| USA 2025 · 197 min. · FSK: ab 12 Regie: James Cameron Drehbuch: James Cameron, Rick Jaffa, Amanda Silver Kamera: Russell Carpenter Darsteller: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Oona Chaplin u.a. |
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| Zeitgenössischer als es aussieht... | ||
| (Foto: Disney) | ||
James Cameron vollendet mit Avatar: Fire and Ash nicht nur eine weitere Etappe seiner Pandora-Saga, sondern verschiebt den inneren Fokus der Reihe spürbar. Wo Avatar: The Way of Water, also Teil 2, noch stark vom ethnologischen Blick getragen war, vom Staunen über Rituale, Körper, Wasser, Clan-Strukturen und eine fast obsessive Lust an der anthropologischen Ausformulierung einer fremden Welt, geht es in Avatar: Fire and Ash weniger um das Fremde als solches. Fire and Ash ist ein Generationenfilm. Und zwar ein dezidiert zeitgenössischer, einer, der seine eigentliche Energie aus einem Gen-Z-Diskurs bezieht, der unserer Gegenwart vertrauter ist als jede Na’vi-Kosmologie.
Ein Jahr nach Neteyams Tod ist Trauer der Grundzustand dieser Familie – und Familie ist bei Cameron längst keine Metapher mehr, sondern das eigentliche politische System. »Wir sind eine Familie, keine Demokratie« könnte als inoffizielles Mantra über diesem Film stehen. Jake Sully (Sam Worthington) bleibt Patriarch, auch wenn seine Autorität sichtbar erodiert. Neytiri (Zoë Saldaña) bleibt emotionale Radikalkraft, aber auch sie wird zunehmend zur Figur einer Vergangenheit, die nicht mehr ausreicht. Die eigentlichen Protagonisten sind längst Lo’ak (Britain Dalton), Kiri (Sigourney Weaver), Spider (Jack Champion), Tuk (Trinity Bliss) – jene Kinder, die nicht mehr einfach nur die Verlängerung elterlicher Ideale sein wollen, sondern ihr eigenes Verhältnis zur Welt suchen. Das Coming-of-Age dieser Generation ist der Kern des Films.
Dass Cameron diesen Generationenkonflikt so offen ins Zentrum rückt, ist kein Zufall. Fire and Ash liest sich streckenweise wie eine mythologisch überhöhte Allegorie auf jene Selbstermächtigung der jungen Generation, die wir in den letzten Jahren zunehmend auf den Straßen Nepals, Serbiens, Madagaskars, Perus, in Protestbewegungen, in globalen Demonstrationen auf unserem ganzen Planeten erlebt haben. Die Alten haben versagt, die Welt steht in Flammen – also müssen die Jungen neue Allianzen, neue Denkweisen, neue Formen von Gemeinschaft erfinden, die immer wieder überraschend konservativ sind. Denn das die Assimilierung Spiders nur mit Hilfe des Planentenüberwesen bewerkstelligt werden kann und eine wirklich erfolgreiche »Anpassung« eigentlich bedeutet, die Luft Pandoras ohne Atemmaske zu atmen, sich also auch körperlich total dem »Fremden« angepasst zu haben und alle Wurzeln des Herkunftsheimat hinter sich zu lassen, geht schon weiter über das hinaus, was indigene Traditionen gemeinhin fordern. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass Pandora hier weniger als ethnologischer Raum denn als Resonanzkörper unserer politischen Gegenwart benutzt wird. Und das auf eine sehr verquere Art und Weise.
Denn Cameron intensiviert zugleich seine notorische Nähe zu einem ästhetisierten Afro-Kitsch. Die Bedeutung der Ahnen, die konkrete Begegnung mit ihnen, das kollektive Bewusstsein, die strenge Altersklassen- und Gendergliederung – all das wird noch stärker als bislang aus einer subsaharisch-afrikanisch codierten Sozialstruktur gespeist, allerdings ohne deren historischen oder politischen Brüche mitzudenken. Was früher zumindest noch als neugierige Annäherung an fremde Denkmodelle funktionieren konnte, gerät hier zunehmend zur folkloristischen Überaffirmation. Spiritualität wird zur Erlebnisattraktion, Ahnenkult zum immersiven Setpiece.
Das Narrativ ist bei Cameron wie schon im zweiten Teil sehr zurückgenommen und rückwärtsgewandt. Das dramaturgische Schema ist erneut so vertraut, dass es fast schon tröstlich wirkt: Harmonie, Störung, erster Kampf, Rückzug, erneuter Kampf, totaler Krieg, Finale. Doch anders als in seinen früheren Filmen – selbst noch im ersten Avatar oder Titanic oder gar Alien 2 – wirkt diese Struktur nicht mehr gebündelt, nicht mehr zwingend. Cameron verliert sich zunehmend in der Ausweitung: Naturdokumentarische Exkurse, die an David Attenborough und dessen Stimme hinter der Netflix-Naturdoku-Reihe Unser Planet (Our Planet),erinnern, nehmen Raum ein, den der Film erzählerisch eigentlich nicht hat. Das Staunen kippt ins Saturierte, das Erhabene immer wieder ins Dekorative. Das Sprechen mit den Walwesen ist weniger Offenbarung als Erfüllung einer kitschigen Verheißung, die Cameron etwas zu plakativ vor sich herträgt.
Dennoch ist die technische Virtuosität weiterhin außerordentlich. Das Durchschreiten von Bildschirmen, das permanente Übersetzen zwischen Körpern, Spezies, Wahrnehmungsformen, alles mühsame Handarbeit, wie Cameron in Interviews betont – all das bleibt beeindruckend, auch wenn sich hier wie bei jeder Art von Überwältigungskino schon erste Abnutzungserscheinungen zeigen. Das Staunen wird mehr und mehr zur stoischen Pose. Das liegt auch daran, dass Cameron sich wiederholt, nicht wirklich Neues wagt. Der Body Horror der anderen Spezies ist nach wie vor zwar präsent, allerdings wie immer unter einem ästhetischen Weichzeichner, irgendwo zwischen Bilitis und Hochglanz-Naturfilm. Neu und fast schon irritierend ist eine der wenigen Szenen, die aus dem Rahmen fallen, eine beiläufige Post-Sex-Szene, die kurz daran erinnert, dass diese Körper auch Begehren tragen und nicht nur symbolische Funktionen erfüllen.
Am Ende bleibt Fire and Ash ein schönes, aber mit drei Stunden und zwanzig Minuten Länge auch schwerfälliges Märchen. Eines, das mit seiner Sehnsucht nach einer Welt jenseits neoliberaler Zerstörung nur allzugut in unsere Gegenwart passt. Cameron träumt weiterhin davon, dass wir fliegen dürfen, ohne Konsequenzen tragen zu müssen, dass wir auf Drachen ohne Flugscham über Mother Earth gleiten, ohne unsere eigene Verantwortung reflektieren zu müssen. Pandora ist dabei weniger Utopie als Wunschmaschine. Im Vergleich zu The Way of Water verliert der Film an ethnologischer Neugier, gewinnt aber an zeitdiagnostischer Schärfe. Diese Verschiebung macht ihn immerhin ambivalent. Cameron erzählt nicht mehr vom Anderen, sondern von uns – allerdings erzählt er dabei ein bisschen zu sehr das, was wir ohnehin schon glauben wollen, was den Film bei all seinem Kitschpotential dann auch ein wenig in die Niederungen ungewollter Propaganda führt.
Die Spannung lässt nach: Während The Way of Water erst dreizehn Jahre auf den ersten Avatar-Teil folgte, mussten Fans des Milliarden-Franchises diesmal nur drei Jahre auf den Nachfolger warten. Als letztes großes Kino-Event des Jahres durfte man sich zumindest visuell auf ein Feuerwerk freuen.
Und in der Tat, das 3D ist immersiv wie nie; die Effekte und die detailreiche Welt auf Pandora wissen nach wie vor zu begeistern. Doch nach den üppigen 193 Minuten im Kinosessel muss man feststellen, dass sich selbst die innovativste Technik nicht gegen ein schwaches Skript durchsetzen kann. Bereits in Teil 2 drehte sich Cameron schon im Kreis, worüber man dank der künstlichen Welt und des Leinwandspektakels noch hinwegsehen konnte. Nach nun drei Filmen nutzt sich das Ganze jedoch allzu sehr ab. Schon zu Beginn beschleicht einen die Ahnung, hier nochmal dieselben Stationen und Subplots abzuarbeiten, die schon im Vorgänger nicht in Gänze getragen hatten. Dieses Gefühl erfährt während des Sehens sukzessive Bestätigung.
Auch im neuen Avatar: Fire and Ash geht es wieder um Naturverbundenheit, Familie und Spiritualität. Es wird viel über den Kolonialismus der Menschen und den Einklang der Na’vi mit der Natur geredet, ohne dass sich eine Figur entwickelt oder eine ernsthafte, spannende Geschichte erzählt wird. Jake (Sam Worthington) ist immer noch ein liebender, aber strenger Vater, Neytiri (Zoe Saldana) eine kämpferische und protektive Mutter. Antagonist Miles Quaritch (Stephen Lang) kehrt erneut zurück und ist wieder auf Rache aus. Zu keiner Zeit hat man das Gefühl, dass hier eine Figur weitererzählt wird.
Auch bei den Kindern von Jake und Neytiri, die im letzten Teil zumindest für größere Figurenvielfalt gesorgt haben, passiert nichts neues. Vielmehr werden die Plot Points aus Avatar 2 erneut hergenommen und nur mit anderen Worten und Taten im selben Sinn abgearbeitet. Als neue Antagonistin tritt die Spanierin Oona Chaplin auf, die außer unterschwelligen sexuellen Anspielungen und einer halbgaren Spiegelung zu Neytiri jedoch kaum erwähnenswert ist. Alles ist der Technik untergeordnet. Für über drei Stunden Laufzeit reicht das leider nicht aus. Dafür ist man zu oft in dieser Welt gewesen, hat die Flora und Fauna hinlänglich bewundert und sich in den Bildern allzu sehr verloren.
Ob Avatar: Fire and Ash wie seine zwei Vorgänger zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten gehören wird, bleibt einzig als Kommerz-Spannung übrig und wird auch von den Fans gerne diskutiert. Doch James Camerons Blockbuster-Filmreihe ist mehr als auserzählt. Wohin soll das führen? Die technischen Innovationen im Bereich Kamera und Co. sind nicht von der Hand zu weisende Pionierarbeit, die in der Filmwelt schon jetzt Maßstäbe gesetzt hat. Doch abzüglich der Technik bleibt kaum etwas übrig. Zu schablonenhaft sind die Figuren, zu langatmig und austauschbar die Geschichte. Gerade wenn man bedenkt, dass Cameron einst für Fortsetzungen wie Aliens der Meere und Terminator 2 – Tag der Abrechnung bekannt ist, die im Allgemeinen ihre Vorgänger mühelos ausstechen konnten, ist ernüchtert festzustellen, wie wenig seine Avatar-Sequels zu bieten haben. Ein technisches Meisterwerk und dennoch eine Ansammlung von Plattitüden und Klischees, die einen durch das perfekte 3D aus der Leinwand heraus nahezu anspringen.