Deutschland 2024 · 94 min. · FSK: ab 0 Regie: Charly Hübner Drehbuch: Charly Hübner Musik: Element of Crime Kamera: Casey Campbell Schnitt: Christoph Brunner |
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(Foto: DCM/Noel Richter) |
Einfach mal machen, einfach das ausprobieren, wozu man Lust hat, sich in die Nacht hinein schmeißen, ganz rein ins Leben und sich reinwühlen in alles, was man da findet und Musik rausziehen. Kein Aufhalten mit langen Proben und Probieren (so beschreibt es Regener zumindest für die Anfänge), stattdessen Stimmungen einfangen, Geschichten, Poesie: Den Regen, das Licht der Straßenlaterne, den Zigarettenrauch über dem Tresen, die Stimmung des Moments.
Zuerst ist da der aktive Wunsch
sich musikalisch von dem abzusetzen, was man nicht mochte, um dann zu merken, dass es am Wichtigsten ist, das zu machen, was einem liegt und das ist vielleicht – trotz Neuer Deutscher Welle, deren Mainstream-Ausklänge man verabscheut – auf Deutsch zu Singen.
All das ist „Element of Crime“ und die Trompete, die Texte, die Poesie, das Akkordeon, die Gitarre, Regeners Stimme ... mit der man durch die Straßen flaniert, wenn es regnet oder mit der man in Eckkneipen
diskutiert oder vor sich hindämmert.
Was bei der Musik von „Element of Crime“ großartig funktioniert (und sicher auch Proben beinhaltet), funktioniert bei einem Film, zumindest mal bei diesem hier, nicht: Das einfach machen. Was sagt der Schauspieler-Regisseur Charly Hübner gleich zu Beginn: »Als mich dann viele Jahre später genau diese Band fragte, ob ich sie auf einer kleinen Berlin-Tour begleiten wolle, mit Kamera und so, habe ich keine Sekunde nachgedacht, wir haben Kameras besorgt und sind einfach losgezogen.« Das ist zwar ziemlich sympathisch, führt aber leider zu nicht viel.
Ich schätze Charly Hübner sehr, u.a. für seinen Polizeiruf-Kommissar Bukow, sein Improvisationstalent in den Filmen von Jan Georg Schütte, für das Drehbuch und sein Spiel in „Für immer Sommer 90“, ja selbst für seinen Kakmann in den Bibi & Tina Filmen ... aber Dokumentarfilmregie bedeutet etwas mehr, als sich mit seinen Kumpels zu gefühlt jeweils einem Interview zu treffen und dann noch eins, gemeinsam in der Gruppe, ein paar Berliner Orte zu besuchen und 5 Konzerte mal besser, mal schlechter mit zu filmen – im Abspann stehen ganze 8 Kamera Operatoren, ich nehme mal an, das sind Kamerapersonen, aber 8 sind ziemlich viel für ein visuelles Konzept – und das alles mit Found Footage aus dem alten West-Berlin etwas unmotiviert zwischen zuschneiden.
Aber natürlich sollte man ihn sehen, besonders wenn man die Band mag.
Es beginnt mit einem Konzert und der Ankündigung Regeners, dass Charly Hübner (Jubel aus dem Publikum) einen Film über sie macht. Er erklärt, dass sie ursprünglich nichts mit Berlin und der Neuen Deutschen Welle zu tun haben wollten und das Lied, das sie jetzt spielen, sei das Lied, in dem sie zum ersten Mal das Wort „Berlin“ verwendet haben. 1999 sei das gewesen. Es sieht also nach einer Versöhnung aus, zwischen „Element of Crime“ und diesem West-Berlin.
Ein West-Berlin-Film also? Oder ein Konzertfilm, eine Bandbiografie, ein Musikfilm? Klingt vielversprechend, leider ratscht der Film dann an allem so vorbei, so ein bisschen wie das alte Filmmaterial aus den 80ern und 90ern, das etwas sehr vage die Vergangenheit heraufbeschwört, eher so anzitiert und es dann wieder kommentarlos fallen lässt.
Schön ist, dass man die Vorbands der jeweiligen Abende mitbekommt, sie zu ihrer Sicht auf die Musik von „Element of Crime“ befragt werden und man auch von ihnen jeweils fast ein ganzes Lied hört, das verknüpft alles und bringt es zu uns: „Maike Rosa Vogel“, „Isolation Berlin“, „Von wegen Lisbeth“, „Steiner und Madlaina“, „Ansa Sauermann“, „Florian Horwath“, manch eine davon ist dann auch eine Entdeckung, die man gerne in den Tagen danach hört.
Sven Regener (Gesang, Gitarre, Trompete), Jakob Ilja (Gitarre), beide Gründungsmitglieder und damit seit 1985 dabei und Richard Pappik (Schlagzeug, Mundharmonika) sprechen gerne und viel und man hört ihnen auch gerne zu, zumindest zu Beginn, den Musiknerds. (Für Menschen, die noch tiefer einsteigen möchten, empfehle ich den 17-teiligen Podcast der Band: Narzissen und Kakteen, in dem sie in jeder Folge ausführlich auf eines ihrer Alben eingehen). Und die drei können gut über ihre Musik reden und auch ziemlich viel, was gar nicht mal so üblich ist, nur weiß man irgendwann nicht mehr so recht, wo das eigentlich hinführen soll und viel lieber würde man dann doch die kompletten Lieder hören.
Die Gespräche über Musik gehen ein bisschen zu sehr in die Tiefe, anderes im Film dagegen leider nicht. Dabei hätte es so viele Themen gegeben: Warum zum Beispiel wollte man sich von der „Neuen Deutschen Welle“ absetzen, die war ja mal Subkultur, bevor sie kommerzialisiert wurde? Wie war 1985? Wie die Wende? Was danach? Warum fanden die Menschen damals Bob Dylan nicht gut? Warum waren sie im Geiste Punk, wie Maike Rosa Vogel sagt und warum vielleicht nicht? Was ist Punk? Was ist an ihrer Musik politisch oder unpolitisch? Warum wollte man in Kreuzberg wohnen und nirgendwo sonst? Weil es „exotisch“ war? Aber warum? Wo kam man denn her? Was macht die Mauer mit einem? Und Sie, Herr Hübner, der Sie auf der anderen Seite aufgewachsen sind, im Osten, was sagen Sie denn zu Ost- und West-Berlin und überhaupt, was haben Sie damals gehört? (Dazu noch mal eine Empfehlung, filmisch zwar uninteressant, aber inhaltlich mehr auf den Punkt). Vielleicht wären Regeners Bücher und ihre Verfilmungen auch interessant gewesen, die ja genau darum kreisen: da flieht Frank Lehmann vor dem Militärdienst in Westdeutschland nach West-Berlin in „Neue Vahr Süd“ und versucht sich, in West-Berlin durchzuschlagen und arbeitet „wirklich nur in einer Kneipe“ und macht sonst nichts, wie bei „Herr Lehmann“. Natürlich kann man sagen: Na ja, man muss nichts überbordend machen, wir konzentrieren uns auf die Konzerte und die Gespräche ... es gibt Filme, bei denen das ganz wunderbar funktioniert, hier versandet der Film aber und am Schluss bleibt nichts hängen.
Hübners Wildes Herz über die Politpunkband (laut Wikipedia) „Feine Sahne Fischfilet“, ist durch die Band politisch und aktivistisch aufgeladen und spannend. Aber natürlich muss man sehen, wie man einen Film über eine Band macht, die weniger rebellisch und anarchisch ist, als vielmehr etwas Suchendes hat, etwas Nebliges, in das man sich, wie im Leben verirren kann, mit der man das Leben beobachten und es in seiner Gegenwärtigkeit sehen kann – „Element of Crime“ erscheinen mir, wenn man so will, an sich sehr dokumentarisch. Das ist sehr schön, das schafft der Film aber nicht, sonst wäre er ein Musikfilm, wie z.B. der sehr großartige Step Across the Border (1990) von Nicolas Humbert und Werner Penzel.
Auch Teaches of Peaches arbeitet ähnlich wie Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin, er funktioniert aber besser, darin sieht man Peaches dabei zu, wie sie mit Feist zusammen in einer WG in Toronto lebt, sie mit Chilly Gonzales Musik im Berlin der 90er macht und sich bis heute für die Rechte von queeren Menschen einsetzt. Dort wurde nur ein Konzert „abgefilmt“ und die Vorbereitungen dazu, aber selbst hier, im Zuschauen, wie sie mit ihren „jüngeren“ Tänzer*innen und Bandkolleg*innen umgeht und probt, sieht man was Kraft und Aktivismus, aber auch Party bedeutet, früher und heute.
Und West-Berlin, ein Berlin-Film? (Ich haue einfach mal „Genres“ raus, ohne sie zu definieren, ich mache einfach mal.) Über Berlin wird ja eigentlich nicht wirklich was gesagt, außer ein paar lose hingeworfenen Brocken und einige Clubeingänge die jetzt in Apotheken führen, aber da ich in diesem Text auch empfehle, dies ist ein sogenannter Empfehlungstext, empfehle ich einen viel interessanteren West-Berlin-Film, den man auch online sehen kann: B-Movie: Lust Sound of Berlin (2015, Regie: Jörg A. Hoppe, Klaus Maeck, Heiko Lange, Miriam Dehne). Der Film springt und spinnt wie sein Sujet, man wird in ihn gesaugt mit inszenierten Szenen, die sich dreist mit dokumentarischem Material mischen, aber schon aus der Biografie eines Typen stammen, zumindest irgendwie: Mike Reeder. Reeder ist Musiker, Musikproduzent, Labelbetreiber, Schauspieler und Autor. 10 Jahre erlebt man mit ihm West-Berlin, ein wilder Zusammenschnitt aus re-enacteten Szenen und dokumentarischem Material, das ein irres Lebensgefühl beschreibt: Wie lebte man dort, was gab es für Lücken, die zu füllen waren und wie atmete man auf dieser Insel mit der vielen Polizei. Das ist ein ziemlich schlau gemachter Film, der ziemlich viel Spaß macht.
Aber zurück und korrigiert, wie schon geschrieben, so etwas hätte zu den „Elements“ auch nicht gepasst, aber man hätte das Passende suchen sollen. Da wäre so viel mehr drin gewesen, in allem, der Musik, den Typen, dem Regisseur, Berlin! So ist es irgendwie ein fauler Film: Zack, das wird schon, Dokumentarfilm kann eh jeder.
Das widerspricht sich, aber ich glaube, es geht doch auch zusammen: Das einfach machen! Aber gerne auch ein bisschen mehr machen, vielleicht was ausprobieren, meinetwegen scheitern, etwas Konzept oder auch etwas mehr ... so dass man sich nicht nach einer halben Stunde dabei ertappt, dass man darüber nachdenkt, ob sie eigentlich alle alkoholfreies Bier trinken und dass der Schlagzeuger einen wirklich sehr guten Kleidungsstil hat. Am Ende freut man sich wenigstens darüber, dass das letzte Lied einfach nur durchläuft, ohne, wie viele Lieder zuvor, abgebrochen oder mit kitschigen Bildern von der Elbe unterlegt zu werden. Regeners Stimme ist rau, wenn er singt, auch an ihr arbeitet die Zeit, aber das ist schön, da bin ich konzentriert bei der Musik.