Deutschland 2008 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Matthias Kiefersauer Drehbuch: Matthias Kiefersauer Kamera: Stefan Biebl Darsteller: Thomas Unger, Stefan Murr, Bernadette Heerwagen, Meike Droste, Michael Fitz u.a. |
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Über den Dingen: Benedikt und Laura |
Drei Jahre war Benedikt weg. Als er plötzlich und ohne jede Vorwarnung wieder auftaucht, ist’s mit der Ruhe im beschaulichen Baching vorbei. Ohne ihn scheint das Leben in dem oberbayerischen Kaff einfach so weitergegangen zu sein, mit ihm gerät es aus dem Tritt. Benedikt ist damals nach Berlin geflohen, weil er es daheim nicht mehr aushielt, nachdem er betrunken ein kleines Mädchen totgefahren hatte. Jetzt hofft er auf einen Neuanfang in seiner Heimat. Doch nicht einmal seine Familie empfängt ihn mit offenen Armen. Die Mutter glaubt, dass »des Dorf nix vergisst, sondern bloß nimmer drüber redt'«. Sein jüngerer Bruder Robert hat in der Zwischenzeit mit Annette, Benedikts Ex-Freundin, eine Familie gegründet. Nur bei seiner besten Freundin Laura, die bei dem verhängnisvollen Unfall mit im Auto saß, spürt Benedikt gleich wieder die alte Vertrautheit.
Genau die ist den Eltern des toten Mädchens verlorengegangen. Bernhard Stemmer und seine Frau Gabi haben über der Trauer um die geliebte Tochter verlernt, miteinander zur reden. Die zwei leben getrennt, sehen sich aber jeden Tag, weil sie an derselben Schule unterrichten. Während Bernhard Gabi unbedingt zurückhaben will, geht diese auf Distanz. Auch auf Benedikt reagieren die beiden völlig unterschiedlich. Bernhard will dem Unfallfahrer vergeben, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Seine Frau blockt total ab und verbietet Benedikt sogar, das Grab ihrer Tochter zu besuchen.
In Bachingoffenbaren sich große Gefühle in kleinen, leisen Verzweiflungstaten: Wenn Michael Fitz als Bernhard Stemmer einem Schoko-Pinguin den Hals umdreht, den sein potenzieller Nachfolger, ein Lehrerkollege, seiner Frau ins Fach gelegt hat. Oder Laura Benedikt wortlos die Einkaufstüte – mit liebevoll ausgesuchten Zutaten für ein Abendessen zu zweit – in die Hand drückt und ihn stehen lässt, nachdem sie ihn mit seiner Ex überrascht hat.
Solche Augenblicke sind die Spezialität von Regisseur Matthias Kiefersauer. Sie zeichnen auch seine Serie »Franzi« aus, die zurzeit im Bayerischen Fernsehen läuft. Kiefersauer stammt aus Wolfratshausen und ist bei Franz Xaver Bogner (»Irgendwie und sowieso«, »Café Meineid«) in die Lehre gegangen ist. Wie der setzt er auf bayerischen Dialekt und Geschichten aus dem »ganz normalen Leben«. Und das mit einem sehr genauen Timing und einem ausgeprägten Sinn fürs Hintergründige. Seine Figuren sind keine Karikaturen, sie leben und haben eine Vergangenheit. Die wahrhaftigste Verbindung in Kiefersauers Kinodebüt ist die zwischen Annette (Bernadette Heerwagen) und Benedikt (Thomas Unger). Das liegt vor allem am Spiel von Bernadette Heerwagen. Auch wenn das Bayerisch der gebürtigen Bonnerin etwas gewollt klingt, ihre Ausstrahlung und ihre Sensibilität machen das mehr als wett. Man spürt, wie hin- und hergerissen sie ist, als ihre große Liebe wieder vor ihr steht, sie aber trotzdem ihre Familie nicht aufs Spiel setzen will. Es ist Benedikt, der diese schwierige Situation, ohne über seine eigentlichen Gefühle zu sprechen, auf den Punkt bringt. Als Annette und er nach seinem plötzlichen Auftauchen nebeneinander in der Küche seines Elternhauses stehen, sagt er zu ihr: »Ist schon komisch. Früher hast du klingelt und ich hab' aufgmacht, jetzt klingel ich und du machst auf.«
So leicht und echt Kiefersauer die Liebesbeziehungen seiner Figuren beschreibt, so verkrampft er bei der Aufarbeitung der Tragödie. Die Szenen, in denen es um Schuld und Vergebung geht, sind die, die am wenigsten überzeugen. Thomas Unger, dem man den verschmitzten Charmebolzen sofort abnimmt, tut sich schwer als Unfallverursacher, der die Verantwortung für sein Tun übernehmen will. Im Vergleich zu den ansonsten berührenden und treffenden Dialogen klingt das Kästner-Zitat »Man kann die Menschen aus der Heimat vertreiben, aber nicht die Heimat aus den Menschen«, mit dem Benedikt seine Rückkehr rechtfertigt, hohl und phrasenhaft. Und auch Michael Fitz wirkt als eifersüchtiger Ehemann authentischer als um Vergebung ringender Vater. Trotzdem bleibt Bachingsehenswert, und Matthias Kiefersauer ein Regisseur und Drehbuchautor, auf dessen nächste Filme man sich freuen kann.