Kanada 2014 · 95 min. Regie: Ron Mann Drehbuch: Len Blum Kamera: Simon Ennis Schnitt: Robert Kennedy |
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Robert Altman, 1925-2006 |
»Niemand hat zu van Gogh gesagt: ›Mal nochmal die Sternennacht‹. Er hat sie gemalt und das war’s.« Wenn man zu Beginn von Altman sieht, wie die stolze Sandburg am paradiesischen Strand entsteht und nach kurzer Zeit vom Meer umarmt und verschlungen wird, fällt einem dieses Zitat der Songwriterin und Malerin Joni Mitchell ein. Der schöpferische Prozess als Akt der Einmaligkeit. Nur in der Erinnerung lebt das Werk weiter, hört man Robert Altmans Stimme aus dem Off sagen. Darin dürften sich die Kanadierin und der Filmemacher aus Kansas einig sein.
Ein Dokumentarfilm über den, der Hollywood und sein Studiosystem Zeit seines Lebens zutiefst ablehnte? Der Filmhochschulbibliotheken füllt ob seiner Innovationen, vom »overlapping dialogue« über seine spezielle Tontechnik und die experimentelle Vermischung von Realität und Fiktion? Das Risiko ist groß, sich im Postum-Porträt zu verzetteln oder Elogen in der Endlosschleife zu fahren. Doch in Altman hat sich Ron Mann seinen Protagonisten zum Vorbild genommen: Der Regisseur nimmt sich zurück, behält aber nahezu unbemerkt die strukturellen Fäden in der Hand. Die chronologisch aufgebaute Collage aus Interviewausschnitten mit Altman selbst, erzählerisch vorgetragenen Erinnerungen seiner Ehefrau Kathryn Reed Altman und vielem, bislang unveröffentlichtem Material zeichnet den Weg eines erfolgreichen Werbefilm- und TV-Regisseurs, eines verachteten und zugleich hochverehrten Spielfilm-Eulenspiegel, eines unermüdlichen Schöpfers und waghalsigen Zockers, eines liebevollen, aber dauerbeschäftigten Familienmenschen, aber vor allem eines intelligenten Humanisten, dem es mit dem Spaß immer ernst war und der letztendlich mit allem Recht behielt.
Es sind wunderbar kurzweilige 95 Minuten unter dem Motto »altmanesque«. Was diese Wortschöpfung alles bedeutet, zieht sich wie ein roter Faden durch Altman, verleiht ihm dramaturgischen Halt wie die einst die Lautsprecherdurchsagen in M.A.S.H. und gibt vielen von Altmans Wegbegleitern die Gelegenheit, sich sehr persönlich und doch abstrakt zu bedanken bei diesem Macher von der anderen Gestalt, der in diesen Tagen 90 Jahre alt geworden wäre.
»In jedem Fall bewies er, dass es möglich ist, wirklich unabhängige Filme zu drehen«, wird Ron Mann in einer Pressenotiz zitiert. Es ist aber auch kein Geschäft für Bausparer und Angsthasen, das zeigt sein Dokumentarfilm, der nicht nur Altmanfans und Freunden des American Independent Cinema viel zu bieten hat, sondern jedem, den die Begleitumstände der Verwirklichung filmischer Ideen interessieren. Außerdem machen die Ausschnitte aus dem Altman-Oeuvre unweigerlich Lust aufs (Wieder-)Sehen. Und nur so, in der Erinnerung, lebt das Kunstwerk weiter – Let’s begin again, Bob.