Bodies Bodies Bodies

USA 2022 · 95 min. · FSK: ab 16
Regie: Halina Reijn
Drehbuch:
Kamera: Jasper Wolf
Darsteller: Amandla Stenberg, Maria Bakalova, Rachel Sennott, Chase Sui Wonders, Pete Davidson u.a.
Teenie-Horror als Gen Z-Porträt
(Foto: Sony)

TikTok-Teens im Ausnahmezustand

Halina Reijn nutzt für Bodies Bodies Bodies das Sujet des Teenager-Horrors, um daraus eine erfrischende Mischung aus schwarzem Humor und treffender Zeitgeistkritik zu zaubern.

Wo bleibt der maskierte Psycho­path mit dem Schlach­ter­messer, der sich aus dunklen Winkeln auf die krei­schenden Teenies stürzt? So viel darf man verraten: Der kommt in Bodies Bodies Bodies nicht. Dafür wird das Publikum in diesem Schocker mit etwas viel Grau­sa­merem konfron­tiert: dem Menschen in der Ausnah­me­si­tua­tion. Die erste ameri­ka­ni­sche Regie-Arbeit der nieder­län­di­schen Schau­spie­lerin und Schrift­stel­lerin Halina Reijn (Instinct) wirkt auf den ersten Blick wie ein Slasher ganz nach bewährtem, aber über­stra­pa­ziertem Rezept. Aber den neuen Dreh, den sie der Geschichte verleiht, hebt ihren Film aus dem Einerlei der Horror-Kost heraus.

Natürlich stehen am Anfang die stumpf-hedo­nis­ti­schen Jugend­li­chen der gut betuchten Klasse. Eine Clique findet sich in einer Villa zusammen, um eine rauschende Sturmfrei-Fete zu feiern, natürlich mit lauter Musik, Unmengen von Alkohol und anderen Substanzen. Der besondere Fokus liegt dabei auf Sophie (Amandla Stenberg) und ihrer neuen Partnerin Bee (Maria Bakalova), Tochter einer Einwan­derin aus Osteuropa, die noch unsicher im deka­denten Treiben vor sich hin tappt. Sophie selbst hat gerade einen Drogen­entzug hinter sich gebracht und ist nach ihren zahl­rei­chen Abstürzen ein eher ungern gesehener Gast. Die dunklen Wolken ziehen also schon von Anfang an auf. Da hilft es auch nichts, dass man das berüch­tigte „Bodies Bodies Bodies“ spielt, das sich am ehesten mit den hier­zu­lande bekannten Krimi­din­ners verglei­chen lässt.

In dieser Runde funk­tio­niert der Whodunit-Spaß jedoch anschei­nend nur mit dem Waschen privater Schmutz­wä­sche, sodass die dunklen Wolken sich immer mehr verdichten. Übrigens nicht nur in den prunk­vollen vier Wänden, auch draußen braut sich ein bedroh­li­cher Sturm zusammen. Dass der Strom durch das schwere Gewitter auch noch ausfällt, trägt nicht gerade zur ausge­las­senen Feier­laune bei.

Selbst­ver­ständ­lich eskaliert die Situation relativ schnell, doch in einer Art und Weise, die von den anwe­senden Party-People so wirklich nicht vorher­ge­sehen wurde. Denn auf einmal steht der Gastgeber (Pete Davidson) mit einem tiefen Kehlen­schnitt vor ihnen und stirbt logi­scher­weise im nächsten Moment. Auf einen Killer von außen kommt natürlich keiner der verstörten Teens, jemand unter ihnen muss es sein. Viel­leicht der viel ältere Greg (Lee Pace), den Alice (Rachel Sennott) als neuen Lover mit ange­schleppt hat? Oder eben Bee, die auch keiner kennt? Am Ende kann es aber auch jemand sein, der einen näheren Draht zum Opfer hatte, schließ­lich gibt es ja genug Schmutz­wä­sche in dieser Clique. Und die wird nun genüss­lich-hyste­risch ausge­breitet – und in Blut getaucht.

Dass Bodies Bodies Bodies zu keinem positiven Ende kommen kann, erklärt sich recht schnell von selbst. In einer Situation, in der Zusam­men­halt gefragt ist, kommen die Prot­ago­nisten lediglich darauf, sich allen unter­drückten Hader an den Kopf zu werfen. Dabei zerbricht die tumbe TikTok-Ober­fläche, die sonst voller Stolz zele­briert wird. Darunter kommen die schmerz­haften Päckchen zum Vorschein, die jeder zu tragen hat. Mit den Farben des Teenie-Horrors zeichnet Halina Reijn so das Bild einer Genera­tion, deren Leben aus Konsum, Selbst­in­sze­nie­rung und Rausch besteht, damit jedoch nur die eigenen Dämonen im Schach hält. Dass bei diesem Kampf ums perfekte Ich der Bezug zum anderen auf der Strecke bleibt, wird in einer Situation, in der das alles nichts mehr bringt, auf brutale Weise deutlich. Doch bei allem schwarzen Humor der „Bodies Bodies Bodies“ durch­zieht, setzt Reijn ihre Figuren nicht der kompletten Scha­den­freude des Publikums aus. So unsym­pa­thisch die privi­le­gierten Kids zunächst erscheinen, es wird doch immer mehr eine ernst zu nehmende Hilf­lo­sig­keit offenbar, die nicht nur aus dem Horror-Setting allein kommt. Egal, wer nun der Mörder ist, in erster Linie sind sie Opfer einer Zeit, die die den schönen Schein als Lebens­ideal predigt.

Daneben funk­tio­niert ihr Film aber auch als gekonnte Schock-Unter­hal­tung zur Halloween-Saison. Statt sich in nerv­tö­tenden Jump-Scare-Orgien zu ergehen, setzt Halina Reijn eher auf klaus­tro­pho­bi­sche Atmo­s­phäre. Die Szenen finden zum Großteil im Dunklen statt, nur erhellt durch die Schein­werfer der Handys, die ihnen auch sonst das Leben retten. Und so blutig es auch mitunter wird, die Gewalt verkommt im Grunde nie zum reinen Selbst­zweck. Eigent­lich unter­streicht sie zusätz­lich das Einbre­chen der unbarm­her­zigen Realität in die luxuriöse Schein­welt.

Mit Bodies Bodies Bodies hat man also eine pech­schwarze Perle vor sich, zwar ange­rei­chert mit den bekannten Ingre­di­en­zien des Genres, doch insgesamt frisch, intel­li­gent, witzig und traurig zugleich. Wer letzt­end­lich der Mörder ist, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten, aber dennoch, dass die Auflösung das Zeug hat, einen aus dem Kino­sessel zu hauen. Entweder vor Lachen oder schierer Fassungs­lo­sig­keit.