The Day After Tomorrow

USA 2004 · 124 min. · FSK: ab 12
Regie: Roland Emmerich
Drehbuch: ,
Kamera: Anna Foerster
Darsteller: Dennis Quaid, Jake Gyllenhaal, Emmy Rossum, Dash Mihok u.a.
Übermorgen

Es ist seine Herzens­an­ge­le­gen­heit. Ein Projekt, das er ein bisschen an den Studio­bossen vorbei­schmug­geln musste, um es nun in vollem Umfang auf der Leinwand präsen­tieren zu können. Die Idee, das Drehbuch, die Regie, die Produk­tion, alles lag in seinen Händen. Das Recht auf den final cut hat er sich vertrag­lich fest­schreiben lassen. Roland Emmerichs Macht­fülle in Hollywood ist beständig gewachsen im Zuge seines Erfolges mit Inde­pen­dence Day. Nun nutzt er sie um uns die Zukunft zu zeigen. Die Bilder, die sich aller wissen­schaft­li­chen Wahr­schein­lich­keit nach entwi­ckeln werden, sollte die Gesell­schaft den Umgang mit »ihrem« Planeten Erde nicht noch einmal gründlich über­denken. Es wird zur Klima­ka­ta­strophe kommen, zu einer neuen Eiszeit. Schon Über­morgen. The Day After Tomorrow eben. Das ist das Ende des Weges, die letzten Tage der Mensch­heit, zumindest in der nörd­li­chen Hemi­s­phäre.

Bilder reichen immer in die Zukunft und diese besonders. Erstaun­lich ist deshalb der Beginn des Filmes, der zunächst eine Verbin­dung zur Vergan­gen­heit herstellt und an die (filmisch) erfolg­reichste Kata­strophe des letzten Jahr­zehnts anknüpft. Camerons Titanic schwingt mit im melan­cho­li­schen Frau­en­gesang, der den Flug über das Eismeer und die Eisberge am Anfang begleitet. Dort unten könnte Jack Dawson heute liegen, einge­froren, mumi­fi­ziert, bis wir die Gefühle, die er für uns bedeutet, neu beleben. Und mit ihm kommen die Themen des Unter­gangs, wo Tech­nik­gläu­big­keit und der naiv-moderne Fort­schritts­glaube an den Urkräften der Natur zerbre­chen. »Everybody knows that the boat is leaking, everybody knows the captain lied«, wie es bei Leonard Cohen heißt. Schiffe tauchen desöf­teren auf, gerade weil Emmerich die Welt als Schiff begreift, das Universum als Ozean und die Mensch­heit als Besatzung. Kurz davor auf Grund zu laufen, wie ein russi­scher Öltanker in einer späteren Szene des Filmes vor der öffent­li­chen Biblio­thek im Herzen Manhat­tans. Und das Motiv verweist natürlich auf das andere große Schiff in der (Glaubens-) Geschichte: die Arche Noah. Von jeder Art ein Paar, so dass das Überleben gerettet ist.

Emmerichs Ziel ist es, ein globales Bewusst­sein zu schaffen, die Welt als Einheit zu defi­nieren. Mit Inde­pen­dence Day hat er die Reise begonnen, die er nun mit The Day After Tomorrow fortsetzt. Ob nun das ewige Eis oder Außer­ir­di­sche die Welt bedrohen spielt dabei gar keine so große Rolle. Wichtig ist nur dies Bewusst­sein der Zusam­men­gehö­rig­keit, das sich aus der Krise heraus entwi­ckelt. Bewusst­sein und Krise voll­ziehen die gleiche Bewegung, sind nicht unab­hängig vonein­ander zu denken. Genau wie die Sintflut über New York herein­bricht und die Straßen über­flutet, über­schwemmt der neue Mensch am Ende die Welt. Die Bedrohung ergreift zunächst alles und jeden, sie ist der große Gleich­ma­cher, der alles erfasst, die sozialen Klassen durch­läuft, genau wie Räume und Figuren (Vertikal als Tornado über Los Angeles, hori­zontal als Flutwelle durch New York). Emmerich vermischt alles, in einem Hollywood-Block­buster verbindet er Schwarz und Weiß durch ein gemein­sames Kind. Haut­farben spielen keine Rolle mehr. Er besetzt keine wirk­li­chen Stars (und holt statt dessen Dennis Quaid aus der Fast-schon-Verges­sen­heit). Niemand soll in den Vorder­grund rücken, das Kollektiv, erzählt über parallel montierte Geschichten, wird groß­ge­schrieben. Aus den indi­vi­du­ellen Konfron­ta­tionen ergibt sich das Substrat des gemein­samen richtigen Handelns. Der Film gewinnt seine Botschaft in der Verdich­tung verschie­denster Schick­sale.

Der Gegner ist die Grenze, nicht die Kälte oder Außer­ir­di­sche. In der ersten Szene macht sich ein Riss im ewigen Eis auf, der das Lager eines Forscher­teams in zwei Hälften teilt. Jack Hall (Quaid) ist der »Held«, gerade weil er den Mut hat noch einmal auf die andere Seite zu springen und die Forschungs­er­geb­nisse zu retten. Er über­windet die teilende Linie, sichert das Wissen, das Rettung verspricht. Später wird er selbst eine Grenze ziehen, symbo­lisch, auf einer Landkarte, knapp unterhalb von New York. Der Präsident soll alles Südliche dieser Grenze evaku­ieren, der Rest sei sowieso nicht mehr zu retten. Eine klare Aussage, die aber sofort der Rela­ti­vie­rung bedarf. Hall zieht diese Grenze nur, um sie im nächsten Augen­blick mit allen Mitteln zu über­schreiten, brüchig zu machen, und letztlich auszu­lö­schen, denn sein Sohn steckt in New York fest. Die Kata­strophe ist total und Emmerich setzt dagegen die Kraft der Mensch­lich­keit des Einzelnen, der sich gegen das Schicksal auflehnt und unter Einsatz seines Lebens die christ­lich-abend­län­di­schen Werte reali­siert. Das Thema dekli­niert er dann auf allen Ebenen durch. Lucy, Jacks Frau, bleibt in ihrem bereits evaku­ierten Hospital zurück, weil sie das krebs­kranke Kind Peter nicht zurück­lassen will. Die Liebe der Charak­tere ist naiv, roman­tisch, unbedingt. In der virtu­ellen Welt der compu­ter­ge­ne­rierten Bilder gibt sie der Geschichte einen merk­würdig nost­al­gi­schen Körper. Vergleichbar den Gefühlen, die Trinity und Neo in Matrix verbinden.

Emmerich ist ein Bilder­ma­cher, noch eher als ein Filme­ma­cher. Die Bruta­lität und Gewalt der Bilder über­schreitet immer wieder die Sinn­haf­tig­keit der konven­tio­nellen Erzähl­muster. Die Augen kleben an der Schönheit der Natur­ka­ta­stro­phen und unter­laufen die Werte, die der Film etablieren will. Die Narration gibt den Momenten zuweilen nur noch einen losen Rahmen. Im Zentrum des Sturms frisst sich die Kälte durch die Substanz der Gebäude, lässt Hubschrauber abstürzen. Aber bei allem Schrecken bleibt man doch immer auch faszi­niert von den einzelnen Einstel­lungen und der Virtuo­sität der Montage. Es ist erstaun­lich, wie Emmerich von einem Bild zum anderen kommt. Aus dem Bild einer globalen, tödlichen Eiska­ta­strophe kris­tal­li­siert er das intime Bild einer zärt­li­chen Kamin­feu­er­ro­mantik, nur um im nächsten Augen­blick wieder im Weltall zu landen und die Erde von Außen zu betrachten. In der gleichen Geschwin­dig­keit wechselt er die Genres, nimmt sich aus jedem, was er gerade braucht. Hand­werk­lich ist er ein Meister, ganz egal welche Botschaft er auf welchem Wege verbreiten will. Er hat etwas zu sagen, mitzu­teilen und findet mit The Day After Tomorrow genau die Bewe­gungen und Bilder die sein Anliegen trans­por­tieren. In dem Sinne hat er den großen Steven Spielberg eingeholt und wird ihn viel­leicht irgend­wann überholen.