10.12.1998

»Ironie ist das Heroin, das ich deale«

John Waters
Er ist es wirklich!!!! – John Waters

Ein Gespräch mit John Waters über Pecker

Der König des schlechten Geschmacks, der Papst des Trash – noch immer ist John Waters weithin bekannt als das enfant terrible des ameri­ka­ni­schen Kinos. Und wer Pink Flamingos gesehen hat, weiß, daß er sich diesen Ruf redlich verdient hat. Seit zehn Jahren hat sich Waters aber mit Filmen wie Hairspray, Cry-Baby und Serial Mom auch die Herzen des Main­stream-Publikums erobert.

Nach vier Jahren Pause meldet er sich nun mit seinem neuen, wunder­schönen Film Pecker zurück. Thomas Willmann hat ihn inter­viewt.

artechock: Pecker wirkt fast so wie eine Summe Ihrer bishe­rigen Arbeit. War das beab­sich­tigt?

John Waters: Nicht wirklich beab­sich­tigt; ich setze mich einfach immer nur hin und versuche, den nächsten Film zu machen. Aber Sie haben in gewisser Weise Recht. Er hat manches der weirdness meiner älteren Filme, aber er ist auch ein sehr fröh­li­cher Film – was, wenn man zurück­blickt, auf ihre eigene Weise alle von ihnen sind. Ich mache immer Satiren über Dinge, die ich sehr, sehr gerne mag.
Aber von seinem Ton her ist es viel­leicht der erste meiner Filme, der nicht ironisch ist – weil so viel Kultur auf Ironie basiert. Pecker macht Fotos ohne Ironie, und das ist es, was sie gut macht. Aber das Problem ist, daß sie für ihre Ironie gefeiert werden – die gar nie da war, was den Motiven dieser Fotos Kummer bereitet.

Ich habe mich immer schon gefragt: Bei Diane Arbus berühmter Aufnahme des Kinds mit der Hand­gra­nate zum Beispiel – hat er dieses Foto bei sich zu Hause hängen, jetzt, wo er ein sech­zig­jäh­riger, alter Mann ist und er sieht, daß manche dieser Abzüge für $70.000 gehandelt werden? Was denkt er? Niemand hat darüber je einen Artikel geschrieben. Das war es, was mich auf die Idee zu Pecker brachte – ich las diese Kunst­kritik in Newsweek über all diese „New Photo­graphy“, und da hieß es: »Wenn Sie jemals einen dieser Foto­grafen auf sich zukommen sehen, um von Ihnen ein Bild aufzu­nehmen – rennen Sie um Ihr Leben, denn Sie werden nicht gut aussehen!« (lacht)

Und ich hatte noch nie auf diese Weise darüber nach­ge­dacht. Ich bin schuldig! Ich kaufe diese Art von Kunst, ich habe sie bei mir in meinem Haus hängen. Ich liebe die Kunstwelt. Mich stört ihr Elita­rismus nicht – Leute sagen, sie wäre so präten­tiös (preten­tious)- nun, soll Kunst nicht immer vorgeben (pretend) etwas zu seien, was sie nicht ist? Das ist der ganze Punkt!

artechock: In Pecker ruft am Ende ja einer der Charak­tere ganz explizit das Ende der Ironie aus. Ist das etwas, was Sie sich wünschen?

Waters: Nun, ich hätte Angst, wenn sie enden würde, denn das ist das Heroin, daß ich deale. Aber dieser Film ist nicht wirklich ironisch. Es ist der erste, der es nicht ist. Trotzdem ist es ein ironi­scher Witz zu sagen »The end of irony – Das Ende der Ironie«, weil als die Filmfigur das sagt da der Penis eines Go-Go-Tänzers direkt neben seinem Kopf ist, also ist es in dem Film eine ironische Einstel­lung.
Wenn die Ironie tot wäre, hätte ich wahr­schein­lich keinen Job mehr. Also bin ich nicht wirklich dafür. Aber auf eine gewiße Weise bin ich ihrer über­drüßig und müde, weil jedes bißchen Kultur inzwi­schen auf Ironie basiert. Selbst der Nr.1 Rap-Song in Amerika ist jetzt diese Ding namens »It’s A Hard Knock Life«, und es ist Gangsta-Rap mit diesem Chorus von weißen Mädchen (singt hoch und mädchen­haft) »It’s a hard knock life«, und das Video zeigt diese harten Schwarzen, die das singen – also überall ist Ironie. Und ich meine – jeder ist hip, jeder kapierts. Auf eine Weise ist es deshalb ermüdend, weil es nicht mehr ist wie früher, wo im Grunde ... lassen Sie mich so sagen: Selbst meine Filme, selbst die trashigsten, sind immer am besten in den reichesten, smar­testen Vierteln gelaufen; je eleganter das Kino, um so besser sind die Filme gelaufen. Wenn wir sie in richtigen exploita­tion-Kinos gespielt haben, liefen sie furchtbar schlecht.
Das wirkliche exploita­tion-Publikum mag Ironie nicht. Sie ist Luxus. Ironie ist Snobismus, sie ist, auf etwas herun­ter­zu­bli­cken. Die wollen keinen Action-Film, der so schlecht ist, daß er gut ist, die wollen einfach einen Action-Film, der gut ist. (lacht)

artechock: Pecker ist wohl nicht nur Ihr erster Film, der nicht wirklich ironisch ist – es scheint mir auch Ihr erster »realis­ti­scher« Film zu sein.

Waters: Serial Mom hat auf eine gewisse Weise im wirk­li­chen Leben gespielt. Er spielte in Suburbia. Aber, ja – ich habe diesmal versucht, alles völlig real zu machen. Es ist real – Sie können mir jede beliebige Klei­nig­keit in Pecker nennen, und ich kann Ihnen sagen, was aus dem wirk­li­chen Leben das inspi­riert hat.

Natürlich sind alle meine Filme so – aber bei diesem ist sogar die Geogra­phie real. Wenn man bei Pecker zur Tür raus geht, dann ist diese Bar recht­erhand, den Hügel hoch, wo man sie sieht. Und fast kein Film ist so. Sie könnten sich den Film anschauen und dann in das Viertel gehen und finden, wo die Wahl­ka­bine ist, indem Sie den Rich­tungen folgen, die die Leute auf der Leinwand nehmen. (lacht) Ich mag das. Als ich den Film geschrieben habe, bin ich in dem Laun­dromat da rumge­hangen, ich bin in die Bar gegangen, und all diese Orte wurden real.

artechock: Wie nah sind die Schau­plätze im Film an ihren Vorbil­dern im wirk­li­chen Leben?

Waters: Nun, der Fast-Food Laden war exakt so; die Schwu­lenbar ist ziemlich nah dran, in echt ist sie nicht so gut (lacht). Neben der Bar ist aber tatsäch­lich direkt ein Gefängnis – und als wir gefilmt haben, schrien die Insassen zu den Fenstern heraus. In der Szene, wo Eddie ankommt und der Boß rauskommt – wenn ich »Action!« sagte, riefen sie alle, »Get off the bus, go in the fag bar, Cut!« (»Raus aus dem Bus, rein in die Homo-Bar, Schnitt!«) (lacht), was mich übrigens wirklich zum Lachen brachte. Aber dann über­lis­tete ich sie, indem ich tail­s­lates machte – man läßt die Aktion ablaufen und schlägt erst am Ende die Klappe, so daß wir drehen konnten, bevor sie zu rufen anfingen.

Die lesbische Strip-Bar war nicht echt, aber ich erinnere mich an eine lesbische Strip­perin; sie kam einfach nackt raus und sah aus wie Johnny Cash, und hatte diese »Fuck you, was glotzt ihr so blöd«-Art. Hete­ro­se­xu­elle Männer haben immer diese Fantasien über Lesben – ich glaube, es ist ihre Top-Fantasie; also ist es für mich nicht undenkbar, daß eine Lesbe für sie strippen und sie gleich­zeitig beschimpfen könnte – ich glaube das hätte Erfolg, ich glaube, manche Männer würden das mögen. Als wir das Set eröffnet haben – am ersten Tag, innerhalb einer Stunde – hatte man den lokalen Kongreß­ab­ge­ord­neten angerufen, Kinder versuchten, durch die Fenster zu gucken, und Männer wollten bezahlen, um rein­zu­kommen. Sie dachten, es wäre echt. Denn Schamhaar verur­sacht Verbre­chen. (lacht)

artechock: Ihre Heimat­stadt Baltimore spielt, wie immer in Ihren Filmen, in Pecker eine wichtige Rolle.

Waters: Niemand hatte je in diesem Viertel einen Film gemacht, es war filmisch gesehen noch Jungfrau. Baltimore ist einfach ein Charakter in meinen Filmen. Im Abspann am Ende sollte es heißen: »Baltimore spielt sich selbst«. (lacht) Weil es einer der Charak­tere ist.

Eigent­lich ist es nur, weil ich gerne daheim bleibe, wenn ich einen Film mache. Es ist so schwer, einen Film zu machen, ich komme da gerne in mein eigenes Haus heim. Ich hatte Hotels genug. Ich mag die Leute, die hinter der Kamera arbeiten; sehr gerne mag ich, wie die Statisten aussehen in Baltimore. Sie sehen fett aus, wie es die Leute in Baltimore eben sind. In Hollywood sehen die Statisten aus wie geschei­terte Schau­spieler, sie sehen nicht wie richtige Menschen aus, sie sehen aus wie die Leute, die die richtigen Rollen in dem Film nicht bekommen haben. (lacht) Ich mag es wirk­lich­keits­näher. Und ich glaube, Statisten sind ein riesiger Teil meiner Filme; ich glaube es gibt so etwas wie einen „Statisten“ gar nicht – sie sind Teil der Schat­tie­rung, des gesamten Gefühls des Films und machen ihn echt.

artechock: Daß Sie ihre Filme in Baltimore machen beweist auch, daß Sie prak­ti­zieren, was Sie in Pecker predigen: Sich in seinem Metier unab­hängig des Zentrums der Kunst­szene zu etablieren. Aber es hat auch lange gedauert seit Ihrem letzten Film, bis Sie diesen drehen konnten. Wird es schwie­riger, sich auf diese Weise zu behaupten?

Waters: Ich denke, es wird einfacher, zumindest überall einen Film machen zu können. Früher konnte man nirgends einen Film machen außer in New York oder L.A. Es gibt sogar einen Country-Song namens »Too Ugly For L.A., Too Stupid For New York«, der ist sehr lustig. (lacht) Jetzt kann man es überall machen. Wenn ich in eines dieser Colleges komme, gibt es überall coole Leute – ob in Nebraska oder in Manhattan, sie haben ein Piercing in der Nase, grüne Haare und sitzen in der ersten Reihe, wann immer ich da hin komme. Es ist das selbe, überall auf der Welt – was in vieler Hinsicht gut ist. In jeder Stadt, in der man lebt, kann man ihre Unter­seite finden und einen Film darüber machen, wenn man es mag. Keine Stadt muß mehr einen Minder­wer­tig­keits­kom­plex haben.

Ist es schwie­riger für mich, Budgets für Filme zu bekommen? Es ist immer noch schwierig, aber nicht unmöglich. Ich habe nirgends ein Heim – kein Verleiher sagt: komm, mach alle Deine Film – wie bei Woody Allen. Er hat die beste Karriere der Welt – er macht einfach den nächsten Film. Aber irgendwie kriege ich es zusammen und... Pecker hat das weder zum Besseren, noch zum Schlech­teren hin verändert, es ist gleich geblieben.

Aber meine Filme laufen hoffent­lich eini­ger­maßen gut, rund um die Welt, was genug ist, um sie gemacht zu bekommen – aber nicht genug, um Produ­zenten ganz wild darauf sein zu lassen, sie zu machen. Denn sie wollen alle $80 Mio. einnehmen. Insgeheim hoffen sie, daß alle dieses Jahr mit Teabag­ging anfangen (Wer wissen will, was »Teabag­ging« ist, möge sich Pecker anschauen) – und ich meine: Nein, das werden sie nicht. Aber man muß so tun als ob man daran glauben würde. Und dann glauben die Produ­zenten es. Man kann nicht sagen: »Nein, das werden die Leute nicht tun,« sonst geben sie einem das Geld nicht. (lacht)

artechock: Eine weitere konstante in Ihren Filmen ist Ihr stark durch­schei­nender Katho­li­zismus. Warum sind eigent­lich Regis­seure, die für das Brechen von Tabus und „scho­ckie­rende“ Filme berühmt sind, fast immer Katho­liken?

Waters: Weil für Katho­liken Sex immer so gut sein wird, weil er immer schmutzig sein wird. Weil wir immer beigebracht bekommen, daß man gar nichts tun darf, also ist selbst­ver­s­tänd­lich jeder ganz besonders begierig darauf, alles zu machen.

Mir wurde, als ich wirklich jung war, von diesen Nonnen gesagt, daß ich in die Hölle kommen würde, wenn ich gewisse Filme anschauen würde. Ich hatte natürlich nie von diesen Filmen gehört – wie wäre ich dazu gekommen, mit sieben in Sachen wie The Naked Night zu gehen – was waren das für Filme? Ich hätte nie von ihnen gewußt, wenn sie mir nicht davon erzählt hätten. Und dann stellte ich mir vor, daß ich ein Kino für schmut­zige Filme besaß und entwarf die Anzei­gen­kam­pa­gnen neu, um in meiner katho­li­schen Gemeinde noch mehr Empörung hervor­zu­rufen. – So habe ich als Kind gespielt. Ich erzählte es niemandem – keinem meiner Freunde. Und ich wurde nie dabei erwischt – niemand sah je diese Filme. Aber das war, wie ich mich als Kind selbst amüsiert habe. Also, das, glaube ich, ist dieses catholic thing, ist was Katho­liken ausmacht.
Das ist der Unter­schied: Als Katholik wird man schlecht geboren – wenn man geboren wird, ist man schlecht. Als Jude wird man als der Beste geboren – und beides erzeugt Schwie­rig­keiten. (lacht) Beides erzeugt Schuld­ge­fühle und Scham. Sie sind verschieden – aber bei beidem hat man, wenn man erwachsen ist, eines von beidem.

artechock: Obwohl Sie allgemein als Tabu­bre­cher und Subver­siver angesehen werden, ist Pecker eines der über­zeu­gendsten Plädoyers für den American Dream, das das ameri­ka­ni­sche Kino in den letzten Jahren hervor­ge­bracht hat. Glauben Sie an den Ameri­ka­ni­schen Traum?

Waters: Kann der American Dream funk­tio­nieren? Ja, klar kann er funk­tio­nieren. Ich bin das perfekte Beispiel. Ich war einfach nur irgendein Kind, das in Baltimore ange­fangen hat und es dazu gebracht hat, Filme zu machen, die rund um die Welt gezeigt werden. Und selbst wenn Leute sie hassen – sie werden rund um die Welt gezeigt. Also, ich glaube an den American Dream.

Ich denke aber, daß es wirklich hilft, wenn einem die Eltern beibringen, daran zu glauben, daß man es schaffen kann. Ich glaube oft tut die Schule das Gegenteil... Alle Schulen haben mir gesagt, daß ich keinen Erfolg haben könne – sie töteten meinen Traum. Sie sagten immer: »Du kannst keine Filme machen. Mache etwas anderes!«, oder besonders »Du kannst diese Filme nicht machen!« Die Schule wollte mich bei meinen Inter­essen total entmu­tigen. Manche Leute sollten nicht auf die Schule gehen. Die meisten sollten es, aber es gibt einige...

Ich war so rebel­lisch, daß keine Schule mich wirklich hätte erreichen können. Ich lernte, wie man diese Filme macht, indem ich sie gemacht habe. Und wenn ich heute auf sie zurück schaue, sind sie technisch furchtbar. Aber ich lernte von ihnen, und ich lernte davon, meine Sachen selbst zu vertreiben, und ich lernte davon, daß ich mich selbst darum bemühen mußte, sie aufge­führt zu bekommen – viel mehr, als ich von der Schule hätte lernen können. Aber ich bin nicht gegen Film­schule. Es war eine andere Zeit – damals hätten sie mir in der Film­schule nie erlaubt, diese Filme zu machen.

artechock: Wie ist Pecker denn in den USA ange­kommen?

Waters: In den Städten sehr gut. Ich würde sagen, alle meine Filme laufen immer dort am besten, wo Wasser ist. (lacht) Städte, wo kein Wasser ist... je weiter weg man vom Wasser kommt, je schlechter laufen sie. Von der pres­ti­ge­träch­tigen Presse erhielt ich viel­leicht einige meiner besten Kritiken, und von ein paar wenigen die schlech­testen Kritiken, die ich je bekam, und die waren alle über Pink Flamingos. Sie wissen schon – die möchten, daß ich immer wieder sowas mache. Das ist in Ordnung – das ist meine Konkur­renz, meine reiße­ri­sche Vergan­gen­heit. Aber das ist okay, wenigsten habe ich die.

artechock: Der Film ist auch ein sehr starkes Plädoyer für eine Art demo­kra­ti­sche Kunst. Halten Sie so eine Auffas­sung für durch­setzbar?

Waters: Nun, ich denke, daß es sicher sehr idea­lis­tisch ist. Ich bezweifle, daß die Kunstwelt sich umdreht und wie in Pecker auf Tausch­handel für gratis Geburts­tags­ku­chen eingeht. Aber auf eine gewiße Weise wäre es großartig, wenn sie das könnte. Ich wollte das mit Pecker irgendwie zeigen – und diesen Ruhm in etwas Gutes für Pecker und seine Freunde und Familie wenden, anstatt etwas Negatives. Aber ich bin ein Control-Freak, versessen auf Kontrolle – im Grunde sind alle Regis­seure Control-Freaks – also war es für mich schön, daß Peckers Ruhm gut für ihn war. Am Ende freilich, wenn es eine Fort­set­zung geben würde und Pecker sich entschließt, einen Film zu machen, würde er nach Hollywood kommen und ein Drogen­ab­hän­giger werden. Und dann würde ich ihn geheilt werden lassen. (lacht)

Aber im Grunde war dieses Ende ein Witz, weil so viele der berühmten Künstler in Amerika sich entschlossen haben, Filme zu machen; wie Cindy Sherman – die in Pecker dabei ist – was sehr lieb von ihr war, sie hat sehr viel Sinn für Humor. Ich mochte ihren Film. Ist der hier gelaufen? Er heißt Office Killer! Er ist gut, er macht Spaß.

artechock: Haben Sie eigent­lich Peckers Foto­gra­fien noch? Wollen Sie damit viel­leicht mal eine Ausstel­lung machen?

Waters: Die Bilder habe ich tatsäch­lich. Sie sind alle noch im Rahmen, sie sind in meinem Speicher. Sie kommen in mein Film­ar­chiv. Wir hatten jemand, der hatte nur die Aufgabe, Peckers Bilder aufzu­nehmen. Sie haben sie auf dem letzten Proben-Durchgang vor dem ersten Take gemacht. Das war der einzige Zeitpunkt, wo sie sie kriegen konnten – denn wir hatten die Drehorte nicht im voraus zur Verfügung, also konnte man sie nicht im voraus aufnehmen, weil die Szene nicht kadriert war. Und das Publikum weiß ungefähr, wie die Bilder aussehen würden. Es war sehr kompli­ziert – besonders für den Drehplan des Films.
Ich bezweifle, daß ich eine Ausstel­lung mit den Bildern mache. Wir haben darüber geredet, und wir hätten es »Pecker’s Artshow« genannt. Ich weiß nicht, was ich mit den Fotos machen werde. Ich glaube es ist besser, sie nur im Film zu haben.

artechock: Würden Sie zustimmen, daß Pecker unter Ihren Filmen bisher derjenige ist, der Ihre Philo­so­phie am direk­testen zum Ausdruck bringt?

Waters: Ich glaube in mancher Hinsicht... – ich meine, ich kann zurück­bli­cken und meine Philo­so­phie in allen von ihnen entdecken – wenn ich denn eine Philo­so­phie habe: Ich versuche ganz gewiß nicht, eine große Agenda durch­zu­setzen. – Aber wenn Pecker in der Wahl­ka­bine ist und Shelly sagt: »Öffne einfach Deine Augen! Kunst ist überall!« »Dieser Schmutz­fleck ist Kunst?« »Ja, das ist er, wenn Du einfach nur hinguckst!« – Ich glaube daran; ich glaube das. Wenn Pecker durch die Kamera schaut und sagt: »Hierdurch schaut immer alles gut aus,« – mmhmja, kann es. Aber auch in Pink Flamingos, wenn sie sagt »Filth is my politics, filth is my life. – Dreck ist meine Politik, Dreck ist mein Leben« – das war meine Theorie. Filth bedeutete für mich nur Anti-Political Correct­ness. Es war eigent­lich ein für Hippies gemachter Punk-Film, bevor es so etwas wie Punk gab. In Female Trouble ging es um Ruhm, wie Leute daran glauben, daß das ein Allheil­mittel ist, selbst wenn sie für schlechte Dinge berühmt sind. Und das wurde später Wahrheit – es war als Witz gemacht, aber in Amerika heute... da gibt es mengen­weise solche Leute.

Die Philo­so­phie war also immer da. Generell ist es ein sehr fröh­li­cher Film – ich habe nicht viel, worüber ich sauer sein könnte. Ich hatte eine sehr schöne Karriere, ich mache das seit 35 Jahren, während das Kino selbst erst 100 Jahre alt ist... (lacht) Also konnte ich ein minor bad influence, ein kleiner schlechter Einfluß sein für fast ein Drittel des Kinos – was wirklich ziemlich lustig ist, wenn man darüber nachdenkt. (lacht)