USA 2019 · 112 min. · FSK: ab 6 Regie: Tim Burton Drehbuch: Ehren Kruger Kamera: Ben Davis Darsteller: Colin Farrell, Michael Keaton, Danny DeVito, Eva Green, Alan Arkin u.a. |
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Des Guten zuviel |
»Für einen Elefanten gibt es nichts schöneres, als im Wald auf dem Rücken zu liegen, in die sich im Winde wiegenden Baumkronen zu starren und dem glockenhellen Gesang der Vöglein zu lauschen.« Benjamin Blümchen in Folge 76, Als Förster
Die Zeitzeugen, die damals, 1941, mitten im Weltkrieg, zum ersten Mal Disneys DUMBO gesehen haben, dieses empathische Trärä für mehr Toleranz in einer Welt, in der die Kinder noch vom Klapperstorch gebracht werden, sterben langsam aus. Grund genug, diese Geschichte von einem wegen seiner Riesenohren gemobbten Zirkuselefanten, der seine vermeintliche Schwäche zu einer einzigartigen Stärke transformiert, noch einmal neu, ein wenig anders und vor allem als Realfilm zu erzählen. Denn Computer können inzwischen ja nicht nur fliegen, sondern sowieso alles das aus dem Hut zaubern, was nicht einmal der beste Zirkuszauberer hingekriegt hätte.
Dass Tim Burton mit dieser Neuverfilmung betraut wurde, liegt auf der Hand, gilt Burton doch als Hollywoods Pflegevater für alle Halbmonster, Aussätzige und Mobbingopfer (Edward mit den Scherenhänden, Frankenweenie) schlechthin. Und schon mit der ersten Einstellung wird auch unmissverständlich klar, dass wir uns in einem Burton-Film befinden, tauchen wir mit fliegenden Kameras in eine Zirkuswelt ein, die schon damals, kurz nach dem 1. Weltkrieg, ein bedrohtes Biotop war. Burtons Sympathie für versehrte Helden macht allerdings in dieser Neuverfilmung nicht vor dem kleinen, unter Zuckermonsterguss servierten Babyelefanten halt, sondern etabliert auch den alleinerziehenden, mit nur einem Arm aus dem Weltkrieg heimgekehrten Pferdedompteur Holt Ferrier (Colin Farrell), dessen Kinder sich um das hilflose Dummchen Dumbo und seine schon bald verkaufte Mutter zu kümmern versuchen. So wie in vielen von Burtons Filmen sind um Grunde fast alle Beteiligten Behinderte, Halbmonster, Versehrte – angefangen von der dysfunktionalen Kleinfamilie über den kleinwüchsigen, durchgeknallten Zirkusdirektor Max Medici (Danny DeVito) bis zum bösen Gegenspieler V. A. Vandevere (Michael Keaton), der für die Modernisierung des Zirkusbetriebs bereit ist auch den letzten Funken Authentizität und ein paar Leben sowieso zu opfern. Doch damit die zarte Kritik an unserer neoliberalen Gegenwart und Erfahrungswelt nicht allzu harsch ausfällt, erzählt Burton in gewohnter disneyesker Mehrfachkodierung auch noch die Lebens- und Liebesgeschichte von Colette Marachan, die von einer großartigen Eva Green verkörpert wird.
Das ist zweifelsohne eine Menge Holz, nicht nur im Vergleich zu dem anämischen Plot des Originals. Und es ist gewiss zu viel Handlung, zu viele rasterartige Codierung, die hier aufeinandertrifft, um in der knapp bemessenen Zeit von 112 Minuten eben die Gefühle zu erzeugen, die hier behauptet werden. Stattdessen folgen wir so wie in vielen durchschnittlichen Kinder- und Familienfilmen leicht ermüdet einer Handlung, die schon nach den ersten zehn Minuten so transparent und überraschungsarm vor uns liegt wie die Reise nach Jerusalem.
Da Burton zudem seine sonst immer wieder mal wilde, unkonventionelle, reformpädagogische und allemal überraschend subversive und brillante Erzählwut nicht gewillt ist (oder gewollt wurde) aus dem Hut zu zaubern, bleibt nicht viel mehr übrig als ein Film, der durch seine makellos technische Umsetzung und eindeutig positive und politisch korrekte Moral tatsächlich ohne große Ängste auch noch von den Kleinsten bestaunt werden kann. Die Ängste dürften eher bei den Erwachsenen aufkeimen, denn Dumbo ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von Realfilm-Remakes- und Fortsetzungen Disneys – allein dieses Jahr stehen noch Aladdin, The Lion King und Maleficent auf dem Programm.