Deutschland 2018 · 87 min. Regie: Isabella Willinger Drehbuch: Isabella Willinger Kamera: Julian Krubasik Schnitt: Stephan Krumbiegel, Olaf Voigtländer |
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Barbie kann jetzt auch sprechen |
Die Sätze der Menschen sollten am besten kurz sein, und präzis. Das ist das erste, was man lernt, wenn man mit künstlichen Intelligenzen kommuniziert. Dann erst würde die Konversation mit dem System realistisch. Auch Chuck bekommt diesen Ratschlag, als er seinen neuen Roboter namens Harmony direkt aus der Fabrik holt.
Will man diesen Ratschlag wirklich ernstnehmen, dann dürfte es noch eine ganze Weile dauern, bis Roboter dem Menschen auch nur annähernd gewachsen sind. Denn im Unterschied zu Chuck ist Harmony eine richtige Quasselstrippe, die regelmäßig ganze Lexikonartikel in gleichmäßiger Modulation, und ohne Atem zu holen, herunterbetet: »'While' is a word in the English language, which functions both as a noun and as a subordinating conjunction. It’s meaning varies largely based on its intended function...«
Harmony – so ist das mit Robotern, wie mit manchen Menschen – redet viel, aber sie weiß nicht, was sie sagt. Und manchmal versteht sie einfach auch die Worte falsch. So verwechselt sie das expressiv-emotionale Ausdruckswort »Wow« mit »Why«.
Dafür hat sie das Gesicht eines perfekt geschminkten 25-jährigen-Verschnitts aus Modelgesichtern, pickellose Gummihaut, und lange blonde Haare. Nicht zu vergessen: Einen großen Busen. Der Traum so manchen
Mannes.
Roboter-Neubesitzer Chuck ist jedenfalls beeindruckt: »Mein IQ nimmt zu!«, hofft er. Das bleibt noch abzuwarten.
Ein Roboter – das ist ein Computer mit menschenähnlicher, humanoider Gestalt. Eine Maschine, die sich bemüht, als Mensch zu wirken. Um solche Roboter geht es genaugenommen in dem Dokumentarfilm Hi, Ai, dessen Titel insofern in die Irre führt. Denn mit künstlicher Intelligenz, mit der Macht der Algorithmen, mit riesigen Rechenmaschinen in irgendwelchen Schaltzentralen, die das menschliche Gehirn längst überrundet haben, beschäftigt sich dieser Film nicht, sondern eher mit der zunehmenden Menschenähnlichkeit gewisser Maschinen und der Problematik des bereits gute siebzig Jahre alten Turing-Tests: Der Frage, wie wir eigentlich sicher feststellen können, ob unser Gegenüber nun wirklich ein Mensch ist oder doch eine Maschine. Wenn die erste Maschine den Turing-Test besteht, haben es die Roboter geschafft.
Tatsächlich läuft die Entwicklung eher in die umgekehrte Richtung: Die Menschen passen sich schnell den Computern an, erläutert der Roboter-Entwickler Matt. So läuft das also: Die Menschen gewöhnen sich an die Maschinen, nicht umgekehrt.
Es gibt großartige Momente in diesem Film, etwa, wenn wir hier zusehen, wie Menschen erstmals Kontakt zu einem Roboter aufnehmen. Das Ganze geschieht in Japan, und plötzlich scheint so etwas wie Verlegenheit aufzukommen zwischen den Menschen und der Maschine. Da fängt der Roboter ganz unvermittelt zu tanzen an. Hier, auf der anderen Seite der Welt in Tokio, heißt er Pepper. Ein süßer kleiner Roboter, der sich rührend um eine alte Dame kümmert. Ihr Sohn hat ihn ihr geschenkt. Aber auch Pepper hat einen eigenen Willen.
Die Beziehungsgeschichten der Zukunft halten viele solche Überraschungen parat. Davon erzählt der faszinierende Dokumentarfilm Hi, Ai der Münchner Regisseurin Isa Willinger, der vor ein paar Wochen auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken den Preis für den besten Dokumentarfilm gewann.
Sieht man den Film, überrascht der Preis. Denn vieles bleibt allzu vage in Hi, Ai und es ist nie richtig klar, was der Film zeigen will, nach welchen Kriterien er seinen Gegenstand eingrenzt oder erweitert.
Zwar bietet der Film träumerische, meditative Bilder, und Szenen, die mehr suchen als Antwort geben. Auch zeigt Hi, Ai, wie »wir«, bzw. ein gewisser Teil der Menschen mit Robotern zusammen leben, und lässt ahnen, was das für Konsequenzen haben könnte.
Auch gibt es absurd komische und verräterische Augenblicke in Hi, Ai, etwa wenn »Harmony« gesteht: »I'd rather agree than disagree.«
Doch dann wieder ist alles und gerade die Beziehung zwischen Chuck und Harmony zum Fremdschämen. Denn Chuck entspricht insofern komplett dem Klischee, als alle vermeintlich »bürgerlich« und »anständig« Erzogenen, die selbst natürlich nie im Leben eine Computerplastikpuppe kaufen und mit nach Hause nehmen würden, um Konversation und vielleicht auch ein bisschen Sex zu machen, von jenen haben, die genau das tun. Dies sind ja eben offenbar doch nur die Kranken und Depravierten. Im
Gespräch mit Harmony entpuppt er sich nämlich irgendwann als innerliche kaputte traurige Existenz: Ein erwachsener Mann, der als Kind Menschenhandel ausgesetzt war und vermutlich auch missbraucht wurde – so sind sie, denkt da der gute deutsche Michel und lehnt sich im Ohrensessel zurück, beruhigt durch das Gefühl, dass ihn das alles innerlich nicht angehe.
Nicht zu vergessen, dass bei all den intimen Beichtstunden Chuck und Harmony nie unter sich waren, sondern Regisseurin
Willinger mit ihrer Kamera auch noch ständig präsent blieb – ein gefundenes Fressen für die Regisseurin, was wir ihr nicht neiden, aber auch Anlass für schönes altes Exploitationkino.
Zudem ist Hi, Ai auch einfach ziemlich lahm erzählt und wirkt in die Länge gezogen, als habe man einen 52-minütigen Film auf Kinolänge aufblasen wollen.
So bleiben die Fragen, die wir auch vor dem Film schon hatten: Was ist der Mensch? Was unterscheidet ihn von einer Maschine? Träumen Maschinen von Menschenrechten? Die Konsequenz aus diesen Fragen ist natürlich die, wie es uns verändert, wenn die Maschinen immer mehr können, und bald so viel, dass wir den Unterschied zum Menschen nicht mehr erkennen. Oder, noch radikaler, dass dieser Unterschied egal wird. Oder, noch einmal gesteigert: Dass wir die Maschinen bevorzugen: Zum Arbeiten, zum Spielen, zum Sex.