04.02.1999

In Irland fühle ich mich nach wie vor zu Hause

Meryl Streep auf einem Fahrrad
Meryl Streep in Tanz in die Freiheit

Ein Interview mit Pat O’Connor, dem Regisseur von Tanz in die Freiheit (Dancing at Lughnasa)

Pat O’Connor ist ein Kosmo­polit. Alle paar Jahre lebt der irische Regisseur an einem anderen Ort, derzeit wohnt er mit seiner Familie in London. Seit Jahren dreht O’Connor abwech­selnd große Hollywood-Filme und kleinere europäi­sche Produk­tionen. Seit neuester Film, Tanz in die Freiheit, in dem Meryll Streep die Haupt­rolle spielt, kommt nächste Woche in die deutschen Kinos.
Anläßlich der deutschen Premiere des Films war O’Connor in München, wo Rüdiger Suchsland mit ihm sprach.

artechock: Warum haben Sie Tanz in die Freiheit gedreht?

Pat O’Connor: Der Film schildert eine sehr typisch irische Story über Armut und Emigra­tion. Bis in die 60er Jahre hinein gab es eine große Emigra­ti­ons­be­we­gung in Irland. Daß es zugleich eine Frau­en­ge­schichte ist, mit 5 Haupt­dar­stel­le­rinnen, hat mir nichts ausge­macht. Ich finde es sehr inter­es­sant, Geschichten von Frauen zu erzählen. Und zu dieser Zeit hatten es die Frauen ganz bestimmt schwerer.

artechock: Der Wunsch, in die Ferne aufzu­bre­chen, scheint ja geradezu ein Wesenszug der Iren zu sein.

O’Connor: Ja, das stimmt, wobei die Armut diesem Wunsch natürlich ein kräftiges Stück nachhilft.

artechock: Sie selbst haben an vielen verschie­denen Orten gelebt. Wo fühlen Sie sich zu Hause?

O’Connor: In Irland fühle ich mich nach wie vor sehr zu Hause. Und London ist wahn­sinnig bequem. Ich lebe dort in einem Multi-Kulti-Viertel. In den USA gefällt mir San Francisco mit Abstand am besten; mehr als New York, dort sind mir die Leute zu arrogant.

artechock: Und wo fühlen Sie sich künst­le­risch daheim? Ist Hollywood eine Gefahr für den europäi­schen Film?

O’Connor: Nun, das Haupt­pro­blem ist, das die Verbrei­tung von Amerika aus kontrol­liert wird. Und so kommen 'zig durch­schnitt­liche Action­filme ins Kino. Das ist natürlich das Gegenteil der Filme, die ich mag: Charak­ter­do­mi­nierte Filme über normale, glaub­wür­dige Leute. Noch vor 10 Jahren war das fran­zö­si­sche, das italie­ni­sche Kino gesünder, als heute. Und zwei­fellos hat auch der deutsche Film heute nicht das Profil, daß er vor 15, 20 Jahren hatte. Und das hat natürlich seinen Grund. Europäi­sche Filme laufen heute meist nur in kleinen Kinos. Und so bekommen sie gar keine Chance beim Publikum. Das müßte sich ändern.

Aber man vergißt oft die hervor­ra­genden unab­hän­gigen Produk­tionen, die es natürlich auch in den USA gibt.