Hexen hexen

The Witches

USA/Mexiko 2020 · 106 min.
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: , ,
Kamera: Don Burgess
Darsteller: Anne Hathaway, Octavia Spencer, Stanley Tucci, Jahzir Bruno, Charles Edwards u.a.
Endlich einmal Kinder hassen dürfen...
(Foto: Warner Bros.)

Weg mit den Kindern!

Altmeister Robert Zemecki verfilmt etwas lustlos einen Klassiker von Altmeister Roald Dahl, doch die subversiven Hexen sind dadurch nicht kleinzukriegen

Roald Dahl zu verfilmen ist immer eine gute Idee, auch wenn es nicht das erste Mal ist. Denn wer sonst, wenn nicht der Shake­speare der Kinder­buch­li­te­ratur, bietet eine derartige Fülle an subver­siven, über­ra­schenden Ideen und Plots an, die oft so originell sind, dass selbst der größte Schnarch­tü­ten­re­gis­seur noch einen passablen Film zustande kriegt.

Zwar reichen auch die guten Verfil­mungen von Dahls Werken selten an die brachial-zärtliche Inten­sität heran, die seine Bücher beim Vorlesen entfalten, aber egal, sie machen trotzdem Spaß. Ich denke da etwa an Henry Selicks James und der Riesen­pfir­sich, an Danny DeVitos Matilda, an Timo Burtons Charlie und die Scho­ko­la­den­fa­brik, an Wes Anderson Der fantas­ti­sche Mr. Fox unnd natürlich an Nicolas Roegs Hexen Hexen mit einer wütend-schil­lernden Anjelica Huston als »Grand High Witch«, also Oberhexe, die einfach nur Lust hat, allen Kindern der Welt den Garaus zu machen und sie zu Mäusen zu verwan­deln.

Wer manchmal nicht den – und wenn auch nur den insge­heimen – Wunsch hat, die vielen lauten Kinder in unserem eh schon viel zu lauten Alltag endlich einmal zu fiep­senden Mäusen werden zu lassen, der soll sich bitte melden. Robert Zemecki jeden­falls scheint es genauso ergangen zu sein, denn warum auch sonst sollte er auf die Idee kommen, die schon zum Klassiker avan­cierte Adaption von Roeg über­bieten zu wollen?

Gut, man kann sagen, dass Roeg sich erzäh­le­risch ein paar Frei­heiten genommen hat und die Mäuse waren im Jahr 1990 natürlich nur so halbwegs über­zeu­gend. Und dann gibt es ja auch ein paar Ziel­gruppen, die sich von Dahls britisch-weißen Fami­li­en­kon­stel­la­tionen schon immer über­gangen gefühlt haben. Her also mit Robert Zemecki, einem der Altmeister des ameri­ka­ni­schen Kinos, der sich ja auch schon in Zurück in die Zukunft und Der Polar­ex­press am fanta­sie­vollen Verschwinden von Kindern inter­es­siert war.

Zemeckis, der in den letzten Jahren keinen wirklich großen Hit mehr landen konnte, nimmt sich Dahl sehr behutsam an, korri­giert, was Roeg falsch gemacht hat und schreibt selbst nur wenig um und das, was er umschreibt, ist dem aktuellen Zeitgeist geschuldet. Groß­mutter und Junge, die es auf der Flucht von den offen­sicht­lich exis­tie­renden, kinder­has­senden Hexen ausge­rechnet in das Hotel verschläft, in der die Hexen ihre große Tagung zur Vernich­tung aller Kinder planen, sind afro­ame­ri­ka­nisch, was den alten Dahl tatsäch­lich sofort aus der etwas muffigen briti­schen Provinz in das Apart­heids-Amerika der späten 1960er Jahre kata­pul­tiert – was noch einmal dadurch verstärkt wird, dass auch die Hexen eine ziemliche Multi-Kulti­truppe sind, angeführt von einer diabo­lisch weißer als weiß strah­lenden Anne Hathaway als Oberhexe, die ihre Sache zwar nicht ganz so tief­gründig-subversiv erledigt wie Angelica Huston, aber wer sich nicht an Huston erinnert, dem dürfte das egal sein, der hat auch seinen bösen Spaß mit Hathaway.

Zemeckis versucht wirklich alles richtig zu machen: die Hexentrick­technik ist ebenso atem­be­rau­bend wie die Trans­for­ma­tion der Kinder in Mäuse und nicht nur das, sondern auch die Abenteuer der Mäuse und ihr Befrei­ungs­krieg gegen die Hexen sollte Dahls Anspruch, Kindern ruhig ein wenig mehr zuzu­trauen, als es manchen »Über­el­tern« viel­leicht pädago­gisch ange­messen erscheint, im Grunde erfüllen.

Warum es dann doch nicht die perfekte Verfil­mung von Dahls Roman ist, warum man trotz aller Spannung dann und wann doch ein wenig durch­hängt und zu Gähnen anfängt? Viel­leicht weil bei aller Subver­si­vität dann doch ein wenig der Wumms fehlt, Zemecki dann doch lieber abdreht, bevor es wirklich grausam wird, das Böse im Film im Grunde zu bonbon­farben ist und es den Mäusen gleich von Anfang an einfach viel zu gut geht, so wie den echten Kindern in unserem echten Leben. Aber viel­leicht sind meine Gähn­at­ta­cken auch einfach nur der Tatsache geschuldet, dass ich die Nacht vor dem Film von Hexen geträumt und so schlecht wie schon lange nicht mehr geschlafen habe.