03.06.2004

»Ähnliche Machart, ernstere Note«

Regisseur Roland Emmerich
Emmerich lehrt die Amerikaner das Frieren

Roland Emmerich zu The Day After Tomorrow

Seit Anfang der 90er Jahre lebt und arbeitet der 1955 in Stuttgart geborene Roland Emmerich in den USA. Mit Inde­pen­dence Day (1996) drehte er einen der erfolg­reichsten Filme der Film­ge­schichte. Es folgten The Patriot und Godzilla.

Mit dem Kata­stro­phen­thriller The Day After Tomorrow kehrt Emmerich nun ins Kino zurück – mit einer ökolo­gi­schen, zumindest ober­fläch­lich betrachtet regie­rungs­kri­ti­schen Botschaft
Mit Emmerich sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Wenn Sie Ihre Entwick­lung betrachten, seit Sie in Hollywood sind – was haben Sie für eine Entwick­lung hinter sich? Was haben Sie gelernt und für Erfah­rungen gemacht?

Roland Emmerich: Ich weiß nicht, ob ich irgend­etwas gelernt habe. Jeder Film ist eine Reise. Auf diesen Film bin ich sehr stolz. Denn als ich die Arbeit mit diesem Stoff begonnen habe, sagten mir Freunde: Das bekommst Du nie durch. Und ich dachte: Man muss es eben schlau machen. Und ich habe es offenbar ziemlich schlau gemacht. Jetzt unter­s­tützt selbst das Studio, das mehr auf der politisch rechten Seite steht – Murdoch ist der Besitzer – den Film. Ein Happy End.

artechock: Täuscht der Eindruck, oder ist bei Ihnen nicht doch ein poli­ti­scher Sinnes­wandel erkennbar?

Emmerich: Ich habe eigent­lich nicht verstanden, wieso man mich nach Inde­pen­dence Day und Der Patriot als so patrio­tisch und vor allem so politisch rechts stehend wahr­ge­nommen hat. Da finde ich mich nicht wieder, ich empfinde mich eigent­lich immer schon eher im linken Spektrum stehend. Das war für mich auch ein Stück Protest gegen mein reiches Eltern­haus.

artechock: Viel­leicht liegt das daran, dass der Action­film per se ein „rechtes“ Genre ist: Starke Männer, die mal richtig aufräumen...

Emmerich: The Day After Tomorrow war nun die will­kom­mene Chance, diesen Eindruck zu korri­gieren. Denn ein Filme­ma­cher sollte seine Möglich­keiten schon für bestimmte Ziele einsetzen, für das, an das man glaubt. Und man muss das geschickt machen. Die erste Frage ist immer: Wie kann ich Leute gut unter­halten. Und wenn die Zuschauer am Schluss auch noch nach­denken, und das Problem „Global Warming“ ernst nehmen – um so besser. Ich habe den Film vor allem gemacht, weil ich zeigen wollte, wie eine Umwelt­ka­ta­strophe sich politisch auswirkt. Besonders in Amerika. Die sind so arrogant, glauben sicher, dass immer alles so weiter­geht. Ich als Deutscher wollte es denen einfach mal zeigen, dass das von einem Moment zum anderen anders sein kann.

artechock: Gab es für Sie ein Schlüs­sel­er­lebnis? Wie kamen Sie auf diesen Stoff?

Emmerich: Ich hatte zuerst ein Science-Fiction-Buch über „Globale Erwärmung“ gelesen. Und dann lernte ich, dass sich die wich­tigsten Vorgänge mit wissen­schaft­li­chen Fakten decken. Ich wollte keinen zweiten Inde­pen­dence Day drehen. Aber weil man von mir so etwas Ähnliches erwartete, fand ich eine Kata­stro­phen­thriller ein recht gutes Mittel, um andere Inhalte unter­zu­bringen. Ähnliche Machart, ernstere Note. Ich glaube, dass die Studios anfangs gar nicht so genau hinge­guckt haben, worum die Geschichte geht. Erst später wurden manche wach. Einige Studios fragten ernsthaft, ob man nicht ein paar Helden ins Drehbuch hinein­schreiben könnte, die den Super­sturm und die Eiszeit aufhalten – viel­leicht mit einer Laser­waffe. Das ist natürlich lachhaft, aber so denken manche in Hollywood. Die Fox-Studios haben mich machen lassen, mir alle Frei­heiten gegeben. Darum habe ich mit ihnen zusam­men­ge­ar­beitet.

artechock: Sie hatten die volle Freiheit?

Emmerich: Ja! Mitten im Dreh habe ich noch sehr viel an der Geschichte verändert, zusätz­liche Szenen erfunden. Denn ich spürte, dass im Mittel­teil etwas nicht stimmte, zu wenig Druck auf den Figuren lag. Auch haben wir die Figur des Präsi­denten gegenüber der ursprüng­li­chen Version arg verknappt. Dass er umkommt, war nicht vorge­sehen. In solchen Momenten muss man den Mut haben, alles zu ändern. Wenn man das Sagen hat, geht das. Und wir waren am Schluss immer noch unter unserem Budget.

artechock: Kaum zu glauben, dass das Studio sich gar nicht einge­mischt hat...

Emmerich: Natürlich hat man versucht, Einfluss zu nehmen. Es war ein Eiertanz. Zum Beispiel auf die Vermark­tung des Films. Auf der Website wurde zum Beispiel das Thema globale Erwärmung zunächst gar nicht erwähnt. Und es gab keinen Link zu einer Umwelt­or­ga­ni­sa­tion. Aber das haben wir ändern lassen. Wäre das nicht möglich gewesen, hätten wir den Film nicht gemacht. Man hat auch Macht als Regisseur.
Mir war es wichtig, auch die poli­ti­schen Aspekte einer Umwelt­ka­ta­strophe darzu­stellen. Gerade in den USA ist man ja in der Hinsicht sehr borniert, und glaubt, man könne mit seinem hohen Ausstoß an Treib­haus­gasen ewig so weiter­ma­chen. Es muss ja nicht immer Oliver Stone sein, der die Menschen aufwühlt.

artechock: Als immer noch Fremder: Wie empfinden Sie die derzei­tige gesell­schaft­liche Atmo­sphäre in den USA?

Emmerich: Ja, es ist gerade eine ganz komische Stimmung im Land. Man merkt das auch an den Dreh­büchern. Vor sechs Jahren habe ich ein Drehbuch geschrieben namens „One Nation“. Darin geht es um einen Präsi­denten, der sich im Weißen Haus verbar­ri­ka­diert und es kommt zu einer Weltkrise. Es hieß, das sei unver­filmbar. Zu gewagt. Plötzlich vor zwei Monaten rief man mich an, und meinte: Wollen wir nicht noch mal an dem Buch arbeiten? Es ist Bush! Wir werden den Film machen, wenn die Wahl schlecht ausgeht. In Hollywood gehört es ja zum guten Ton, die Demo­kraten zu unter­s­tützen.

artechock: Und warum macht man dann immer wieder New York kaputt? Warum nicht mal Chicago? Zumal man doch nach dem 11. September manche Bilder nicht mehr unschuldig verwenden kann...

Emmerich: Die Stadt ist ein Symbol. Wenn man das nicht macht, sondern Chicago nimmt, läuft man ihr davon. Wir wollten das nicht. Und die New Yorker können damit gut leben.

artechock: Es gibt offen­sicht­liche Ähnlich­keiten – sowohl im Aussehen, als auch in den poli­ti­schen Inhalten – zwischen Ihrer Figur des Vize­prä­si­denten und Dick Cheney. War das Absicht?

Emmerich: Wirklich nicht. Wir haben die Schau­spieler gecastet, und er war der Beste. Aber es hat natürlich gut gepasst.

artechock: Sie arbeiten nie mit ganz großen Stars. Warum?

Emmerich: Die Filme brauchen das nicht. In meinen Filmen ist der Film selbst der Star. Mir macht es Spaß Leute zu besetzen, die später mal Stars werden. Oder mit Schau­spie­lern wie Ian Holm. Den habe ich immer bewundert.

artechock: Schon bei Ihren letzten Filmen gab es bei Ihnen und Wolfgang Petersen einen fast iden­ti­schen Start­termin. Warum immer wieder dieses Kassen­duell der beiden Deutschen in Hollywood?

Emmerich: Wir haben tatsäch­lich beide versucht, das diesmal zu verhin­dern. Aber über Start­ter­mine entscheiden die Studios. Wir sind befreundet und führen keinen Konkur­renz­kampf. Und wir beide sehen Amerika so, wie es ist. Auch mit seinen Nach­teilen. Wolfgang und ich sind Deutsche. Ich will keinen ameri­ka­ni­schen Pass haben.