Für seine Spielfilme wurde der Münchner Filmemacher Peter
Schamoni (geboren 1934) mehrfach preisgekrönt. Für seine
Dokumentation über den Maler Friedensreich Hundertwasser wurde der
Mitverfasser des Oberhausener Manifests 1963 für den Oscar
nominiert. In den letzten Jahren drehte der aus einer Berliner
Filmemacher- und Schauspielerfamilie stammende Regisseur vor allem
Künstlerbiographien. Über seinen neuesten Film MAJESTÄT BRAUCHEN SONNE
sprach mit ihm Rüdiger
Suchsland.
Artechock: Was ist für Sie an einer
Figur wie Kaiser Wilhelm II. interessant?
Schamoni: Immerhin trägt die Epoche des Wilhelminismus
seinen Namen. Er ist Repräsentant und Symbol seiner Zeit, im Guten
wie im Schlechten, aber nicht die absolute Negativfigur, als der er
mitunter erscheint. Und er war der erste deutsche Filmstar! Seine
Geschichte ist auch eine Frühgeschichte des deutschen Films. Das
alles ist mir aber erst mit der Zeit klar geworden. Ursprünglich
hatte ich etwas ganz anderes vor: einen Film über die Kunst des
Kaiserreichs. Dieser Plan wurde ausgelöst durch
Kindheitserinnerungen an die Berliner Siegesallee im Tiergarten,
mit ihren Marmorstatuen großer Könige. Das war ein persönliches
Projekt Wilhelms.
Wie wurde daraus MAJESTÄT BRAUCHEN SONNE?
Durch Archivbesuche. Ich merkte, wie interessant die alten Filme
sind. Besonders in den niederländischen Archiven - Wilhelm ging ja
dorthin nach 1918 ins Exil - schlummern noch viele Schätze:
Privataufnahmen aus dem Besitz Wilhelms, die hier keiner kennt.
In welchem Zustand sind diese Aufnahmen?
Oft miserabel! Das fällt alles beim Anfassen auseinander.
Außerdem gibt es die alten Projektoren kaum noch. Wir mussten also
alles restaurieren. Aber es hat sich gelohnt. Den letzten Anstoß zu
dem Film gab allerdings die Biograpghie Wilhelms von Nicolaus
Sombart. Mir hat dessen Ansatz sehr gut gefallen, Wilhelm als
typische, nicht atypische Figur seiner Zeit zu interpretieren. Man
muss Wilhelm II. in eine Reihe mit Wagner, Nietzsche, Richard
Strauß stellen.
Warum das?
Wilhelm II. war ein Mensch, der vieles vereinte. Zusammengefasst
eine Sehnsucht nach Rückwärts, wie Nietzsche, der sich in die
Antike zurückträumte. Zugleich eine Offenheit für die Moderne, für
die neuen Medien seiner Zeit, für Verkehrswege, Kommunikation,
Industrialisierung. Wilhelm II. war auch sozial sehr engagiert,
wollte sich als "Kaiser der Armen" verstanden wissen.
Das war früher. Was können wir heute mit ihm
anfangen?
Von heute aus betrachtet ist Wilhelm II. zwar interessant als
Zeitfigur, aber auch eine Art Alien. Ein absoluter Fremder, der auf
uns kurios und sehr befremdend wirkt. Insofern habe ich, könnte man
sagen, einen Science-Fiction-Film gedreht.
Manche Bilder wirken unfreiwillig komisch,
etwa, wenn der Kaiser per Leiter aufs Pferd steigt. Wie hat man
dies damals wahrgenommen?
Das erschien auch Zeitgenossen schon lächerlich. Wobei der Kaiser
ja aufgrund seiner Körperbehinderung - er hatte einen gelähmten
linken Arm - die Leiter brauchte. Besonders Reiten ist ihm immer
schwer gefallen, und er hat, soviel ich weiß, nach 1918 nie wieder
ein Pferd bestiegen.
In Ihrem Film scheint Wilhelm am Ausbruch des
Ersten Weltkriegs völlig unschuldig zu sein. Kann man das wirklich
so sagen?
Allerdings. Das muss man so sagen. Er war im Sommer 1914 auf
Nordlandreise, und wurde von seinem Kanzler Bethmann-Hollweg (der
sich übrigens in den entscheidenden Tagen krank meldete) eigens
gebeten, diese nicht abzubrechen, um keine zusätzliche Unruhe zu
erzeugen. Im Sommer 1914 war die Entwicklung zum Krieg ganz in der
Hand von Beamten und Militärs. Der Kaiser dagegen war auf Frieden
aus, ein persönliches Telegramm an den Zaren wurde abgefangen, so
nahm die Entwicklung ihren Lauf. Aber das ist nicht Thema meines
Films.
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