Friedhof der Kuscheltiere

Pet Sematary

USA 2019 · 101 min. · FSK: ab 16
Regie: Kevin Kölsch, Dennis Widmyer
Drehbuch: ,
Kamera: Laurie Rose
Darsteller: Jason Clarke, Amy Seimetz, John Lithgow, Jeté Laurence, Maria Herrera u.a.
Unkuscheliger Friedhof

Der »King of Horror« schlägt wieder zu

Stephen King ist ein Meister des Grusel­ge­schichten-Erzählens, und er ist einer der meist­ge­le­senen Best­seller-Autoren unserer Zeit. Bislang hat der Schocker-Schrift­steller über 50 Romane, mehr als 100 Kurz­ge­schichten, etliche Novellen und auch einige Dreh­bücher veröf­fent­licht – hinzu kommen noch Gedichte, Essays, Kolumnen und Sach­bücher. Doch nicht nur Freunde guter, düsterer Lektüre kennen King, auch für Chine­phile ist der Herr der Horror­bücher ein Begriff: Bereits über 60 Verfil­mungen lite­ra­ri­scher Werke vom Horror­ge­schichten-Erzähler sind erschienen. 1976 kam mit Carrie – Des Satans jüngste Tochter die erste Film­ad­ap­tion ins Kino, seitdem folgten mitt­ler­weile teils zu Klas­si­kern und/oder Kult gewordene Movies wie Shining (1980), Kinder des Zorns (1984), Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (1986), Geschichten aus der Schat­ten­welt (1990), Die Verur­teilten (1994), The Green Mile (1999), Dream­cat­cher (2003), Das geheime Fenster (2004), Pulse (2016) und Der dunkle Turm (2017). Vorletztes Jahr gab es mit Es (Teil I) die Neuver­fil­mung eines der wohl bekann­testen, gleich­na­migen King-Klassiker rund um einen Horror­clown auf der Leinwand zu sehen; heute vor 29 Jahren strahlte das Fernsehen bereits eine erste, zwei­tei­lige Film­ver­sion des schrift­stel­le­ri­schen Grusel­stoffs aus. Es (2017) schlug ein wie eine Atombombe: Der Film gilt mitt­ler­weile als finan­ziell erfolg­reichster Horror­film aller Zeiten – dieses Jahr soll dann auch schon Es (Teil II) folgen! An den Welt­re­kord möchten das Regie-Duo Kevin Kölsch und Dennis Widmyer – bekannt v.a. wegen den Horror­filmen Starry Eyes (2016) und Hollydays (2014) – wohl anschließen, und so nahmen sich die Filme­ma­cher den kommer­ziell erfolg­reichsten King-Roman vor: »Pet Sematary« (1983), auf Deutsch: »Friedhof der Kuschel­tiere«. Bereits 1989 gab es eine erste Film­ver­sion der wohl schau­rigsten Story von King, die er ursprüng­lich gar nicht veröf­fent­li­chen wollte, im Film­theater anzusehen: Nach dem Drehbuch des Groß­meis­ters selbst schuf die Regis­seurin Mary Lambert ein audio-visuelles Erlebnis, das damals unter den 25 erfolg­reichsten US-Kino­starts des Jahres landete. Jetzt kann man den neuesten Friedhof der Kuschel­tiere in Deutsch­land begut­achten. Höchste Zeit, mal das Grusel­po­ten­zial dieses Streifens zu ermitteln.

Home-Invasion-Horror: Kein Spaß für die ganze Familie

Dem Notarzt Dr. Louis Creed – gespielt vom populären austra­li­schen Schau­spieler Jason Clarke, dessen neueste Filme Niemands­land – The Aftermath (2019) und Im Netz der Versu­chung (2019) sind – wird an seinem Arbeits­platz in der ameri­ka­ni­schen Stadt Boston alles zu viel: Die ständige Konfron­ta­tion mit schwerst­ver­letzten Patienten, die auch mal in der Notauf­nahme versterben, belastet den Mediziner sehr. Sodann beschließt der Ehemann und Fami­len­vater von zwei Kindern zusammen mit seiner Frau Rachel (insze­niert von der gefragten Amy Seimetz, zuletzt gesehen in Wild Nights with Emily (2018) und Alien: Covenant (2017)), seiner neun Jahre alten Tochter Ellie (Jung- und Nachwuchs-Schau­spie­lerin Jeté Laurence, u.a. schon mitge­spielt in The Ranger (2018) und Night Comes On (2018)), und seinem 3-jährigen Sohn Gage (abwech­selnd verkör­pert von den Zwil­lingen Hugo und Lucas Lavoie – ganz neu im Film­busi­ness mit dabei) von der Großstadt aufs Land zu ziehen. In der Klein­stadt Ludlow – in der Nähe von Maine – finden die Creeds in einem großen Haus auf einem sehr großen Grund­s­tück (zu dem ein ganzer Hektar Wald­ge­biet gehört) ein neues Zuhause. Zunächst scheint Louis und die Familie tatsäch­lich Ruhe zu finden, doch als der junge Mann Obssa Ahmed (Victor Pascow) eines Tages schwer verletzt in der neuen Praxis vom Doktor erscheint und kurz darauf dort verstirbt, plagen den Arzt Alpträume und Visionen vom Verstor­benen. Auch Amy ist trotz Orts­wechsel (noch) ange­spannt, denn ihre ältere Schwester Zelda (Alyssa Brooke Levine), um die sie sich als von ihren Eltern zurück­ge­las­senes Kind kümmern musste und die an Rücken­mark-Menin­gitis erkrankt elendig dahin­siechte, geht ihr nicht aus dem Kopf. Die Gesamt­si­tua­tion weiter verschlech­ternd wirkt sich da der Auto­un­fall-Tod des Creed-Haus­ka­ters Church aus (kurz für Churchill, benannt nach dem bekannten, ehema­ligen Premier­mi­nister Englands). Dies muss der Fami­len­vater Louis aller­dings nicht hinnehmen und braucht es seiner Tochter Ellie nicht zu erzählen, denn ihr neuer Nachbar, der allein­ste­hende, alte Mann Jud Crandell (das zweifach Oscar-nomi­nierte Hollywood-Urgestein John Lithgow) weiß einen Ausweg: Hinter dem Tier­friedhof, den die orts­an­säs­sigen Kinder falsch geschrieben »pet sematary« nennen, liegt nämlich noch ein alter India­ner­friedhof, der dort Beer­digten neues Leben einhaucht. Sodann verbud­deln Louis und Jud das Tier eines Nachts unter der scheinbar magischen Erde. Und siehe da: Am nächsten Morgen steht Church wieder lebendig vor der Haustür. Doch der Kater ist nicht mehr derselbe, das Fell ist zerzaust, er riecht modrig und ist nicht mehr anschmiegsam, sondern äußerst kratzig …

Das Leben nach dem Tod – Eine gute Idee?

Kölschs und Widmyers Friedhof der Kuschel­tiere (2019) widmet sich einer der ältesten und wich­tigsten Fragen der Mensch­heit (neben derje­nigen nach der Unsterb­lich­keit): Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die Antwort des Films ist eindeutig: Ja! Doch ist das Leben nach dem Tod ein gutes bzw. eine gute Idee? Eine klare Botschaft an den Zuschauer: Nein! Deutlich wird dies am markan­testen Zitat aus dem Movie: Als sich Louis und Jud eines Abends über Churchs Wieder­kehr unter­halten, meint der alte Nachbar zum Neuen: »Manchmal ist der Tod besser.« Zum zentralen Thema des Horror­stei­fens vertreten auch der Prot­ago­nist Fami­li­en­vater und die Haupt­figur Ehefrau unter­schied­liche Posi­tionen, die stell­ver­tre­tend für die Ansichten vieler in der Gesell­schaft gelten. Während Louis als (Not-)Arzt dem Tod ständig in die Augen blicken muss, ist er ratio­na­lis­tisch und glaubt nicht, dass es nach dem Ableben auf der Erde ein Weiter­leben gibt. Amy hingegen vertritt eine religiös-spiri­tu­elle Meinung, nach der nach dem Tod eines Menschen zwar der leblose Körper im Diesseits auf der Erde bleibe, die Seele aber im Jenseits lande. Dieser Glaube hilft ihr v.a. um ihre Kinder zu beschützen, erzählt sie doch wohl­wol­lend ihrer Tochter Ellie (welche die dritte tragende Filmrolle spielt), dass ihre Groß­mutter väter­li­cher­seits nach ihrem Tod nun im Himmel ist. Die Ansichten des Ehepaars werden im Verlauf von Friedhof der Kuschel­tiere (2019) aller­dings auf eine harte Probe gestellt und ändern sich, als nicht nur der Fami­li­en­kater Church bei einem Lkw-Zusam­men­prall stirbt, sondern später auch ein Fami­li­en­mit­glied (an dieser Stelle haben die Dreh­buch­au­toren Jeff Buhler und David Kajganich eine Änderung des Stoffs von King vorge­nommen, tauschten sie doch geschick­ter­weise die Person, die verun­glückt). Louis kommt mit diesem Tod nicht zurecht und überlegt, ob er erneut vom India­ner­friedhof und seinen myste­riösen Kräften Gebrauch machen soll. An diesem Punkt wirft die Neuver­fil­mung zudem die schwie­rige, lebens­phi­lo­so­phi­sche Frage auf, inwiefern der Mensch selbst Einfluss auf das Leben nach dem Tod nehmen sollte. Auch darauf gibt das durchaus tief­grün­dige Werk von Kölsch und Widmyer eine Antwort, doch die unbequeme Wahrheit samt ihren schwer erträg­li­chen Konse­quenzen muss der Kino­zu­schauer erstmal ertragen können.

Klas­si­scher American-Hollywood-Horror

Kings Grusel­roman »Pet Sematary« ist nach Lamberts Verfil­mung Friedhof der Kuschel­tiere (1989) mit dem Kölsch&Widmyer-Film­re­make im 21. Jahr­hun­dert angelangt. Die neueste Version des Kult­klas­si­kers reiht sich in die Horror­film-Tradition ein, wie sie von ameri­ka­ni­schen Groß­pro­duk­tionen bekannt ist und in Hollywood gepflegt wird. Der Scho­cker­streifen kann sich durchaus sehen lassen, wobei Kame­ra­mann Laurie Rose auf fürs Horror­genre typische Techniken vertraut. Die oft einge­setzten Jumps­cares erzeugen zusammen mit lauten, passenden Geräu­schen von Sound­de­si­gner Chris­to­pher Young einige schöne Schreck­mo­mente – v.a. die plötzlich wie aus dem Nichts am Haus der Creeds vorbei­don­nernden Lastwagen, aber auch die Zombie­ver­sion von Church, wenn er blitz­schnell nach seinen Herrchen schnappt. Eindring­lich wirken auch Amys erst geschlos­sene, dann aber vor Angst und Schrecken weit geöffnete Augen, die dem Zuschauer in der eher selten verwen­deten italie­ni­schen Einstel­lung präsen­tiert werden (ein inten­sives Bild, wenn man es auf der großen Kino­lein­wand sieht!). Beim Plot haben sich Buhler und Kajganich zudem einiges einfallen lassen: Mal abgesehen davon, dass bei Lite­ra­tur­ver­fil­mungen der Spiel­film­dauer von höchstens 2,5 Stunden geschuldet einige Aspekte der Buch­ver­sion gekürzt oder gar wegge­lassen werden müssen, ist im 2019er-Kuschel­tier­friedhof das Filmende anders als bei der 1989er-Verfil­mung, die sich beim Ausgang am Ursprungs­stoff orien­tiert. Positiv fällt auch die schau­spie­le­ri­sche Darstel­lung aus: Lithgow liefert diesmal zwar keine Oscar-reife (Neben-)Rolle als Crandell ab, kann aber als kautzig-sympa­thi­scher alter Mann punkten, der eine Art Großvater-Figur für seine neue Nachbarin Ellie darstellt. Glänzen tut aber Clarke, der zunächst als vernunftori­en­tierter Mediziner und v.a. liebender Ehemann und Fami­li­en­vater punktet, nach dem Tod eines geliebten Menschen dann aber einem Persön­lich­keits­wandel unter­liegt und herrlich starr­sinnig-verstört Entschei­dungen trifft, die ein zumindest teilweise sogartig-surreales Film­ver­gnügen ermög­li­chen.

Dennoch ist das Remake narrativ betrachtet zu gewöhn­lich: Große, das Horror­genre revo­lu­tio­nie­rende Über­ra­schungen finden sich nicht. Statt­dessen vertraut man auf Altbe­kannt-Bewährtes, so auch das Motiv »Wald« als zwar natürlich-positives Gebiet, das aber im Horror­film gerne mal als großes, unüber­schau­bares Areal gefähr­lich wird: Man kann sich z.B. leicht verlaufen und auch wilden Tieren begegnen. Die spiri­tuell-myste­riöse Aura des Settings wird v.a. am Tier- und India­ner­friedhof deutlich, die optisch am besten abends und nachts bei spär­li­chem Licht und Nebel wirken. Während der »pet sematary« von der Filmcrew tatsäch­lich (nach-)gebaut wurde, hat man die Wieder­be­le­bungs­grab­stätte über­wie­gend animiert – letzere wirkt trotzdem ziemlich imposant und erinnert ein wenig an Mordor aus der Herr der Ringe-Trilogie. Schade bloß, dass der LKW, der zur Filmmitte hin für den Unfalltod eines Mitglieds der Creeds verant­wort­lich ist, deutlich erkennbar vom Computer generiert wurde, denn dies nimmt der eigent­lich doch emotio­nalsten Szene des Films Gewicht. Trotz aller Mängel dürfte Friedhof der Kuschel­tiere aber ein Erfolg werden, denn eines ist erwie­se­ner­maßen sicher: King-Verfil­mungen lassen die Kino­kassen klingeln.