USA 2016 · 115 min. · FSK: ab 0 Regie: John Lee Hancock Drehbuch: Robert D. Siegel Kamera: John Schwartzman Darsteller: Michael Keaton, Laura Dern, John Carroll Lynch, Nick Offerman, Patrick Wilson u.a. |
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Old school meets new school |
»Wäre mein Konkurrent am Ertrinken würde ich ihm noch den Gartenschlauch in den Mund stecken.« – Ray Kroc in The Founder
An sich spricht das ja schon wieder für den Kapitalismus: dass die besten, virtuosesten und kritischsten filmischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Kapitalismus der letzten Jahre aus Amerika kommen, dem Land, dass sich der kapitalistischen Idee am Radikalisten verschrieben hat. Man denke nur an Vince Gilligans BREAKING BAD (2008-2013), Scorseses The Wolf of Wall Street (2013), Adam McKays The Big Short (2015), David Mackenzies Hell or High Water (2016) oder Andrea Arnolds American Honey (2016). Bei diesem kleinen Sammelsurium an Anamnesen einer kranken Gesellschaft ist allerdings auffällig, dass in ihnen fast immer der Patient in seinem letzten Stadium seiner Krankheit gezeigt wird, wenn der Krebs bereits am Wüten ist oder dann, wenn das letzte Stadium erreicht ist und der Krebs gesiegt hat. Dass es auch hier faszinierende, schillernde Grauzonen gibt, Frühstadien einer meist unheilvollen Entwicklung, ist eigentlich kaum zu glauben, aber andrerseits darf man nicht vergessen, dass selbst ein Diktator auf Lebenszeit wie Robert Mugabe in Zimbabwe, seine Karriere als Idealist begonnen hat.
Eine dieser faszinierenden Grauzonen kapitalistischer Geschichte ist die des Fastfood-Konzerns McDonalds, die John Lee Hancock mit Michael Keaton in der Rolle des vermeintlichen Gründers von McDonalds, Ray Kroc, mal grotesk, mal unerbittlich grausam, dann wieder unheimlich empathisch in Szene gesetzt hat. Hancock und sein Drehbuchautor Robert Siegel profitieren dabei vor allem von der Komplexität der Thematik, die gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche erlegt – wird doch aus der Sicht von Kroc nicht nur der Aufstieg von McDonalds erzählt, sondern über die Verschwurbelung von Autofetischismus und dem Aufstieg der Vororte auch die städtebauliche Transformation der 1950er aufgezeigt. Und mit einer völlig neuen Esskultur entsteht auch ein völlig neuer Kapitalismus, in dem über gnadenlose Effizienz und Gier unaufhaltsam die Ideale des Gründerkapitalismus verdrängt werden.
Dieser »Gründerkapitalismus« in Person der eigentlichen Gründer von McDonalds, Mac (John Carroll Lynch) und Dick McDonald (Nick Offerman) baut noch auf Nachhaltigkeit. Zwar wird von den Brüdern die Effizienz in Form des »Speedee-Systems« entwickelt, doch hindert ihr eigener Idealismus sie daran, zu expandieren. Da sie in ihren ersten Ablegern den Qualitätsanspruch nicht garantieren können, den sie vertreten, bleiben sie dort, wo sie begonnen haben. Bis ihnen Ray Kroc begegnet und sie nicht nur vom Franchising-System überzeugt, sondern es über ein komplexes Vertragswerk auch für sie umsetzt und gleich noch einmal um eine völlig innovative Immobilienidee erweitert. Der Anfang vom Ende für die Brüder, aber der Beginn einer beispiellosen Karriere für Ray Croc, der zwar erst mit 52 Jahren zum ersten Mal im Leben Erfolg hat, aber dem seine langjährige Erfahrung als Verkäufer auf Rädern reicht, um zur richtigen Zeit die richtigen Menschen zu treffen und auch gefährliche Krisen zu überwinden. Dass dabei auch Mitstreiter und Partner auf der Strecke bleiben, liegt auf der Hand und spielt auch auf die zahlreichen Lebens- und Karrierelinien im Sillicon Valley an. Wie hoch der Preis für dieses Denken ist, verdeutlicht Hancock exemplarisch an Krocs Ehefrau Ethel (Laura Dern), die zunehmende verbittert, Krocs Ehrgeiz moralisch kaum mehr folgen kann und dementsprechend »ausgezahlt« wird.
Es ist Hancocks Regie – und Keatons großartiger Darstellung – allerdings hoch anzurechnen, dass es ihnen gelingt, dieses Handeln moralisch nicht zu verdammen, so dass der Betrachter trotz Krocs immer wieder unerträglicher Perfidität dann doch auch um ihn bangt, hofft, dass er Erfolg hat, dass die Geschichte vom Tellerwäscher, der es zum Millionär bringt sich nicht nur über ihn einmal mehr bestätigt und uns deutlich wird, wie sehr wir selbst von diesem Denken, diesem Hoffen infiziert, mit dem System Kapitalismus verbandelt sind, auch wenn wir es innerlich ablehnen mögen.
Doch Hancock geht in seinem klugen Flim gleich noch einen Schritt weiter, weil er uns außerdem klar macht, dass Kapitalismus in seiner Reinform – in all seinen Schattierungen und Innovationskaskaden – nicht per se böse ist, sondern auch noch für von Verzweiflung und Angst getriebene Menschen wie Kroc ein zwar teuflisches, aber dennoch heilsam-therapeutisches Instrument sein kann, um sich selbst zu befreien. Auch wenn damit anderen konsequent Böses zugefügt wird.