Die geschützten Männer

Deutschland 2024 · 104 min. · FSK: ab 12
Regie: Irene von Alberti
Drehbuch:
Kamera: Constantin Campean
Darsteller: Britta Hammelstein, Mavie Hörbiger, Yousef Sweid, Bibiana Beglau, Godehard Giese u.a.
Die geschützten Männer
Untergehakte Feministinnen
(Foto: Filmgalerie 451)

Männer!

Irene von Albertis DIE GESCHÜTZEN MÄNNER ist die richtige Antwort auf die immergleiche, vorhersehbare deutsche Komödie

Abgedreht wie ein buntes Knall­bonbon lässt es Die geschützten Männer ordent­lich krachen: Männer setzen im Zustand der Erregung ein Virus frei, das sie zu wilden Sexbes­tien macht. Sie fallen dann über Frauen her und verenden unter krampf­haften Zuckungen. Eine Regie­rungs­krise droht, weil das epide­mi­sche Virus potente Männer dahin­rafft, und zwar genau am Höhepunkt ihrer viralen, pardon, virilen Lust. Nicht la petite mort eben, mit dem die Franzosen wunderbar nekrophil den Orgasmus beschreiben, sondern la grande mort, der ulti­ma­tive Tod.

Ausge­dacht hat sich diese Volte der Franzose Robert Merle für seinen Roman »Die geschützten Männer«, 1974 geschrieben als Antwort auf die zweite femi­nis­ti­sche Welle. Schon sein Roman schwankt zwischen Provo­ka­tion und Geschmack­lo­sig­keit, die Männer sind trieb­ge­steu­erte Nean­der­taler, die Frauen Dominas oder Lesben. Schat­tie­rungen inter­es­sieren in dieser Geschlechter-Satire kaum. Warum also diesen Roman heute verfilmen?

Die Regis­seurin und Produ­zentin Irene von Alberti hat genau das jetzt gemacht. Das ist insofern mutig, als die lite­ra­ri­sche Vorlage die Anschluss­fähig­keit an bestehende Diskurse unter­gräbt. Während wir heute abseits femi­nis­ti­scher Frage­stel­lungen zudem alle über das dritte Geschlecht nach­denken, schickt der Film martia­li­sche Amazonen in den tödlichen, binären Geschlech­ter­kampf – und rettet am Ende die männliche Spezies vor dem Untergang. Männer im Testos­te­ronü­ber­schwang über Frauen herfallen zu sehen, selbst wenn es überdreht ist wie in einem trashigen B-Movie, ist sicher­lich eines der unkor­rek­testen Dinge, die wir seit langem im Kino gesehen haben. Darüber haben sich unendlich viele Männer nach der Premiere beim Filmfest München empört. »Und wie erst die Lesben gezeichnet sind!«

Ja, Die geschützten Männer zeigt wenig korrekten Zeitgeist. Auch dass der Film deutlich plaka­tiert, dass hier alles als großer Spaß gemeint ist – und als solcher auch funk­tio­niert – , wird auch den subtilen Ironikern miss­fallen. Und dennoch: Albertis Film wirkt befreiend, auch weil er die Geschlech­ter­ge­schichte einfach so weiter­schreibt, als wäre heute nicht alles unendlich kompli­zierter.

Neben dem Geschlech­ter­kampf hat der Film auch eine Polit­sa­tire zu bieten. Es kann als hoch­ak­tu­elles Gedan­ken­spiel rezipiert werden, wenn die Männer, einer tödlichen Gefahr ausge­setzt, in Quaran­täne müssen, fern von eroti­schen Reizen. Erzwun­ge­ner­maßen löst sich die Regierung auf, die Frau­en­partei FEM übernimmt.

Da kommt einem Angela Merkels süffi­santer Kommentar zum Ende der Ampel-Regierung in den Sinn: »Männer!« Ein Wort genügte, um die Gemenge­lage von Scholz, Lindner und Habeck auf den Punkt zu bringen.

Ähnlich wie der Öster­rei­cher Daniel Hoesl in Veni Vidi Vici zeigt Irene von Alberti den poli­ti­schen Macht­ap­parat als ambi­tio­niert bis zum sprich­wört­li­chen Gang über Leichen. Ein Team von Wissen­schaft­lern, die titel­ge­benden »geschützten« Männer, entwi­ckelt schließ­lich einen Impfstoff gegen die Männer­seuche, gegen den Willen der Frau­en­re­gie­rung, die sich in zwei Lager gespaltet hat: in die radikalen Femi­nis­tinnen, die nichts gegen das Ende der Männer haben, und die moderaten Frauen, die in den Männern durchaus auch Vorzüge sehen, wie zum Beispiel die Gewähr­leis­tung der Prokrea­tion.

Ein Virus, das nur Männer befällt, Quaran­täne und ein sanfter Wissen­schaftler, der über das Serum doziert: als wäre hier HIV mit Covid im Reagenz­glas geschüt­telt worden, Drosten wieder aufer­standen und als würde uns allen ein weiteres Mal der Spiegel vorge­halten. Das alles insze­niert Alberti mit großem Spaß an der Travestie, mit visuell laut­starken Kostümen und einem Ensemble, das sich unterhakt. Britta Hammel­stein, Mavie Hörbiger, Yousef Sweid und die große Bibiana Beglau sind die Phalanx, die gegen einen ganz anderen Feind antritt: Die geschützen Männer ist die richtige Antwort auf die immer­gleiche, vorher­seh­bare deutsche Komödie, die unter dem Signum ausge­stellter Anschluss­fähig­keit unver­blümt Ressen­ti­ments zum Besten gibt.