About a Boy oder: Der Tag der toten Ente

About a Boy

GB/USA/F 2002 · 101 min. · FSK: ab 6
Regie: Chris Weitz, Paul Weitz
Drehbuchvorlage: Nick Hornby
Drehbuch: , ,
Kamera: Remi Adefarasin
Darsteller: Hugh Grant, Nicholas Hoult, Toni Collette, Rachel Weisz u.a.
Nicholas Hoult und Hugh Grant

»Ich halte mich für – Ibiza.«

»Jeder ist eine Insel.« ist Will überzeugt, »wir leben im Insel-Zeitalter. Ich halte mich für ziemlich cool. Ich halte mich für – Ibiza.« Will ist Ende 30, Single, kinderlos, und zwar nicht aus Not, sondern weil er es nicht anders wollte. Sogar eine Paten­schaft, die ihm von wohl­mei­nenden, wie er findet »ziemlich spießigen« Freunden ange­tragen wird, lehnt er ab, denn lieber kümmert er sich um seine DVD- und Video­samm­lung, hat genug Zeit, um alle wichtigen Mode- und Lifestyle-Zeit­schriften zu lesen, lieber ist er »Will, das unzu­ver­läs­sige Arschloch« – der Prototyp der »Ego-Gesell­schaft«, die Sozio­logen spätes­tens seit Beginn der 90er diagnos­ti­zieren, und darin wahlweise den begin­nenden Untergang des Abend­landes erkennen, oder die endgül­tige Selbst­be­freiung der Mensch­heit.

Bei About a Boy, der jetzt ins Kino kommt, handelt es sich um die Verfil­mung des gleich­na­migen Best­sel­lers von Nick Hornby. Nach High Fidelity und Fever Pitch ist dies jetzt die dritte Verfil­mung eines Romans des briti­schen Kult-Autors – und, mit Abstand, die beste. Denn ausge­rechnet Chris Weitz und Paul Weitz, dem jungen Regie-Brüder­paar, das als Ameri­kaner und vor allem durch seinen letzten Film, die primitive Puber­täts­kla­motte American Pie, denkbar unge­eignet für einen solchen Stoff schien, gelingt hier eine geschmack­volle, erwach­sene Komödie, die den typisch briti­schen Charme des Originals, seinen zurück­hal­tenden, auf Sprach-Pointen konzen­trierten Humor, bewahrt.

Im Zentrum steht eben jener, von Hugh Grant in seiner bisher besten Rolle mit genialer, an Cary Grant erin­nernder Noncha­lance gespielte Will. Je nach Betrach­tungs­weise ist der ein unreifer Zyniker, der nicht erwachsen werden kann, oder einer, der ein Leben abseits einge­fah­rener Bahnen gewählt hat, der sich nicht zu früh binden, sondern jung und frei bleiben möchte. In jedem Fall aber ist Will ein Oblomow unseres Zeit­al­ters. Dank einer Erbschaft braucht er nicht zu arbeiten, weder mit Frauen noch mit anderem im Leben hat er ernst­hafte Probleme. Und so verbringt er sein Dasein vor dem Fernseher oder mit immer neuen weib­li­chen Kurz­zeit­be­kannt­schaft – er ist endlos gelang­weilt, läßt nichts wirklich an sich heran, und ist trotzdem irgendwie glücklich. Warum auch nicht?

Der Titel bezieht sich trotzdem nicht allein auf dieses große Kind. Denn da gibt es noch einen zweiten Jungen, Marcus (erstaun­lich gut: Nicholas Hoult). Der 12jährige ist in der Schule ein Outsider, hat weder Freunde, noch Ahnung von Musik, Mode und anderen Dingen, die Jungs in seinem Alter norma­ler­weise inter­es­sant finden. Das liegt nicht zuletzt an seiner Mutter Fiona (Toni Colette), die noch nach 30 Jahren ihren alten 68er-Idealen treu bleibt. Ihren Sohn hält sie zum Konsum­ver­zicht und Vege­ta­riertum an, sie selber ist hoch­gradig depressiv. In Wills Worten: »Ein dämlicher, verdammter Hippie, ein selbst­mord­ge­fähr­deter Flokati!« Zufällig haben sich Will und Marcus bei ihrem letzten Selbst­mord­ver­such kennen­ge­lernt; und trotz anfangs heftiger gegen­sei­tiger Abneigung, macht Marcus aus Will seinen „Ersatz­vater“. Denn Will weiß immerhin, welche Turn­schuhe man kaufen muss – und auch sonst gibt er Nicholas wichtige Tips für alle Lebens­fragen. Doch uner­wartet bekommt auch er – »Ich bin der Kerl, der ein ziemlich gutes Händchen für Sport­schuhe und CD-aussuchen hat. Ich bin für inten­si­vere Probleme nicht geeignet.« – eines Tages ein ernst­haftes Problem. Und braucht Marcus' Hilfe...

In manchen starken Momenten wirkt diese nahezu perfekte Komödie wie ein masku­lines Gegen­s­tück zum letzt­jäh­rigen Sommerhit Bridget Jones´s Diary. Erst gegen Ende wird deutlich, dass die Story ganz so abgründig wie Helen Fieldings Roman nicht ist, dass es sich hier eigent­lich um eine hoch­mo­ra­li­sche Geschichte handelt.
Doch letztlich rettet sich der Film vor platten Family Values. Statt­dessen begegnet man einem Single, der nicht um jeden Preis unter die Haube muss, einer Geschichte, die lebens­klug genug ist, um die Hollywood-Ideologie zu vermeiden, nach der am Ende um jeden Preis eine Hochzeit zu stehen hat. Und einer Komödie, die erkennt, dass Single-sein nicht nur etwas mit Einsam­keit zu tun hat, sondern auch mit dem Mut zum Allein­sein.

So geht es dann doch nicht ums abge­klärte Predigen nicht mehr ganz neuer Lebens­weis­heiten, sondern um eine lustvolle Feier der Freiheit der Popkultur, darin an Vanilla Sky erinnernd, um ein Lob auf Lüge, Songs und Mode, und vor allem den Mut, zu sich selbst zu stehen – egal, was dabei heraus­kommt.