen Stil, der das Mittel der Parodie immer spärlicher einsetzte und der heute beinahe ein eigenes Genre darstellt.
Bei seinem aktuellen Film Im Bann des Jade Skorpions sieht es anfänglich so aus, als kehre Allen zu seinen Anfängen zurück und verteile nun seinen Spott über die von ihm so geliebte Zeit der 30er und 40er Jahre mit ihren unvergessenen Kriminalfilmen.
Ein Zwischentitel zu Beginn macht vorab klar, dass wir uns im Jahre 1940 befinden, der Ort ist zwangsläufig New York und der erfolgreiche und beliebte Versicherungsdetektiv CW Briggs wird einmal mehr vom
Regisseur selber gespielt. Briggs hat gerade einen gestohlenen Picasso gefunden, verteilt nun witzige Bemerkungen an seine Kollegen bzw. charmante Komplimente an seine Kolleginnen und wäre überhaupt ganz zufrieden, wenn da nicht die neue Mitarbeiterin Fitzgerald (Helen Hunt) mit ihren Rationalisierungsmaßnahmen ständig seine altmodische Arbeitsweise untergraben würde.
Bald wird einem als Zuschauer dabei klar, dass der Film keineswegs eine freche Satire ist, sondern
vielmehr eine schwärmerische Huldigung (Mel Brooks würde wahrscheinlich das Wort Reminiszenz bevorzugen).
Vordergründig stimmt hier einfach alles. Die Kostüme, die Ausstattung, der Jazz auf dem Soundtrack sowieso, die Dialoge inklusive der alten Slangausdrücke und das alles wird festgehalten in leicht gilbig gelben Bildern. Da sind natürlich auch die Figuren authentisch und neben dem Detektiv im langen Mantel gibt es einen dicken, aber nicht besonders hellen Chef, ein paar alberne Kollegen, eine naive, aber sexy Sekretärin, einen kriminellen Magier, eine kühle Blonde mit Hang zum
Verbotenen und die wortgewaltige Fitzgerald, die sich mit Briggs den klassischen Screwball-Zweikampf bis hin zum harmonischen Ende liefert.
Das ist alles perfekt und gut und schön und manchmal auch amüsant aber schlußendlich leider ohne echten Biss. Allens neuer Film wirkt ein wenig wie Kunsthandwerk, das ja auch ein hohes technisches Können und eine gewisse Inspiration erfordert, aber im Vergleich zur »echten« Kunst nie die selbe Begeisterung auslöst.
Vielleicht liegt es daran, dass Allen die gute alte Zeit zu sehr liebt, um sich über sie lustig machen zu können. Reine Schwärmerei, mag sie auch noch so aufrichtig und intelligent sein, ist aber selten so unterhaltsam wie geistreicher Spott.
Eine Parodie hat dabei nicht zwangsläufig etwas mit Respektlosigkeit zu tun. Carl Reiner hat mit seinem Klassiker Tote tragen keine Karos (Dead Men
Don’t Wear Plaid) eine freche Satire auf die Schwarze Serie gedreht (bzw. zusammengeschnitten) und trotzdem sieht man dem Film die Leidenschaft des Regisseurs für dieses Genre in jeder Minute an.
Woody Allen dagegen bringt seinen Idolen und der damaligen Zeit nicht nur Respekt entgegen, sondern erstarrt regelrecht in Ehrfurcht vor ihnen.
Irgendwie kommt deshalb kein Schwung in die Geschichte vom cleveren Detektiv, der nach einer Hypnose zum willigen Werkzeug eines räuberischen Magiers wird und sich im Wachzustand dann selber auf der Spur ist. Wie flau so eine Handlung sein kann, merkt man aber immer erst dann, wenn die anderen Teile des Films auch nicht überzeugen.
Die Witze etwa, die eigentlich nur flapsige One-Liner sind, zünden kaum und sind im Vergleich zu Allens früheren Filmen zu brav. Dass dabei eigentlich
nur Allen selber witzig sein darf und die anderen Darsteller zu Stichwortgebern verkommen und selbst Helen Hunt ihr komisches Potential auf obskure Todesflüche beschränken muss, macht die Sache nicht besser.
Erstaunlich ausdruckslos bleibt auch die Kameraarbeit von Zhao Fei, der ansonsten beeindruckende Tableaus in Szene setzt und gerade bei historischen Filmen seine Könnerschaft bewies.
Vor die Kamera einen gelben Filter zu hängen reicht hier einfach nicht aus, und wenn sich Briggs und Fitzgerald in Chinatown endlich küssen und dabei der Raum voller Roter Laternen hängt, dann
denkt man wehmütig an Feis Arbeit im gleichnamigen Film.
Das Feeling der längst vergangenen Tage will sich bei Im Bann des Jade Skorpions einfach nicht einstellen, was um so verwunderlicher ist, da Woody Allen die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts schon mehrfach und immer sehr gekonnt zum Leben erweckt hat (z. B. in Radio Days, Purple Rose Of Cairo, Bullets Over Broadway).
Wer im Kino wirklich die Stimmung des alten Amerikas erleben will, der ist momentan mit The Man Who Wasn’t There von den Coen Brüder eindeutig besser beraten.
Betrachtet man die bisherigen Filme Allens, so könnte man zu dem Schluß gelangen, dass ihm grundsätzlich Kriminalfilme (die bei ihm natürlich immer Kriminalkomödien sind) nicht liegen. Manhattan Murder Mystery und Small Time Crooks blieben ähnlich unentschlossen wie Im Bann des Jade
Skorpions. Sein wahres Genie zeigt Allen eben nicht bei leichter Unterhaltung, sondern immer dann, wenn er sich den ungewöhnlichen und sperrigen Themen und Stilen annähert.
Wahrscheinlich ist es auch die Erinnerung an seine Klassiker, die diese Kritik zu Im Bann des Jade Skorpions schlechter als verdient ausfallen läßt. Denn zu Woody Allens Verteidigung muss gesagt werden, dass selbst seine weniger gelungenen Filmen weit davon entfernt sind
wirklich schlecht zu sein. Sie bieten auch im »schlimmsten« Fall immer noch 90 Minuten lang geistreiche Unterhaltung.