Mazedonien/B/F/HR 2019 · 100 min. Regie: Teona Strugar Mitevska Drehbuch: Teona Strugar Mitevska, Elma Tataragic Kamera: Virginie Saint-Martin Darsteller: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Stefan Vujisic, Suad Begovski, Simeon Moni Damevski u.a. |
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Ein überzeugendes Plädoyer für Veränderung, für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit |
»Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, eine Frau und keine Feministin zu sein.«
(Regisseurin Teona Strugar Mitevska)
Der Film beginnt mit einer Prozession schwarz gewandeter orthodoxer Geistlicher zum Fluss, im Gefolge wild entschlossene, der Kälte trotzende Männer. Höhepunkt dieses traditionellen Rituals in einigen osteuropäischen Ländern am Dreikönigstag, der am 19. Januar gefeiert wird, ist das vom Priester ins eisige Wasser geworfene Kreuz. Wer es aus den Fluten holt, dem ist ein glückliches Jahr beschieden. Vom Glück träumt die 32-jährige, arbeitslose Petrunya schon lange nicht mehr. Auf dem Rückweg von einem demütigenden Vorstellungsgespräch in einer Näherei springt sie spontan in den Fluss, den Männern hinterher, ergattert das gesegnete Kreuz und hält es voller Freude in die Fernsehkamera.
Ein Skandal! Frauen ist es nicht gestattet, nach dem Glück zu tauchen. Und damit beginnt eine Hexenjagd, die Petrunya schließlich zu ihrem eigenen Schutz ins Gefängnis bringt. Der Priester versucht es zuerst mit Güte, ihr das Kreuz abzuluchsen, dann mit Drohungen. Doch die junge Frau hält es fest: »Darf ich nicht glücklich sein?« Draußen baut sich Widerstand auf. Wütende Männer fordern die Herausgabe des »gestohlenen« Kreuzes und der »Schlampe«, die es wagt, die eisernen Regeln zu brechen. In Slavica, der engagierten Fernsehjounalistin, hat Petrunya eine Mitstreiterin, die das Geschehen dokumentiert und Öffentlichkeit herstellt. Die Frage eines besonnenen Passanten »Was wäre, wenn Gott eine Frau wäre« greift Slavica auf und spricht direkt in die Kamera: »Das ist genau der Punkt. Dies ist Mazedonien im Jahre 2018. Es hat etwas vom Mittelalter. Sie nennen es das ewige Land – auf ewig im Mittelalter gefangen.« Petrunya verlässt nach vielem Hin und Her das Gefängnis, selbstbewusst und mit einem Lächeln im Gesicht. Das Kreuz hat sie dort gelassen. Für ihr Glück braucht sie es nicht mehr.
Die 1974 in Skopje geborene Regisseurin Teona Strugar Mitevska kommt aus einer Künstlerfamilie und studierte u.a. das Filmhandwerk in der School of Arts in New York. Ihr Film beruht auf einer wahren Geschichte. 2014 ergatterte in der ostmazedonischen Stadt Štip eine Frau das Kreuz, was vom Klerus und von der Bevölkerung als Schande empfunden wurde. »Für mich und meine Produzentin Labina Mitevska (die auch die Journalistin Slavica spielt) offenbarten diese Reaktionen einen natürlichen Reflex des sozialen Konformismus und entlarvten auch die Frauenfeindlichkeit, die von den tief verkrusteten patriarchalischen Normen in unserer Gesellschaft getragen wird. Petrunyas Geschichte entstand aus unserer Frustration, wir mussten reagieren.«
Für die Regisseurin waren die eigenen Erfahrungen als Journalistin eine wichtige Inspiration für die Figur der Reporterin Slavica, die im Laufe des Filmgeschehens immer mehr Solidarität mit Petrunya entwickelt. Sie fühlt zunehmend mit Petrunya, einer Frau, die kein gängiges Schönheitsideal verkörpert und erfahren hat, dass ihr Studium – sie ist Historikerin mit 1a-Abschluss – in ihrer Umgebung nichts gilt. Über die junge Frau, die im echten Leben das Kreuz seinerzeit gefangen hat, sagt die Regisseurin: »Ich habe gehört, dass sie jetzt in London lebt. Ehrlicherweise wäre ihr Leben zu Hause sehr schwierig gewesen. In diesem Jahr erwischte im serbischen Zemun wiederum eine Frau das Kreuz und sie wurde gefeiert. Die Welt verändert sich schnell, hoffentlich!«
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya, ein außergewöhnlicher Film, wurde schon auf vielen internationalen Festivals preisgekrönt. Zurecht – denn die mazedonisch-französisch-belgisch-slowenisch-kroatische Koproduktion ist ein überzeugendes Plädoyer für Veränderung, für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit.