USA 2003 · 146 min. · FSK: ab 16 Regie: Michael Bay Drehbuch: Ron Shelton, Jerry Stahl, Marianne Wibberley Kamera: Amir Mokri Darsteller: Martin Lawrence, Will Smith, Jordi Mollà, Gabrielle Union u.a. |
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Wow – toll gelb das Auto! |
Die Ratten nagen an dem vielen, schönen Geld im Keller. Weil die Besitzer des Gelds vor lauter Moneten gar nicht mehr wissen, wohin damit. Das ist möglicherweise ein Problem, das Jerry Bruckheimer gut kennt. Es ist aber vor allem eines der wenigen schönen Bilder, die sich eingeschmuggelt haben in diesen unsäglichen Film.
Das Geld gehört im Film den Bösen, das kapitalzersetzende Knabbern der Nager ist somit als lustig zu sehen, ist nicht angstbesetzt. Und doch, und doch... Jerry Bruckheimer-Produktionen sind ja legendär dafür (werden von Bruckheimer selbst immer stolz so angepriesen), dass sie quasi das genaue Gegenstück zum Autorenfilm sind. Dass hinter ihnen nicht eine stringente, persönliche Vision steht, sie nicht auf Geschlossenheit, Bewusstheit der Aussage angelegt sind. Und entsprechend muss man sie lesen: Muss sie sehen als Erzeugnisse, die von den Gesetzen eines Marktes geformt wurden; als Bilder- und Ideensammelbecken, in die weitgehend unbewusst einströmt, was in der Welt so im Schwange ist. Und da findet sich dann bei so einem kollektiven Traum, nicht anders als bei unseren allnächtlichen individuellen, nicht alles an seinem logischsten Platz, es flotieren die Bilder, Zeichen, Symbole.
Also: Diese Ratten, die am Geld nagen. Bad Boys II ist Filmkind einer Zeit, in der unser globaler Spätkapitalismus zunehmend von Zweifeln und Ängsten angefressen wird. In der er sich, kaum hatte er sich zum großen, unaufhaltsamen Sieger im System-Wettrennen erklärt, plötzlich nicht mehr gar so unangreifbar wähnt. In der plötzlich überall Widerstände und Widersprüche auftauchen, es bröckelt, rieselt, knirscht. Es ist freilich purster Zufall, dass Don DeLillo eben in »Cosmopolis« auch die Ratten aufmarschieren ließ, um die Pestilenz im Kapitalismus in ein Bild zu fassen. Aber es ist einer dieser puren Zufälle, die doch zeigen, was in unterschiedlichsten Köpfen unserer Kultur derzeit an Fantasien virulent ist.
Dieses vom Ungeziefer weggenagte Kapital – es ist eine Vorstellung, die Bad Boys II unterschwellig, uneingestanden, unbewusst mit antreibt. Denn der Film hat was von einem letzten Gefecht, vom Aufbäumen eines angeschlagenen Riesen. Es ist ein Film von unglaublicher Dekadenz, ist dekadentes Produkt einer dekadenten Welt – ist unserem heutigen Massenentertainment in etwas das, was den alten Römern die Christen-vs.-Löwen-Shows waren.
Bruckheimers Produktionen hingen immer dem Credo an, dass man sehr viel Geld ausgeben muss, um noch größere Unmengen zu erwirtschaften. (Bezeichnenderweise ist Bad Boys II eines der vielen »Opfer« geworden – er wird am Ende der Auswertungskette sicher kein Verlustgeschäft sein, aber er war bei weitem nicht der erwartete Riesenhit an den US-Kassen – eines Kinojahrs, in dem diese Rechnung so selten aufgegangen ist wie nie zuvor.) Es sind Filme, zu deren Wirkungsmechanismen es unverzichtbar gehört, auch zur Schau zu stellen, wie TEUER sie waren. Filme, die mit der in sie investierten Wirtschaftsmacht protzen.
Das interessante aber ist, dass dies anders als einst bei Griffith oder bei Cleopatra, nicht primär dadurch geschieht, dass sie stolz vorführen, über wie viel Menschen, Material und Raum sie verfügen können. Bruckheimer-Filme sehen ihren Reiz darin, zu zeigen, wieviel an Werten sie KAPUTTMACHEN können. Es ist die Geste des Superreichen, der sich seine Zigarren mit $100-Scheinen anzündet: Wenn in Bad Boys II die Ladung eines ganzen Transporters voll nagelneuer Luxusklasse-Autos der Reihe nach zu Totalschaden-Schrottklumpen verarbeitet wird, dann heißt das eben nicht nur »Wir können uns Luxusautos leisten«, sondern »Wir können uns leisten, sie aus jedem sinnvollen, zweckorientierten Kreislauf von Geld-Ware-Nutzen herauszureißen, sie als Wert zu vernichten«. Es ist die Zurschaustellung wahren Überflusses, »conspicuos consumption« im Extrem.
Seltsamerweise aber eben eine Zerstörungslust, die nicht subversiv wütet, sondern das System bestätigt. Bruckheimer/Bay haben schon immer gerne einer Lust am Untergang gefröhnt, die sich das Ende ihres Weltsystems in ausführlichsten Feuerfarben ausfantasiert, um schließlich das System daraus wieder zu regenerieren. Sei’s Armageddon, sei’s Pearl Harbor – Amerika will sich offenbar in Trümmern sehen, um dann um so beherzter zu sagen: »God bless America!«.
Der Exzess ist eins der Prinzipien dieses Films – aber es ist ein seltsam arbeitsamer, lustloser Exzess: Man meint zu spüren, wie sehr dieser Film in den Exzess als eine Notwendigkeit getrieben wurde – weil, dem (kapitalistischen) Fortschrittsglauben anhängend, er versuchen muss teurer, lauter, bunter, schneller, brutaler zu sein als alle vergleichbaren Vorgänger. (Nach der Pressevorführung meinte jemand: »Das war ja wie Rambo I bis III in einem Film, nur dass die mehr Leute erschossen haben.« Um Missverständnissen vorzubeugen: Der junge Mann meinte das als Kompliment.)
Exzessiv sind die Zerstörungsorgien, exzessiv ist der Film in seiner endlosen Länge von zweieinhalb Stunden, die besonders verblüffend ist, weil Bad Boys II nicht wirklich viel zu erzählen hat.
Und exzessiv ist schließlich auch die Gewalt, die hier auf der Leinwand explodiert. Gelinde gesagt bemerkenswert ist die ungeheure Aggressivität, mit der sich in Bad Boys II die »Normalität« gegen ihre potentiellen Störer behauptet: Wie extrem auch die Zerstörung von Körpern ist, mit der dieser Film aufwartet und die er gutheißt, als Entertainment betrachtet – ohne dass man das Gefühl hätte, er sähe selbst in diesem Gewaltlevel etwas Besonderes.
Ich wäre der Letzte, der nicht grundsätzlich bereit wäre, Gewaltdarstellungen im Kino, mit Verlaub, geil zu finden. Bad Boys II aber hätte mich fast soweit getrieben, selbst bei der BPjS eine Indizierung zu beantragen. Das Verstörende ist nicht mal, was an Gewalt zu sehen ist. (Die deutsche FSK 16-Version wird übrigens um etliche blutstäubende Einschüsse in Körper, hirnspritzend platzende Köpfe, zerfetzte Leiber beschnitten sein.) Verstörend ist, wie uninteressiert und beiläufig der Film – der sich ja offenbar als Komödie begreift – dies präsentiert, wie unnötig, sinnlos die Explizitheit seiner Darstellungen ist. Nicht nur fehlt dieser ästhetisch völlig die grandiose, ballethafte Eleganz eines Peckinpah, eines John Woo – es fehlt auch jedes Fitzelchen eines Weltbilds, wie es bei solchen Großmeistern der Kino-Gewalt das verherrlichte Sterben rechtfertigt und in einen (tragischen) Kontext stellt. Genausowenig hat Bad Boys II irgendwas von dem schwarzen Humor, der in anderen Filmen Verstöße gegen den »guten Geschmack« gerade erst zum Vergnügen machen kann. Was in Peter Jacksons hinreißendem Brain Dead mit Körpern geschieht, ist oft noch viel grausiger, als wenn hier – in einer unfasslich menschenunwürdigen Szene – bei einer Verfolgungsjagd Tote aus einem Leichen-Transportwagen kullern und von unseren »Helden« in Fetzen gefahren werden. Aber Jackson beherrscht den »Splatstick«, weiß, wann und wie er zu übertreiben hat, um die Verletzungen ins Territorium der Komik zu schubsen, und hinter all dem schlägt bei ihm doch ein mitfühlendes Herz. Bad Boys II hingegen ist das, was man auf Amerikanisch mit dem treffenden Wort »mean-spirited« bezeichnet: Fies, bösartig, ungustig.
Ein Beispiel für diesen Zynismus: Zum Finale des Films starten die Polizisten aus Miami – mit ein paar schnell herbeigerufenen Freunden vom CIA, hurrah!, eine kleine, private Kuba-Invasion. Und in deren Verlauf durchpflügt man dann nebenbei mit den Autos auch einen Hügel voll Elendsquartiere. Ärgerlich genug an dieser Sequenz, dass sie ganz unverschämt geklaut ist, aus Jackie Chans Police Story. Richtig zum Kotzen aber ist, wie man mit dem Unbehagen umgeht, das offenbar doch aufkam darob, dass man hier Spaß und Freude empfinden soll daran, wie armseligsten Schluckern ihre windigen Behausungen (und sie anzunehmenderweise gleich mit) zu Klump gefahren werden. Ich glaube nicht, dass die Macher selbst da Skrupel empfanden; wahrscheinlich wurden bei Testvorführungen doch ein paar Zweifel laut am unbeschwerten Unterhaltungswert. Und also verfiel man auf folgende Lösung: Inmitten des Gedönses und Gebrummes und Gekraches auf der Tonspur hat man – plumpest offensichtlich nachträglich – einen kleinen Dialogsatz eingeflickt, wo flugs gesagt wird, hier am Hügel hausten lauter Koksdealer. Und das ist zweifach interessant: Zum einen, weil es doch zeigt – guckt man diese Wellblechbaracken an – wie man gemeinhin völlig überschätzt, was mit Drogenhandel so zu verdienen sei. Und zum anderen, weil das anscheinend aus Sicht der Filmemacher völlig ausreicht, um das Zuklumpfahren von Herrn und Hütten mitsamt Haustieren, Frauen und Kindern nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch zum mordsmäßigen (sic!) Gaudium zu verwandeln.
Vom Geld war schon die Rede, aber die Furcht vor seinem Verlust ist nur eine und keineswegs die stärkste der unterschwelligen Kräfte, die all diese exzessive Aggressivität befeuern und rechtfertigen. Es fällt schwer, bei diesem Film von Begründungen und Motiven zu reden, von Ursachen und Wirkungen, weil seine Einzelteile (wie üblich bei Bay/Bruckheimer-Streifen) nicht wirklich voneinander abhängig, nicht ernstlich zwingend zusammengehörig sind. Und doch gibt es da diese Ebene, die noch eins tiefer liegt als jegliche Logik, Stringenz, Planmäßigkeit. Diesen Strom des Halbbewussten, der das alles irgendwie treibt und trägt. Und da kann man dann doch recht deutlich auch die Triebkräfte ausmachen.
Warum müssen »Die Bösen« in Bad Boys II gefunden und ausgemerzt werden, was macht sie »böse«? Auf der Plot-Ebene ein reiner McGuffin: Der Schmuggel von Ecstasy-Pillen wäre hier beliebig austauschbar, es könnte genausogut Heroin sein wie gefälschte Heintje-CDs.
Aber so beliebig ist die Sache dann eben doch nicht, wenn man den Bildern vertraut – was bei solchen Kollektiv-Träumen immer die ergiebigste Methode ist. Denn die zeigen uns ziemlich zu Anfang die »Schreckensvision«, die es offenbar zu verhindern gilt, die präsentieren uns das, was dann weit über zwei Stunden lang mit extremster Gewalt gedeckelt, ausradiert, unter Kontrolle gebracht werden muss: Da sehen wir, was passiert, wenn die Ecstasy-Pillen (erfinden hätte man hier schöner symbolträchtig keinen Namen können) in die USA gelangen. Da tanzen dann junge Leute enthemmt herum und fangen an, mit Fremden zu knutschen. Und das DARF. NICHT. SEIN!
Bad Boys II hat ein ziemlich krankes Verhältnis zur Sexualität – vielleicht auch daher sein manisches Zerstören von Körpern. Sex, das ist ein Minenfeld für diesen Film – was er ganz am Schluss geradezu wörtlich in Bilder umsetzt. Von einem entspannten, ungestörten intimen Verhältnis zwischen zwei Menschen ist weit und breit nix zu sehen – dafür schießt der eine unserer beiden lustigen, schwarzen Polizisten (Will Smith) dem anderen lustigen, schwarzen Polizist (Martin Lawrence) gleich in der ersten Action-Sequenz in den Arsch, und der ist daraufhin impotent. Freudianer dürfen sich JETZT freuen. Dann gibt es solch aparten Höhepunkte (na ja, vielleicht wäre ein anderes Wort besser) wie die Psycho-Folter, der die beiden lustigen, schwarzen Polizisten einen jungen Mann unterziehen, der mit der Tochter von einem von ihnen ausgehen will. Oder die fantastisch geschmackvolle Szene, in der der eine der beiden lustigen, schwarzen Polizisten (der impotente) sich im Leichenschauhaus verstecken muss und dabei auf einer toten, weißen Frau zu liegen kommt, die blond ist und üppig bebrüstet, und seltsamerweise scheint sich da dann was zu regen bei dem impotenten, lustigen, schwarzen Polizisten, und das ist dann doch interessant, dass es mit Leichen plötzlich geht, in diesem Film.
Dafür, dass Bruckheimer-Produktionen einen etwas gequälten Blick auf Sexualität haben, gibt es Präzedenzfälle. Insbesondere aber ist Coyote Ugly ein völlig unterschätzter Schlüsselfilm zum Bruckheimer-Universum. Er zeigt am reinsten diesen Wunsch zum »desire management«, diese verkorkste, sehr amerikanische Fantasie vom Orgasmus ohne Sex, von den geilsten Schlampen als ewigen Jungfrauen. (Es ist, nebenbei bemerkt, ein faszinierendes Kuriosum der Filmgeschichte, wie in Bruckheimers Frühzeit diese Sicht es schaffte, bei American Gigolo und dem Cat People-Remake verblüffend gut Andockpunkte zu finden in Paul Schraders mythischem, verqueren Katholizismus.)
Vielleicht ist die Ursache für all diese unguten Tendenzen ja, dass diese Filme einerseits sehr amerikanisch sind in ihrem Puritanismus – dass sie einer langen Tradition von Leibfeindlichkeit verpflichtet sind, von »Sex ist Sünde, Sex ist schmutzig«-Überzeugungen. Und sie gleichzeitig als, ebenso sehr amerikanisch, dem Merkantilen anhängend, es sich nicht leisten wollen, auf einen vermarktbaren Schauwert zu verzichten – sie die Fleischesware wenigstens zum Anschauen haben wollen, denn »Sex sells«. Und sie so in eine komische Zwickmühle geraten, ein »Produkt« glanzvoll zu präsentieren, das sie selbst für zutiefst verdorben halten.
Was Bad Boys II mit weniger Selbstzweifel zu Markte trägt, ist die fast faschistoide Freude am Polizeistaat. Wären die Hauptdarsteller zwei weiße, blonde, blauäugige Muskelmänner, würden viel mehr Leute viel schneller sehen, wo das Problem liegt. Aber Afro-Amerikaner sind im Hollywood-Kino ikonographisch noch immer ganz anders belegt: Wo sie nicht als lustige Trottel (siehe die meisten Rollen von Chris Rock) oder weise, unbestechliche Autorität (dito Morgan Freeman) auftauchen, sondern mit Virilität und Heldenattributen ausgestattet sind, da signalisieren sie noch immer »Subversivität«.
Bad Boys II macht sich das zu Nutze, indem seine beiden Protagonisten so erstaunlich unbedenklich ein »Schweinesystem« repräsentieren dürfen; indem die protofaschistoide Polizeistaatsgewalt hier ach so hip und cool rüberkommt. (Den Schwarzen ihre Neger sind in diesem Film übrigens die Jamaicaner, die allesamt so ähnlich gezeichnet und behandelt werden, wie früher, als die Helden noch weiß waren, die Afro-Amerikaner allgemein. Der Rassimus ist strukturell nicht weg in diesem Film, er differenziert nur anders.)
Dem Film ist es ein regelrechter running gag, dass Verdächtige immer wieder glauben, sie hätten irgendwelche Rechte. Wann immer jemand einwendet, für diese oder jene Aktion bedürfe es einer richterlichen Erlaubnis, ist die Diskussion schnell beendet, mit einem einfachen »Bullshit!«. Es gilt das Prinzip »Erst schießen, dann fragen«, manchmal auch »Einfach nur schießen«, und erstaunlicherweise macht der Film nicht mal mehr viel Aufhebens darum, wenn es auch reihenweise Unschuldige trifft – früher war da in vergleichbaren Streifen wenigstens ein wichtige Schranke.
Und auch die Grenze zwischen Polizei- und Militärfilm gilt nichts mehr: Auf seinem finalen Höhepunkt konfrontiert Bad Boys II die US-Soldaten von Guantanamo Bay mit dem für sie wohl gänzlich neuen Problem, dass jemand unbedingt REIN will in ihren Stützpunkt. Das kennen sie sonst derzeit doch eher andersrum. Der Ort, an dem derzeit die USA Terrorismus-Verdächtige in einen menschenrechtsfreien Raum outsourced hat, inszeniert als rettender Heimathafen für unsere Helden – es ist das ultrazynische Sahnehäubchen auf einem grundzynischen Film. (Aber einmal mehr: Dass es ausgerechnet Guantanamo ist, wo jedem mit Resthirn ausgestatteten Menschen ins Bewusstsein springen MUSS, wie pervers die ganze Angelegenheit ist... Ja, es schiebt und bohrt sich das so brutal und lautstark Verdrängte immer wieder irgendwie zurück in diesen Film.) Und wir reden hier nicht etwa von jenem Zynismus, der oft Moralisten und Romantiker packt angesichts der Welt, und der im Grunde seines Herzens den Widerspruch seiner selbst trägt; der, einer Verletzund durch die Gefühllosigkeit der Realität entspringend, mit zur Schau gestellter, noch krasserer Gefühllosigkeit antwortet und doch eigentlich nur heulen möchte. Wir reden hier von einem Zynismus im wahren Sinne – einer entmenschlichten Grundhaltung, die jederzeit bereit ist, alles und jeden zu verraten und zu verkaufen, wenn der Preis stimmt.
Vielleicht wäre es sogar noch besser erträglich, wenn man wenigstens das Gefühl hätte, dass die Macher es ernst meinten mit ihrem grenzfaschistoiden Patriotismus und Polizeistaats-Yupphei. Aber es steckt keine echte Ideologie hinter diesem Machwerk außer der, zu liefern, was immer gerade Konjunktur hat; aufzuwarten mit dem, was man halt momentan für gut verkaufbar hält, egal was das sei. Bad Boys II ist ein im tiefsten Wortsinn gewissenloser Film.
Alles – seine extreme Gewalt, sein Patriotismus, sein »Humor«, seine Ästhetik – gehorcht nur einem: Einer Politik der starken Reize. Es muss sich was tun – irgendwas, zusammenhanglos – was kleine Schläge der Erregung versetzt. Das liebt das Samstagabend-Publikum.
Aber das ist nicht unbedingt ein reines Jerry Bruckheimer-Prinzip. Es wird gerne pauschal geschimpft über seine Produktionen, und der Mann hat ja auch ein ähnliches Selbst-Promotion-Kunststück vollbracht wie einst Hitchcock: Er hat es geschafft, dass ER es ist, der zuallererst mit Filmen, an denen er beteiligt war, in Verbindung gebracht, als ihr wahrer AUTOR angesehen wird. Aber auch in einer Bruckheimer-Produktion spielt doch der Regisseur eine keineswegs unerhebliche Rolle; Simon Wests hochvergnüglicher Con Air ist noch lang nicht gleich Michael Bays verheerendem The Rock. Und es ist eben wieder und wieder Michael Bay, der unter Bruckheimers Ägide die unsäglichsten, ärgerlichsten Filmverbrechen begeht.
In einem SPIEGEL-Interview hat er mal verraten, dass ihm persönlich Explosionen (ich paraphrasiere und verbitte mir dennoch jede allzu bildliche Auslegung) ziemlich am Arsch vorbeigehen; dass er seinen Job halt hat, weil er sie schön fotografieren kann. Man spürt seinen Filmen dieses Desinteresse an, diese Auftragstäter-Haltung.
Bay ist dabei verblüffenderweise alles andere als ein begnadeter Action-Regisseur. »Action« heißt in seinen Filmen grundsätzlich nur: Massives Auftreten von lauten, schnellen, explosiven Ereignissen – das spiegelt im Kleinen, wie seine Filme auch im Großen funktionieren. Was Bay völlig fehlt ist jedes Gefühl für weitergehende Struktur in seinen Action-Sequenzen. Eleganz hat seine plumpe, selbstzweckhafte Kinetik sowieso nicht; aber sie hat auch keinen Zusammenhang in Hinsicht auf Erzählung oder Spannung. Keine von den Action-Nummern in Bad Boys II erlaubt nähere Orientierung über den Raum, in dem sie sich abspielt, oder die Akteure, die an ihr beteiligt sind. (Die Kamera-Karussel-Schießerei mit den Jamaicanern ausgenommen, aber da ist diese Orientierung auch nur zufälliges Abfallprodukt einer Übung in Stil-Selbstzweck.) Man muss sich mit der bloßen Abfolge von Knalleffekten und einer sehr groben Ahnung der Positionen der Hauptfiguren begnügen – nie könnte man z.B. während der Verfolgungsjagd mit dem Autotransporter genau sagen, wie viele Polizisten in wie vielen Wagen jetzt hinter wie vielen Schurken her sind, und wer sich wann wo befindet. Diese Actionsequenzen haben kein klares Ziel, keinen Suspense im eigentlichen Sinne, der ja voraussetzen würde, dass man deutlich vor Augen hätte, wer alles beteiligt ist an so einer Szene, wo sie in Relation zueinander sind, was ihre jeweiligen Absichten sind, was diesen im Wege steht, etc. Echte Spannung, das hieße: Zu wissen, dass noch drei Bösewichter lauern, und noch zwei Kilometer Freeway bleiben, sie zu erledigen. Bei Bay aber wird so etwas nie etabliert, da wird halt geballert und gestorben, und ob es jetzt gegen fünf Leute ging oder fünfzig erfährt man bestenfalls, wenn am Ende zusammengerechnet wird.
Wenn am Ende zusammengerechnet wird – was diesen Film betrifft: Bruckheimer wird’s zufrieden und nicht ärmer geworden sein, und sich einen rattensicheren Keller anschaffen. Wem menschliches Gefühl schon weit genug abhanden gekommen ist, der wird den Film möglicherweise als »unterhaltsam« betrachten. Und sich vielleicht, hoffentlich, in ein paar Jahren rückblickend wundern. Ich wage die Prognose: Bad Boys II ist einer dieser Filme, die vielleicht im Moment für ein gewisses Publikum funktionieren. Die uns aber mit nüchternem Abstand völlig fremd und unverständlich sein werden.
Und doch – dieser Film hat schon seine Berechtigung: Er wird dereinst ein verstörendes Artefakt unserer Kultur sein. Irgendwelche kommenden Generationen werden ihn entdecken, und entsetzt über seine zynische Dekadenz sein. Und dann sagen: Ah, jetzt verstehen wir! Es war doch klar, dass es ein schlimmes Ende nehmen musste, mit diesem Kapitalismus.