USA 2001 · 106 min. · FSK: ab 16 Regie: Daniel Sackheim Drehbuch: Wesley Strick Kamera: Alar Kivilo Darsteller: Leelee Sobieski, Diane Lane, Stellan Skarsgard, Bruce Dern u.a. |
Es liegt ein bisschen oberhalb, irgendwo in den Hügeln Kaliforniens, nahe am Strand. Das Haus reicher Leute, man meint den Architekten noch kindlich und erstaunt Lachen zu hören, selig ob der Erfüllung seiner kühnsten Wunschvorstellungen. Die Innereien des Gebäudes wie aus dem Versandhauskatalog für Ölbarone, gleichmäßig abgestimmt in Farbe, Form und Qualität. Ein Museum der Eitelkeiten, wo der Mensch sich über die Güter seines Heimes definiert. Bestimmt von Hygiene und einer Künstlichkeit, die das Lebendige und demnach Sterbliche auslöscht. Alles bleibt Idee, eine wohltemperierte Anhäufung von Luxusgegenständen ohne Verfallsdatum, die »Erfahrung« auszuschließen scheint. Ein Mausoleum der Phantasmen, in die sich der Eigentümer hineinphantasiert. Es besteht ganz aus kaltem Glas und Stahl, Materialien, die das Blut abschnüren, den Organismus einfrieren.
Das Bauwerk gibt dem Film seinen Titel: The Glass House. Ruby und ihr kleiner Bruder Rhett ziehen in das Gebäude, zu den Pflegeeltern und Freunden der Familie Erin und Terry Glass, nachdem die leiblichen Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Einziger Kontakt zur Außenwelt ist ein Treuhänder mit dem wunderschönen Namen »Begleiter«. Die Isolation, gepaart mit dem tiefen Einschnitt in die Lebenslinie ist der Ansatzpunkt für den Thriller, den Horror. Ruby muss die alten Wege verlassen, die gewohnten Bezugssysteme verschwinden und der Zugewinn an Freiheit muss erst erzählbar gemacht werden, in ein neues System, die eigene, jetzt autonom werdende Persönlichkeit integriert werden. Eine Initiation, die Reise in die Gruppe der Selbstversorger, wie gewohnt. Der Teenager muss lernen, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst, für den kleinen Bruder. Um am Ende zur Szene am Grab der Eltern zu gelangen, zur großen Geste der Versöhnung. Die Rückkehr in den Schoß der Familie, doch bis dahin ist es ein gefährlicher Weg voller Blendwerk, Spiegelungen und Verlockungen.
Der Moment des Einzugs in das neue Haus erscheint zunächst wie die Erfüllung eines Traums, der für kurze Zeit den Verlust der Eltern vergessen macht. Fitnessraum, Pool, Heimkino, alles was das junge Herz begehrt. Doch da ist zunächst das Glas, dass jetzt durchsichtig werden lässt, was den neugierigen Blicken vorher verborgen blieb. Ruby ist 16, reift langsam zur Erwachsenen und die ersten Sorgen sind natürlich sexuell konnotiert, drücken sich aus in der Sorge um ihren nackten Körper. Kaum angekommen wird sie schon zur Gejagten, zuerst durch den Blick ihres kleinen Bruders, mit dem sie sich plötzlich ein Zimmer teilen muss, und dann, nachdem sie zum Pool gelaufen ist, um sich dort umzuziehen, durch die Augen ihres Pflegevaters. Das Glas organisiert die Blicke bei einem eskalierenden Katz- und Mausspiel innerhalb des opulenten Gebäudes. Die Scheiben garantieren eine relative Sicherheit nach Außen (was schnell klaustrophobe Züge annehmen kann, wenn Terry die Alarmanlage einschaltet und sich der Palast in eine Zelle verwandelt) und dennoch bleibt alles transparent. Glas ist die wohl diffuseste, schwächste Trennung zwischen Innen und Außen, woraus sich vielleicht die Obsession des Kinos für dieses Material erklären lässt. Man denke nur an The Silence Of The Lambs und Starlings Konfrontationen mit dem Kannibalen-Mentor Lecter. Face-to-face Kommunikation, Auge in Auge mit der Bestie im Gefängniskeller, getrennt sind die Beiden nur durch die dünne Scheibe der gläsernen Zelle. Eigentlich kann nichts passieren. Nur scheint das Glas immer die eigene Zerstörung schon in sich zu tragen, es ist einfach zu zerbrechlich, um einem echten Angriff standzuhalten. Für Suspense ist unter diesen Vorraussetzungen gesorgt.
Innen und Außen, alles hat seine zwei Seiten. Der Führerschein, den Ruby machen will, würde für ihr Inneres einen Gewinn an Freiheit, Selbstständigkeit und Fluchtmöglichkeit bedeuten, gleichzeitig gibt es im Außen, auf den Highways, eine ganze Reihe potenzieller Gefahren, die auf das Trauma verweisen, auf die Eltern, deren Sterbesekunden sie sich in ihrer Phantasie zusammenbaut. Hamlet, als Motiv kurz eingeführt, wird zum Ausdruck der Zweifel der jungen Ruby ob der Bösartigkeit ihrer Pflegeeltern und gleichzeitig zum Symbol der Rache, der Sühne für den Tod der Eltern.
The Glass House erzählt ein bisschen die Geschichte von Hänsel und Gretel, die sich im Wald verlaufen haben und von Menschen aufgesammelt werden, die nur bedingt Interesse an ihrem Wohlergehen haben. Das Blendwerk des Einzugs bröckelt Stück für Stück, es stellt sich heraus, dass Erin ein Junkie ist. Ihr Mann Terry, chronischer Trinker, hat sich Geld von Leuten geliehen mit denen man besser nichts zu tun hat. An seiner Figur ist die Differenz zwischen eigenem materiellem Anspruch und der realen Machbarkeit am deutlichsten. Ein Stück Konsumkritik und verwundernd ist, dass der Film das explizit anspricht. Ruby kritisiert ihren kleinen Bruder offen dafür, dass er für eine neue Playstation alles stehen und liegen lässt. Das Grauen wächst aus der schönen, bunten Warenwelt. Den teuren, schnellen Autos, die Terry vermietet.
Was The Glass House hervorhebt aus der Flut der Teenie-Horror-Thriller-Filme sind die guten Schauspieler, allen voran Leelee Sobieski als Ruby. Vor zwei Jahren spielte sie in Kubricks Eyes Wide Shut die junge, nyphomane Lolitatochter des Maskenverleihers, dem Tom Cruise auf seiner Odyssee durch die Nacht begegnet. Der Auftritt war kurz, knapp und gut. 2001 ist sie zurück auf der Leinwand und kann auch in The Glass House überzeugen. Kein Konfektionsgesicht, ihre Bewegungen als Ruby erscheinen seltsam hölzern und dennoch passend zu einer Sechzehnjährigen. An ihrer Seite der Schwede Stellan Skarsgard als Terry Glass, der in Lars von Triers Breaking the Waves und Dancer in the Dark mitgespielt hat.
Der Beginn des Filmes zeigt einen Kinobesuch Rubys und was sonst als einen Horrorfilm sollte sie sich ansehen? Man kann das als redundant bezeichnen, aber auf der anderen Seite dauert die Szene nur einige Minuten und vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass das Genre endlich seine Selbstbezogenheit aufgibt, nicht mehr ausschließlich von sich selbst erzählt. Zu den Themen hinter der Selbstreflexionsinflation, die nach Scream alles unter sich begrub, zu gelangen. Zu wünschen wäre es ihm.