Schweden/Deutschland 2012 · 107 min. · FSK: ab 12 Regie: Peter Dalle Drehbuch: Peter Dalle Kamera: Göran Hallberg Darsteller: Richard Ulfsäter, Jeanette Hain, Axel Prahl, Tom Burke, Allan Corduner u.a. |
||
Steril und stereotyp, tausend Mal gesehen |
Eine internationale Expedition bricht auf zu einer Reise ins Polarmeer: Eine russische Besatzung, ein norwegischer Kapitän und zwei englische Wissenschaftler; geleitet wird alles von einem Deutschen und das Schiff stammt aus Schweden – wie ein Europudding nimmt sich nicht nur diese internationale Co-Produktion aus, sondern auch die Grundidee des Drehbuchs: Eine Reise, die nur scheinbar im Zeichen der Völkerverständigung steht. Denn all dies findet im Hochsommer 1939 statt. In Berlin rüstet Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Krieg und sehr bald, spätestens als am 1. September ‘39 der deutsche Überfall auf Polen gemeldet wird, wird auch das Leben dieser kleinen internationalen Gruppe von den weltpolitischen Ereignissen geprägt.
Der schwedische Regisseur Peter Dalle wurde vor zehn Jahren mit Verschwörung im Berlin-Express auch hierzulande bekannt. Zugrunde liegt seinem neuen Thriller vor politischer Kulisse eine scheinbar staubtrockene wissenschaftliche Hypothese: Alle Kontinente der Erde seien einst miteinander verbunden gewesen und hätten sich erst im Laufe von Jahrmillionen auseinandergeschoben bis zum heutigen Bild unseres Planeten. Der deutsche Geologe Alfred Wegener entwickelte diesen auf den ersten Blick mehr als gewagten, heute allgemein anerkannten Gedanken der »Kontinentalverschiebung« bereits 1912. Soweit entspricht An Enemy To Die For den historischen Tatsachen.
Fiktion ist aber alles Weitere, mitunter eine, die die Grenzen zur Kolportage klar überschreitet. Wie bei solchen Historienfilmen üblich, dienen auch in diesem Fall die Figuren als Charaktermasken und Bedeutungsträger, die neben ihren eigenen Problemen auf ihren Schultern auch noch die Last der politischen und kulturellen Haltungen tragen, die sie zu repräsentieren haben: So gibt es den deutschen Expeditionsleiter Friedrich Mann der von Axel Prahl gespielt wird – keinesfalls ein überzeugter Nazi, eher ein deutschgemütlicher Erzopportunist und insofern lange auch williger Vollstrecker der über Funk übermittelten politischen Befehle. Erst als einer der Briten sich als deutscher Spion offenbart, und zum wahrhaftigen Fanatiker und schurkischen Mörder mutiert, entdeckt Mann unter dem Herrenmenschen in sich auch noch den Moralisten, dessen Herz über die Ideologie siegt. Klarerweise gibt es als Kontrapunkt auch einen Juden: Natürlich ein Intellektueller, natürlich mit Brille, natürlich abgründig sarkastisch – »so sind sie doch« scheint der Film tatsächlich zu denken – und meint das auch ganz arglos. Und es gibt den aufrechten Anti-Nazi, einen gutaussehenden, immerhin nicht blonden Schweden, der als wahrer Held des Films die sinistren Pläne des Bösen durchkreuzt und mitten im Eismeer seinen privaten Zweiten Weltkrieg gewinnt – wie Cary Grant es bei Hitchcock vor über 60 Jahren nicht besser tat.
Überaus frech, teilweise auch etwas dummdreist spielt der Film mit den historischen Versatzstücken, ohne dabei aber jemals die Virtuosität und den Einfallsreichtum, die Chuzpe von Tarantinos Inglourious Basterds zu erreichen. Der lustigste Einfall ist, eine der Hauptfiguren Leni Röhm zu nennen (gespielt wird sie von Jeanette Hain). Sie hat, wie bald zu erfahren ist, einen homosexuellen Bruder, der von der GESTAPO verhaftet wurde. So so, aha, haha – da soll man offenbar an Ernst Röhm denken den schwulen SA-Führer und Nazi der ersten Stunde, der aber 1939 schon seit fünf Jahren von Hitler ermordet worden war... Und vielleicht noch an das berühmte Man’s Girl Nazideutschlands, an »Reichsgletscherspalte« Leni Riefenstahl.
So geht es mit den halbgelungenen Referenzen munter weiter. Der Film ist ein Kammerspiel mit allerhand Gerede, das immer wieder von solide inszenierter Action unterbrochen wird. Recht viel in diesem Film wirkt dabei zwar nicht gerade unangenehm, aber doch irgendwie steril und stereotyp, halt tausend Mal gesehen: Die Ausgelassenheit an Bord, der politische Fanatismus – alles ist etwas zu offenkundig und schlicht, um ernstgenommen zu werden. Auch andere seriöse Themen – etwa der Missbrauch der Wissenschaft – werden hier allenfalls knapp angeschnitten. Was bleibt, ist ein nur begrenzt opulenter Abenteuerthriller vor landschaftlich wie politisch spektakulärer Kulisse.