Beetlejuice Beetlejuice

USA 2024 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Tim Burton
Drehbuch: ,
Kamera: Haris Zambarloukos
Darsteller: Michael Keaton, Winona Ryder, Catherine O'Hara, Jenna Ortega, Justin Theroux u.a.
Beetlejuice Beetlejuice
(Foto: Filmfestspiele Venedig · Tim Burton)

Mitleid mit den Monstern?

Ein Exorzismus, der die Teufel der Kommerzialisierung austreibt: Tim Burtons neuer Film, der vor zwei Wochen die Filmfestspiele von Venedig eröffnete, ist ein Manifest des wilden Humors und der Kritik an Normierung und Controlling

»Geister gibt es nicht. Nur leicht­gläu­bige Menschen, die auf diesen Mist rein­fallen.«
– Aus Beet­le­juice Beet­le­juice

Seit rund 40 Jahren ist Tim Burton so etwas wie der Klas­sen­clown der inter­na­tio­nalen Cineasten- und Cine­phi­len­ge­meinde. Wie es Klas­sen­clowns so an sich haben, verselb­stän­digt sich ihr Status irgend­wann, und sie kommen aus ihrer Rolle nicht mehr heraus, selbst wenn sie es möchten. Wenn es soweit gekommen ist, lachen die Menschen auch dann noch, wenn etwas überhaupt nicht mehr witzig ist; sie lachen schon, wenn der Klas­sen­clown morgens überhaupt ins Klas­sen­zimmer reinkommt. Und manchmal, wenn er etwas ernst meint, Liebes­kummer hat, eine Sport­ver­let­zung, oder einfach nur traurig ist, dann lachen sie auch. Das ist die Tragik des Klas­sen­clowns.

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Wenn er groß ist, dann wird der Klas­sen­clown Hofnarr. Denn wenn seine Witze subversiv und »böse« bleiben, dann sitzt er früher oder später zwischen allen Stühlen. Weil jeder sein Auskommen haben will, wählt auch der Hofnarr seinen Thron. Der ist gerade noch so erträg­lich, dass er ihm zu dienen vermag.

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Fünf Jahre nach seinem letzten Film, dem geschmack­losen Dumbo, der unter strenger Aufsicht durch den Disney-Konzern entstand, hat Regisseur Tim Burton, im Prinzip einer der origi­nellsten und inter­es­san­testen US-Filme­ma­cher der letzten Jahr­zehnte, sein kreatives Schweigen gebrochen und ist zu seinen Ursprüngen zurück­ge­kehrt – ohne Frage war er künst­le­risch etwas trau­ma­ti­siert von den ersti­ckenden Einfluss­nahmen durch das große Studio – und ein bisschen konnte man den Eindruck bekommen, dass auch Tim Burton selbst im letzten Jahrzehnt ein Gefan­gener dessen war, was aus der Industrie geworden ist. Er ist ihr Hofnarr, ihre Selbst­ver­ge­wis­se­rung, dass sie noch nicht zu einer faschis­to­iden, pardon: neoli­be­ralen Normie­rungs­ma­schi­nerie geworden ist, dass das Control­ling nur dem Besten dient, der Vernunft des Ganzen, dass – in diesem konkreten Fall – der Kommerz nur die Vorhut der Freiheit ist und des Glücks der Mensch­heit.
Tim Burton war ein Gefan­gener – in goldene Ketten gelegt von Hollywood – und gab sich dem Teufel in Gestalt von Geld hin, der bekannt­lich das Denken ausschaltet. Aber Burton hatte auch dazu die Lust verloren, und seinen letzten Filmen, spätes­tens seit Alice im Wunder­land (Burtons erstem Disney-Film seit Fran­ken­weenie und dem Schwur, nie wieder mit dem bösen Mouse-House zusam­men­zu­ar­beiten) merkte man das an.

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Beet­le­juice Beet­le­juice ist die Fort­set­zung eines der ersten und zwei­fellos nach wie vor über­ra­schendsten Erfolge Burtons – nicht einmal der Regisseur selbst versteht, warum der erste Film 1988 so erfolg­reich war, wie er freimütig bei der Premiere vor zwei Wochen in Venedig einge­stand.

Wobei der Grund­einfall immer schon bestechend gewesen ist: Ein umge­drehter Exor­zismus, in dem die Monster sich von den Menschen befreien wollen, und ein stink­nor­males Geis­ter­paar die Dienste eines exzen­tri­schen und wenig vertrau­ens­wür­digen »Bio-Exor­zisten« (mit Haupt­dar­steller Michael Keaton) in Anspruch nimmt, um die neuen lebenden Bewohner seines geliebten Hauses loszu­werden.

Auch Beet­le­juice Beet­le­juice ist nun zwei­fellos ein Studio­pro­jekt – von den Warner Bros. bekam Burton aller­dings eine »Carte blanche« und scheinbar alle Mittel und Möglich­keiten. So trägt der Film nun die Freiheit in sich, die jemand wie Tim Burton, der Stile, Manie­rismen, Ästhe­tiken und eigene Genres geschaffen hat, die immer ihr Publikum gefunden haben, verdient und benötigt.

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Es gibt Rück­kehrer in diesem Film: Winona Ryder und Michael Keaton, der in dieser Geis­ter­ge­schichte als der bio-exor­zis­ti­sche Dämon wieder­kehrt, der auch die Teufel verkör­pert, die dem Studio­system inne­wohnen: Tim Burton selbst spricht durch diesen Beet­le­juice, zerreißt die Maulkörbe des Corporate-Culture-Kapi­ta­lismus, und der ganze Film ist von einer großen Wut durch­zogen, die mit einem beißenden Humor maskiert wird.

Und es gibt Newcomer: Jenna Ortega, Star des von Burton zum Teil insze­nierten Adams Familiy-Spin-Offs Wednesday, spielt eine neue Haupt­figur, und sie tut es mit Verve, wird schnell die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur des Films.
Und worum geht es? Wer den ersten Teil nicht kennt, muss sich keine Sorgen machen: Alles beginnt wie ein typischer High­school-Coming-Of-Age-Film, ein Hauch von »Harry Potter« in Midwest-Amerika.
Das örtliche Gymnasium hat eine neue Schülerin: Astrid (Ortega). Sie ist ein bisschen zu normal und gutmen­schelnd für ihre Verwandt­schaft, sie inter­es­siert sich weder für das Über­na­tür­liche noch für Geister oder Gothic­welten, ihr größtes Anliegen ist reichlich bieder der Umwelt­schutz, darum möchte sie Akti­vistin werden, ansonsten repro­du­ziert sie die schlimmsten Klischees der Film-Jugend­li­chen, eine ewige Nörglerin, die über lebens­be­droh­liche Gefahren zur spießigen guten Tochter des großen ameri­ka­ni­schen Fami­li­en­ro­mans werden muss. Hm.
In »Winter River« ange­kommen wird sie erstmal Opfer eines Streichs. Bald geraten die Dinge außer Kontrolle, und Astrid landet in der Welt der Toten. Ihre Mutter Lydia (Ryder) wendet sich an das einzige über­na­tür­liche Wesen, das sie kennt, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen: Beet­le­juice (Keaton).

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Das Warten war lang, aber hat es sich gelohnt?

Irgendwie schon. Denn letztlich macht Tim Burton Beet­le­juice Beet­le­juice zu einem Film über seine Zeit, nicht über den Vorgänger oder Kontexte, sondern über Burton selbst und wie er sich in der neuen Realität sieht. Es gibt Witze gegen modische Akti­vismen ebenso wie gegen die Konzerne, die versucht haben, ihn mundtot zu machen, und so bringt er seine sehr persön­li­chen filmi­schen Kost­bar­keiten in eine ihm entfrem­dete, kommer­zi­elle Land­schaft ein.

Nicht alles funk­tio­niert. Vieles wirkt so will­kür­lich und austauschbar wie eine Story kaum vorhanden ist. Trotz inter­es­santer Cameos von Danny DeVito als Haus­meister und Burn Gorman als prag­ma­ti­scher Priester sowie einiger roman­ti­scher Gegen­spieler für Lydia und Astrid, die bald als böse beiseite geschafft werden, bleibt die einzige wichtige männliche Figur der Titelheld. Keaton scheint sich darin wohl­ge­fühlt zu haben, dass sein Charakter eine eher sekundäre Rolle einnimmt, was ihm zugutekam – alle seine Szenen sind recht gelungen, und man merkt, dass er viel Spaß dabei hatte, den Bio-Exor­zisten erneut zu spielen. Dies hat jedoch den Rest der lahmen Komödie verschlech­tert und so bleibt vieles belang­lose und überholte Nostalgie. Die verzwei­felten Bemühungen Burtons und seiner Dreh­buch­au­toren, den durch­ge­knallten, hedo­nis­ti­schen, sarkas­ti­schen und wahn­sinnig unschul­digen Geist der Achtziger Jahre einzu­fangen, bleiben letztlich kraftlos.

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Dieser Film macht daher nicht als eine schlichte Wieder­auf­er­ste­hung eines Künstlers Sinn, sondern dort, wo er das autonome Kunstwerk eines entschlos­senen Regie-Subjekts wird, das sein Kino in eine Zeit außerhalb seiner eigenen führt.
Zu Recht wird Beet­le­juice Beet­le­juice als Tim Burtons Rückkehr zu alter Form gefeiert. Doch wichtiger als diese Fest­stel­lung ist zu erkennen, dass dies ein Film mit einer leben­digen Aussage ist, ein Manifest des wilden Humors und der berau­schenden Unver­fro­ren­heit gegen das gesell­schaft­lich vorge­schrie­bene »gute Benehmen«, das den heutigen Groß­pro­duk­tionen von ihren Betriebs­wirt­schaft­lern und Marke­ting­agen­turen diktiert wird.
Ange­sichts der Dinge ist dies mehr als bloße Unter­hal­tung zur Herbst-Saison. Es ist ein burto­nesker Exor­zismus, der die Teufel der Kommer­zia­li­sie­rung austreibt: ausge­lassen, unge­ordnet und scho­nungslos, ohne dabei in billige Tricks oder avant­gar­dis­ti­sche Mätzchen abzu­rut­schen. Es ist ein Tim Burton, der als Tim Burton bestehen bleibt, selbst wenn die Kräfte um ihn herum noch so anti-burto­nesque sind.
Die wahren Dämonen, so erfahren wir, sind Büro­kratie, Spar­maß­nahmen und die Herr­schaft der Controller.