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Die Brite Michael Winterbottom (42) ist einer der besten,
interessantesten und erfolgreichsten europäischen Filmemacher.
Ein Vielfilmer, der bisher in 14 Jahren 17 Filme gedreht hat
- durchweg von herausragender Qualität. Im Stil eines
François Truffaut ist Winterbottom in sehr verschiedenen Genres
zuhause, dreht Komödien wie Dramen. Mit der Flüchtlingsgeschichte
IN THIS WORLD gewann Winterbottom vor zwei Jahren bei den
Berliner Filmfestspielen den Goldenen Bären. Jetzt kommt
9 SONGS in Kino, eine Liebesgeschichte, erzählt mit viel
Pop-Musik und expliziten Sex-Szenen, die schon vorab für
Aufsehen sorgten. Ab 3. März folgt dann CODE 46, ein
Science-Fiction um Liebe und Erinnerung - eine kühlere
europäische Antwort auf Wong Kar-wais 2046. Rüdiger
Suchsland sprach mit dem Regisseur.
artechock: Lassen Sie uns mit 9 SONGS anfangen. Erzählen
Sie mir ein bisschen über die Idee, die am Anfang des
Projekts stand. Wie fing es an?
Winterbottom: Ich habe mich einfach gefragt: Warum
kann man nicht Sex im Kino zeigen? Was ist falsch daran? Es
ist ja nicht nur so, dass alle Leute in ihrem eigenen Leben
Sex haben möchten - es ist auch ein sehr offen präsentes
Thema in der Kunst. Von einem Tabu kann keine Rede sein. Viele
zeitgenössische Romane enthalten sehr freie Beschreibungen
von Sex, die Zeitungen sind voll davon, das Fernsehen auch.
Nur das Kino scheint all dem in anachronistischer Weise auszuweichen
- als ob das Kino eine allem anderen entgegengesetzte Moral
hätte. Dabei ist das Kino eigentlich der beste Ort dafür.
Denn man kann es sehr direkt und simpel zeigen. Also: warum
nicht?
War 9 SONGS für Sie zunächst ein Liebesfilm, oder
war es die eher technische Frage: Wie zeigt man bestimmte
Dinge, oder war da noch etwas ganz anderes, vielleicht das
Verhältnis von Musik und Liebe?
Es gab die drei Stränge, die Sie nennen. Aber ich denke,
Sex war schon die eigentliche Triebkraft. Und die Herausforderung,
dass das Projekt gelingen kann. Manche Leute hielten es schon
im Ansatz für eine schlechte Idee. Mit explizitem Sex
müsste das auf jeden Fall ein Porno werden. Ich fragte
mich: Warum eigentlich? Wie kann man es vermeiden, dass es
Porno wird? Und wie kann man umgekehrt überhaupt eine
wahrhaftige Liebesgeschichte erzählen, wenn man so etwas
Wesentliches wie den Sex völlig ausblendet?
Also ging es am Anfang erst einmal darum, den Rahmen zu finden,
eine Geschichte zu entwickeln, die interessant ist, aber zugleich
so einfach wie möglich.
In Ihren letzten Filmen scheint sich Ihr Stil ein wenig
zu verändern. Vielleicht kommt es auch durch den Einsatz
der digitalen Kamera: Ihre Bilder "driften" mehr,
sie wirken wie ein Flaneur, der uns einige Fragmente zeigt,
aber die Geschichte nie ganz auserzählt
Ja, ich wollte ein bisschen weg von den großen Plots
- soweit das möglich ist. Natürlich haben alle meine
Filme eine Handlung und eine Struktur. Aber wie sie sagen:
in den Szenen und im Rhythmus des Drehens versuche ich zunehmend
- ganz im Gegensatz zu jenen, die den Dreh sehr detailliert
vorbereiten, die ein Storyboard haben, wo schon vorher jede
Einstellung festgelegt ist - den Dreh so offen und relaxed
wie möglich zu halten. Ich arbeite mit Handkamera, mit
mobilem Licht, nicht im Studio, lasse die Schauspieler improvisieren,
verschiedene Varianten ausprobieren, überhaupt tun, was
sie für richtig halten. Ich probiere auch selber Dinge
mit der Kamera aus. Es ist also bei mir nicht alles perfekt
organisiert, es tut nicht jeder immer wieder genau das gleiche
bei jedem Take. Der Film ist also nie ganz festgelegt.
Und klarerweise nimmt man dann auch beim Schneiden hiervon
ein bisschen und davon ein bisschen, und erlaubt der Geschichte
auch, sich während dieses Prozesses zu verändern.
Es sind mehr wie Exzerpte vom Dreh. Also: Ja, der Rhythmus
des Filmens und daher auch der Rhythmus der Filme selbst,
hat sich verändert.
Das wird dann vielleicht besonders offensichtlich bei den
Filmen, die gar kein Drehbuch hatten, wie 9 SONGS und IN THIS
WORLD, oder bei Filmen mit nur einem sehr lockeren Script
wie WONDERLAND. 24 HOUR PARTY PEOPLE hatte eine Menge Improvisation,
allerdings auch viele künstliche Momente, eine Art 'artificial
storytelling'. Wenn man damit durchkommt, gar keine Geschichte
mehr zu erzählen, ist das gut, denke ich. [Lacht]
Etwa bei CODE 46 gab es zwar viel Improvisation, aber wir
haben auch streng nach Script gedreht. Jeden Tag dreht man
irgendwie, was im Script steht, und denkt dann: Oh my god,
war da nicht noch irgendwas, hat man hier nicht mehr zu erzählen?
Wenn man Glück hat, passiert jeden Tag etwas Unerwartetes,
etwas womit man nicht gerechnet hat. Und das ist ein großer
Genuss. Ob es dann auch ein guter Film wird, ist noch eine
ganz andere Frage - aber zumindest macht es sehr großes
Vergnügen den Film zu drehen.
Ja genau das ist ja Ihr Zugang, Ihre Haltung zum Filmemachen:
Das Relaxte, Zurückgelehnte, Offene. Sie können
sich das auch erlauben: Sie haben den Goldenen Bär
gewonnen, Sie haben heute schon mehr Filme gemacht, als
manche anderen Filmemacher in Ihrem ganzen Leben
Ganz genau! [lacht] Wenn man relaxen kann, ist das gut -
auch für die Sachen, die man macht. Es ist sicher ganz
ähnlich als Journalist: Sie haben eine Idee von dem Artikel,
den Sie schreiben werden, Sie haben eine Vorstellung von den
Fragen, die Sie mir stellen wollen. Vielleicht sogar von den
Antworten, die Sie wohl von mir bekommen werden. Aber wenn
Sie exakt wüssten, was Sie fragen, exakt wüssten,
was ich antworte, und den Artikel schon exakt im Kopf hätten,
dann würde es gar keinen Sinn machen, noch das Interview
zu führen. Man hofft immer auf etwas, das überrascht,
abweicht, die Annahmen variiert.
So ist das auch bei mir. Man weiß nicht nichts vorher.
Aber man hofft einfach, dass etwas passiert, auf das man antworten
muss, mit dem man nicht gerechnet hat, das einen aber bereichert.
Wenn ich ein Interview mache, dann habe ich nie einen Zettel
mit Fragen dabei. Es ist mehr wie Tanzen oder Kochen
Ist so auch ihr Stil, zu drehen?
Ja, mit Kochen hat Filmemachen viel zu tun. Wenn Sie zum
Markt gehen, wissen Sie, was Sie kaufen wollen. Aber dann
sehen Sie: Das Fleisch ist schlecht, der Fisch aber sehr gut.
Dann kaufen Sie den Fisch und kochen nicht trotzdem das Fleisch,
bloß, weil Sie sich das so vorgenommen haben.
Filme brauchen leider sehr lang. Man hat einen geringeren
Output, als als Journalist. Dafür hat man mehr Zeit,
über etwas nachzudenken, einen Einfall zu überdenken
und vielleicht zu ändern. Es gibt mehr Zusammenarbeit:
der Kameramann, die Leute am Set, die Schauspieler. Den meisten
Druck gibt es von den Financiers und Produzenten. Da gibt
es oft Konflikte, die ich sehr langweilig finde. Darum habe
ich 9 SONGS selbst finanziert. Damit keiner reinredet, mir
erzählt, was zu teuer ist.
Also: Verschiedene Filme brauchen verschiedene Arbeitsbedingungen.
Das bedeutet also: Der Prozeß des Drehens selbst ist
für Sie das wahre Abenteuer. Viele Regisseure sagen
ja, dass Sie den Dreh nicht mögen, weil da viel Unvorhergesehenes
passiert. Sie sagen, der Film sei dann schon im Kopf fertig
- oder umgekehrt: Er wird sowieso erst im Schneideraum fertig.
Nein. Früher habe ich das auch gesagt. Es kann sehr
enttäuschend und erschöpfend sein. Man hat etwas
im Sinn, und schafft es nicht. Muss dann tricksen, vortäuschen
und lügen. Weiterhin ist das Drehen wenig angenehm, besonders,
wenn die Logistik aufwendig ist - manchmal muss sie das eben
sein, weil die Geschichte das erfordert. Und wenn man eine
Menge Szenen pro Tag drehen muss - weil das Drehbuch lang
ist und kompliziert -, wird alles weniger lustig. Da gibt
es dann einen Druck, den man eigentlich nicht haben möchte.
Also: Je einfacher ein Film ist, umso mehr Vergnügen
macht es, ihn zu drehen. Ein Film wie IN THIS WORLD, mit dem
ich die Berlinale gewonnen habe: Wir sind damals nur zu zehnt,
mit ganz kleinem Team also, durch die Wüste gefahren.
Das hat für sich genommen etwas sehr Interessantes, selbst,
wenn man nicht sicher ist, wie der Film wird. Aber es ist
schon spannend, an diesem Ort zu sein, die Verhältnisse
kennenzulernen, etwas Ungewöhnliches zu erleben. In ganz
anderer Weise, aber im Prinzip ganz ähnlich, verhielt
es sich mit 9 SONGS.
Wie haben Sie die Schauspieler vorbereitet? Wie haben Sie
ihnen erklärt, was Sie vorhaben und von ihnen erwarten?
Zuerst musste man Vertrauen schaffen - so ehrlich wie möglich.
Es waren private, freundschaftliche Gespräche, beide
hatten dieselben Fragen und Gedanken: Wie man sich fühlen
würde, wenn man beim Sex aufgenommen wird, wenn der Film
rauskommt. Ich wollte eines von Anfang an so klar wie möglich
machen: Der Ausgangspunkt dieses Film sind zwei Leute, die
wirklich Liebe machen.
Danach ging es darum, Sicherheit und eine relaxte Atmosphäre
zu schaffen. In der ersten Woche haben wir dann relativ unverfängliche
Sachen gedreht: am Strand und solche Dinge. Ein Konzert. Dann
Sex. Dann eine Woche Pause. Es ging darum, einen Arbeitsrhythmus
zu schaffen. Und es war wie immer bei der Arbeit: Es gab gute
Tage und schlechte Tage. Wie es auch in zwischenmenschlichen
Beziehungen der Fall ist.
Wie viel Material haben Sie aufgenommen?
Vielleicht 30 Tage, etwa 100 Stunden. Der Schnitt war angenehm.
Wir waren in der Lage, uns treiben zu lassen, und eine Atmosphäre
zu kreieren. Es war kein Alptraum - mit Unmengen an Material,
sodass wir nicht mehr wussten, was wir damit anfangen sollten.
Hatten Sie Angst vor der Zensur? In England ist sie ja vergleichsweise
streng - man weiß, dass Kubricks CLOCKWORK ORANGE
lange verboten war, dass David Cronenberg mit CRASH massive
Probleme bekam
Vorher haben mich viele gewarnt: Das kann man nicht im Kino
zeigen. Aber genau um diese Frage ging es: warum eigentlich
nicht? Was darf man nicht zeigen? Ich bin überzeugt,
dass man im Prinzip alles zeigen kann und darf - entscheidend
ist das "Wie". Wie zeigt man die Dinge? Wir haben
uns in gewissem Sinn gar nicht um die Zensur gekümmert
- wenn man das dauernd im Kopf hat, braucht man gar keinen
Film zu machen. Wir wollten einfach beim Drehen so direkt
und offen und aufrichtig wie möglich sein.
Als wir fertig waren, haben wir den Film in Cannes auf dem
Markt gezeigt, um eine Reaktion zu erhalten. Der Schlüssel
war der: Behauptung und Täuschung funktioniert nicht.
Die Zuschauer spüren das "Gemachte".
Am Ende war die Reaktion der Zensurbehörde sehr interessant:
Die Zensoren waren regelrecht froh über den Film. Sie
haben ihn ohne Korrekturen zugelassen, denn sie konnten anhand
dieses Films belegen, dass sie nicht dagegen haben, dass Sex
im Kino stattfindet - sondern, dass auch sie sich um das "Wie?"
kümmern. Sie konnten Ja sagen, um zu demonstrieren, dass
sie liberal sind, dass sie nur Ausbeutung und Gewalt und Amoral
zensieren.
Da ich so ziemlich alle Ihre Filme - selbst die frühen
TV-Sachen - kenne, frage ich mich seit zwei Jahren: Warum
hat ausgerechnet IN THIS WORLD so einen weltweiten Erfolg
gehabt? [Winterbottom lacht] Zum Beispiel finde ich I WANT
YOU und BUTTERFLY KISS, und WONDERLAND offen gesagt viel
besser. Auch THE CLAIM war damals einer der besten Filme
im Wettbewerb. Trotzdem haben sie mit diesen Filmen nie
einen Preis in einem A-Festival gewonnen. Warum IN THIS
WORLD? Klar könnte man antworten: Wegen der politischen
Message. Aber das bedeutete ja: Die Filmwelt schätzt
Ihren Stil nicht genug, versteht bis jetzt vielleicht nicht
wirklich, was sie tun
Ich weiß nicht. Es ist sicher komplizierter, als das.
Es gilt für alle meine Filme und denke ich für jeden,
der Filme macht, dass man am Ende einige Leute kennt, die
einen Film mögen, und einige, die ihn nicht mögen.
Die Proportionen mögen schwanken. Aber im Prinzip hört
man Gutes und Schlechtes. Auch von den Kritikern. Und manche
finden alle Filme gut und plötzlich einen bestimmten
schlecht. Oder umgekehrt.
Ich denke ganz ehrlich gesagt, dass man sich darum gar nicht
kümmern darf. Selbst wenn man sagt: Jetzt mache ich mal
etwas, was allen gefällt - was ich nicht sagen würde-,
klappt das dann doch nicht. Wenn man einen Film machen will,
dann sollte man ihn machen. Am Anfang weiß man nie,
was ein Film am Ende sein wird. Und ich bevorzuge solche unsicheren
Projekte gegenüber den anderen.
Das macht mehr Spaß.
Man kann Popularität nicht planen - da gebe ich Ihnen
Recht. Aber meine Frage richtete sich mehr auf etwas anderes:
Wie denken Sie, werden Sie von anderen gesehen? Wie erklären
Sie den breiten Erfolg von IN THIS WORLD und den geringeren
Erfolg, den dann dessen unmittelbarer Nachfolger CODE 46
- für mich der weitaus bessere Film - hatte?
Wenn Sie nach diesem speziellen Beispiel fragen: Da läuft
es am Ende darauf hinaus, dass die Leute die Hauptfigur Jamal
mochten. Und das sie offenbar Tim Robbins und Samantha Morton
in CODE 46 weniger mochten.
Solche Dinge sind ganz schwer vorherzusehen. Und überhaupt
egal: Man will auch nicht immer einen Film nur deswegen machen,
weil die Charaktere sympathisch sind. Das ist nicht das, was
man als Regisseur zu machen versucht.
Warum ein Film funktioniert oder nicht, das sind oft ganz
einfache Dinge. Manchmal trifft etwas die Menschen ins Herz.
Und manchmal nicht.
Der politische Kontext der Flüchtlings-Geschichte macht
übrigens meiner Meinung nach nicht den Erfolg von IN
THIS WORLD aus. Er hätte genauso gut dazu führen
können, dass man den Film gerade nicht mag. Wir hatten
Glück.
Wenn man alle Ihre Filme sieht, kann man sagen: Sie probieren
sehr viele verschiedene Genres aus. Steckt da ein tieferer
Plan dahinter? Wollen Sie nicht festgelegt werden? Oder
wie Kubrick in jedem Genre einen Film drehen? Oder ist das
mehr Zufall?
Es ist mehr Zufall. Grundsätzlich interessiert mich
etwas Neues mehr, als etwas, was ich schon kenne. Gerade wenn
ich etwas fertiggestellt habe, möchte ich nicht unmittelbar
darauf das Gleiche wieder tun. Das reizt mich nicht. Also
selbst wenn wir jetzt nach CODE 46 die Idee zu einem zweiten
Science-Fiction hätten, würde ich immer als erstes
fragen: Warum können wir das nicht in der Gegenwart spielen
lassen? Eben weil ich das gerade gemacht habe. Und weil Science-Fiction
technisch besonders schwierig sind. Man muss auf viele Fragen
Rücksicht nehmen.
So ähnlich ist das auch mit Kostümfilmen. Ich würde
immer bevorzugen, keine Kostümfilme zu drehen - wenn
es sich vermeiden lässt. Wenn es aber so sein muss -
ich habe das ja in JUDE und in THE CLAIM zweimal gemacht,
weil es dort ganz offensichtlich so sein musste -, dann mache
ich das gern.
Ich denke, ich fühle mich ganz instinktiv von Dingen
mehr angezogen, die ich noch nicht ausprobiert habe. Aber
es gibt da keinerlei Strategie. Sodaß ich jetzt unbedingt
einen Kriegsfilm drehen möchte, und mich dann auf die
Suche nach einer Geschichte mache.
Es ist immer so, dass ich zwei, drei Ideen im Kopf habe. Sie
arbeiten in mir, und einige verwerfe ich, aus anderen wird
ein Film. Das andere ist: Auch wenn meine Filme offensichtlich
eine Verbindung zu Genres haben, gehorchen sie den Regeln
der Genres keineswegs streng. Es sind letztlich überhaupt
keine echten Genrefilme.
Sie haben immer viel zeitgenössischen Bezug. Und auch
wenn ich Western oder Science-Fiction gedreht habe, sind alle
meine Filme nicht so unterschiedlich: Es geht um eine Gruppe
von Charakteren, und um ihre Beziehungen miteinander, untereinander.
Klar. Natürlich gibt es Themen, die sich durch alle
Ihre Filme ziehen
Man könnte also sagen: Es ist
eher so, dass Sie zu neugierig sind, um immer das Gleiche
zu machen, und nicht zu sehr gelangweilt?
Ja, ich denke, die meisten Regisseure haben ja eine bestimmte
Spannbreite, innerhalb derer sie sich in ihrer Arbeit bewegen.
Ich verstehe schon, was daran gut ist. Aber das macht mich
verrückt - die Vorstellung immer da Gleiche zu tun.
Schauen Sie Woody Allen an: Ich liebe Woody-Allen-Filme. Aber
ich denke, es muss doch alles so vertraut sein, es muss doch
ungemein hart sein, immer nur eine Variante des gleichen Themas
zu drehen. So oft!
Oder auch Ken Loach: Ken Loach hat einige großartige
Filme gemacht - keine Frage. Aber man hat fast den Eindruck,
als fühlte er sich verpflichtet: Ich bin Ken Loach, deshalb
muss ich immer nur Ken-Loach-Filme drehen. Da muss es doch
irgendeinen Teil in ihm geben, der wünscht, einmal etwas
ganz anderes zu machen. Aber offenbar tut er das nicht, weil
er offenbar denkt: Das ist nicht, was ich tue.
Noch einmal zurück zu Ihren neuesten Filmen: Zu 9 SONGS:
Warum ist der eigentlich so kurz?
Winterbottom: Ich denke, Liebesgeschichten müssen kurz
sein. Oft tendieren Filme dazu, auszuschweifen, und die Konzentration
auf ihre Hauptsache zu verlieren. Warum muss ein Film verdammt
noch mal 90 Minuten lang sein.
Das ist der eine Grund. der Film handelt von der Atmosphäre
des Verliebtseins, "the mood of beeing in love".
Das muss ein gewisses Tempo haben, um effektiv zu sein.
Die zweite Frage bezieht sich auf CODE 46: Hat der Titel
irgendetwas mit Wong Kar-wais neuem Film 2046 zu tun? Sie
haben auch in China gedreht, und wissen sicher, dass "46"
dort ein Codebegriff der Opposition ist: es steht für
den 4. Juni (1989), an dem das Tian-an-men-Massaker stattfand
Offen gesagt kannte ich den Titel von Wong Kar-wais Film
damals noch nicht. Es gibt zwar gewisse Ähnlichkeiten
zwischen den Filmen
die Liebe zweier Menschen, in der Zukunft, das Vergessen
und Erinnern
Ich liebe Wong Kar-wais Filme. Politisch geht es natürlich
um Unterdrückung, klar. Aber nicht unmittelbar bezogen
auf China. Es gibt einen Zusammenhang des Titels mit der Gentechnologie:
46 Chromosomen hat der Mensch. Und das letzte definiert das
Geschlecht.
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