Il Divo

Italien 2008 · 110 min. · FSK: -
Regie: Paolo Sorrentino
Drehbuch:
Kamera: Luca Bigazzi
Darsteller: Toni Servillo, Anna Bonaiuto, Piera Degli Esposti, Paolo Graziosi, Giulio Bosetti u.a.
Andreotti und seine Gefährten in einem atemberaubenden Politthriller

Was ist wahre Macht?

Wie der mäch­tigste Mann Italiens trotz Korrup­ti­ons­vor­würfen nicht zu Fall gebracht werden konnte

Ein alter Mann, klein, mit schmal einge­zo­genen Schultern, einer großen Brille, die auf umge­knickten Ohren sitzt, fast wie bei einem reuigen Hund, mit nach unten gezogenen Mund­win­keln, die ihm einen verbit­terten Ausdruck verleihen, in buckliger Haltung, den Blick starr vor sich gerichtet, so begegnet uns Giulio Andreotti.

Der leichte, flüchtige Hände­druck und die Ange­wohn­heit, seine Gesprächs­partner nie direkt anzu­bli­cken, zeugen von der Distanz, mit der er anderen Menschen begegnet. Wortkarg, steif und ungerührt, seine Emotionen stets hinter einer Maske verber­gend, hört er aufmerksam zu und analy­siert berech­nend sein Gegenüber. Selbst lang­jäh­rigen Vertrauten bringt er nicht die geringste Geste der Zuneigung gegenüber, dies gilt auch für seine Frau, der qualvoll bewusst wird, dass sie ihr Leben mit einem Fremden verbracht hat. Gedanken und Gefühle werden nur durch kleinste Ausdrucksän­de­rungen vermit­telt und somit die Unnah­bar­keit und extreme Beherr­schung beibe­halten. Die Politik ist das einzig Wichtige, und Wohl­wollen äußert er nur über poli­ti­sche Unter­s­tüt­zung.

Er findet keinen Schlaf, läuft nervös stun­den­lang auf und ab oder steht mitten in der Nacht auf, um zu arbeiten oder zu beten. Er wirkt sehr unscheinbar, erscheint als ein harmloser, fast Mitleid erre­gender alter Mann, wenn er seinen Kopf aufgrund nie enden­wol­lender Kopf­schmerzen in die Hände stützt, doch in Wahrheit ist er der einfluss­reichste Mann Italiens.

Andreotti ist eine viel­schich­tige Persön­lich­keit, ist Politiker, Schrift­steller und Jour­na­list. Als führender Vertreter der Christ­de­mo­kra­ti­schen Partei, dominiert er 50 Jahre lang die poli­ti­sche Bühne Italiens. Allein sieben Mal war er Minis­ter­prä­si­dent und hatte unzählige Male viele weitere Minis­terämter inne. Er hat zahl­reiche Spitz­namen, doch egal wie man ihn nennen mag, Unsterb­li­cher, Buckliger oder Belzebub, er ist die unan­ge­foch­tene Verkör­pe­rung der Macht. Er wurde mehrmals beschul­digt, Verbin­dungen zur Mafia zu haben und mehrere Morde in Auftrag gegeben zu haben. Obwohl diese Verdäch­ti­gungen zu Anklagen und Verur­tei­lungen führten, wurde er stets doch frei­ge­spro­chen, aus Mangel an Beweisen oder Zeugen. Durch geschicktes Ausra­dieren belas­tender Beweise schaffte er es schließ­lich doch immer eine reine West zu behalten.

Il divo spielt Anfang der 90er Jahre und handelt vom Beginn der siebten Amtszeit Andreottis und der Aufde­ckung des Korrup­ti­ons­skan­dals, der schließ­lich ihn und seine Partei stürzten. Paolo Sorren­tino doku­men­tiert einen Teil poli­ti­scher Historie, denn sowohl die Namen der poli­ti­schen Akteure, als auch die Namens­liste der genannten Mafiosi sind real. Über das exem­pla­ri­sche Portrait dieser poli­ti­schen Figur, thema­ti­siert er aber auch die gegen­wär­tige Situation Italiens, die auch weiterhin von Korrup­tion und orga­ni­siertem Verbre­chen geprägt ist.

Der Film beginnt mit einer beschleu­nigten Montage mehrere Morde, unter anderem an dem Jour­na­listen Mino Pecorelli, dem Bank­vor­ste­henden Giorgio Ambrosi oder Michele Sindona, der im Gefängnis vergiftet wurde. Durch die Wieder­ho­lung dieser Mord­szenen im weiteren Verlauf des Films, werden diese in den Hand­lungs­zu­sam­men­hang einge­bunden und mit Andreotti in Verbin­dung gebracht. Ein wichtiges Element, das die Wirkung der Mordsszenen verstärkt und auch für den gesamten Film eine ausschlag­ge­bende Rolle spielt, ist die Musik. Die auffäl­lige Stille, bei der man erst leise und dann immer deut­li­cher die Hinter­grund­geräu­sche auf der Tonspur wahrnimmt, wird plötzlich durch­bro­chen von einer lauten, heiteren Musik, die von dem Klang der Schüsse durch­drungen ist. Die Wider­sprüch­lich­keit der Emotionen die die fröhliche musi­ka­li­sche Unter­ma­lung und die gewalt­tä­tige Bild­sprache auslösen, schafft ein Span­nungs­ver­hältnis, das die Szene kraft­voller wirken lässt.

»Eine einzige Einstel­lung vermag, wenn sie gut durch­dacht und ausge­wogen ist, mehr zu fesseln und zu sagen, als zehn Seiten Dialog.« Dieser Aussage bleibt Paolo Sorren­tino treu und lässt statt des wort­kargen Poli­ti­kers die Bilder und die Musik sprechen. Hier hat er die formale Schönheit gefunden, nach der er in seinen Filmen stets sucht und die für ihn einen Film erst sehens­wert macht.