Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika

Albert Schweitzer

Deutschland/Südafrika 2009 · 114 min. · FSK: ab 0
Regie: Gavin Millar
Drehbuch: ,
Kamera: Cinders Forshaw
Darsteller: Jeroen Krabbé, Barbara Hershey, Judith Godrèche, Samuel West, Jeanette Hain u.a.
Albert Schweitzer – auch Orgel spielen konnte er

Der gute Mensch von Lambarene

Er war fast zu gut, um wahr zu sein: Arzt, Humanist, Lebens­phi­lo­soph (sein Werk »Ehrfurcht vor dem Leben« war ein Best­seller seiner Zeit), Frie­dens­no­bel­preis­träger. Schweitzer – aus einer aleman­nisch-elsäs­si­schen Familie stammend, und im Oberel­sass geboren wurde, das seiner­zeit zum deutschen Kaiser­reich gehörte – studierte, nach dem Abitur in Mülhausen in Straßburg und Berlin Theologie und Philo­so­phie, später noch Medizin, bevor er 1913 als Missionar nach Afrika ging. schnell wurde er berühmt, und spätes­tens seit den 40er Jahren war er geachtet in aller Welt, ein Freund der Weisen seiner Zeit, etwa Albert Einsteins und Otto Hahns, wie der Armen, der Ernied­rigten und Belei­digten, zu deren Fürspre­cher er wurde. Eine Art profaner Heiliger in unserer scheinbar heillosen Welt. Albert Schweitzer, geboren als Deutscher im Elsass, ist eine Licht­ge­stalt am grauen Himmel der deutschen Geschichte, aber er ist uns, wie manch andere Licht­ge­stalt, auch seltsam entrückt. Was weiß man eigent­lich heute noch über Albert Schweitzer (1875-1965)?

Gavin Millars Film Albert Schweitzer – Ein Leben Für Afrika versucht, Schweitzer wieder ein wenig plas­ti­scher ins Gedächtnis zu rufen und auch als Mensch sichtbar werden zu lassen. Wenn er ausge­rechnet jetzt in unsere Kinos kommt, passt das in der huma­nis­ti­schen Gesinnung der Haupt­figur nicht nur perfekt zur Weih­nachts­zeit. Es passt ebenso auch dazu, dass Produk­ti­ons­firma und Verleih NFP, mit den Kino­bio­gra­fien protes­tan­ti­scher Helden offenbar ihre spezielle Markt­lücke gefunden haben, und sich auf eine entspre­chende evan­ge­li­sche Zuschau­er­k­li­entel spezia­li­sieren. Zuvor waren es die Bio-Dramen Bonhoeffer – Die letzte Stufe und Luther – besonders letzterer, seiner­zeit am Refor­ma­ti­ons­fei­ertag gestartet, lockte die Massen.

Nun also Albert Schweitzer. Die Handlung des Films versucht nicht, dessen sämt­li­chen Lebens­sta­tionen chro­no­lo­gisch abzuhaken – sie werden nur in Rück­bli­cken kurz zur Erin­ne­rung gestreift –, sondern kreist um eine relativ kurze, aber wichtige Spanne in Schweit­zers Leben: Die Jahre zwischen 1949 und 1959. Die Schrecken des Zweiten Welt­kriegs sind noch hautnah präsent, der Kalte Krieg beginnt. Schweitzer (Jeroen Krabbé) arbeitet als Urwald-Doktor in Lambarene/Gabun, publi­ziert regel­mäßig Schriften etwa über Jesus, Bach oder seine Arbeit in Afrika, und hält regel­mäßig Vorträge im Westen. Der Film setzt mit einer solchen Reise Schweit­zers durch die USA ein, auf der dieser Spenden für Lambarene sammelt. Doch als er auch Albert Einstein in dessen Kampf gegen die Atombombe unter­s­tützt, gerät Schweitzer ins Visier einer Rufmord­kam­pagne. Die Ameri­kaner, genauer: rechts­ex­treme Kommu­nis­ten­fresser um den berüch­tigten Senator McCarthy, sind auch in diesem Film wieder einmal die Schurken – eine etwas einsei­tige Zeichnung, die Schweit­zers Gegner auf Kari­ka­turen zurecht­stutzen. Zudem kommen die mitunter immerhin nicht völlig aus der Luft gegrif­fenen Einwände gegen Schweit­zers eigene Position in ihrer Relevanz überhaupt nicht vor.

So bietet dieser Film keine poli­ti­sche Aufklä­rung, sondern eher – scheinbar – leicht konsu­mier­bare Feier­tags­kost – die einem im Nach­hinein aber trotzdem schwer im Magen liegt, weil sie viele Fragen unbe­ant­wortet lässt.
Regisseur Millar trägt stilis­tisch recht dick auf, und erzählt Einsteins Geschichte als eine Art Weih­nachts­mär­chen. Einstein ist darin gleich­zeitig ein lieber Nikolaus, der mit weißem Bart, Tropen­helm und gütigem Blick Welt­frieden und Moral predigt, wie auch ein manchmal garstiger Knecht Ruprecht, der die die Afrikaner in Lambarene schon mal etwas härter anpackt – weil sie ja sonst doch nicht hören (glauben zumindest er und sein Regisseur). Aber auch gegenüber seiner Frau Helene (Barbara Hershey) und der erwach­senen Tochter Rheena (die Deutsche Jeanette Hain in einem schönen kleinen Auftritt) ist dieser Einstein ein knorriger und manchmal ziemlich jähzor­niger Patriarch. So weicht dieser Film ande­rer­seits aber einer allzu schlichten Heroi­sie­rung seiner Haupt­figur wohltuend aus.
Die filmische Umsetzung ist bescheiden – will sagen: Ohne künst­le­ri­schen Ehrgeiz bebildern schöne afri­ka­ni­sche Post­karten-Motive eine Handlung, die eher zäh durch die Dialoge vorwärts­be­wegt wird. Armin Rohde ist in seinem über­ra­schenden Auftritt als Albert Einstein (!) grund­sätz­lich über­zeu­gend, manchmal aber arg char­gie­rend. Was dauerhaft in Erin­ne­rung bleibt, ist der Eindruck eines tatkräf­tigen, facet­ten­rei­chen Mannes, einer inter­es­santen und bemer­kens­wertem Lebens­ge­schichte im 20. Jahr­hun­dert.