09.04.2015

»Elser hätte die Welt völlig verändert«

Vier Männer auf dem Sofa
Die Beine übereinanderschlagen heißt nicht zwingend: Ruhe

Fred Breinersdorfer, Drehbuchautor und Produzent über seinen Film Elser, die Unterschied zu seinem Film Sophie Scholl und den Abgrund der Möglichkeiten

Fred Brei­ners­dorfer, geb. 6.12.1946, studierte Jura, und arbeitet noch immer als als Rechts­an­walt, ist längst aber ein bekannter Dreh­buch­autor, Schrift­steller und Film­pro­du­zent. Seit den 1980er-Jahren entstanden Krimi­nal­ro­mane, Thea­ter­s­tücke, Hörspiele sowie zahl­reiche Film­dreh­bücher, darunter Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005, Regie: Marc Rothemund). Elser entwi­ckelte und produ­zierte Fred Brei­ners­dorfer mit Oliver Schündler und Boris Ausserer, das Drehbuch verfasste er gemeinsam mit seiner Tochter Léonie-Claire Brei­ners­dorfer.

Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.

artechock: Woher kommt es eigent­lich, dass der Elser in den offi­zi­ellen Geschichten lange Zeit nicht vorkam?

Fred Brei­ners­dorfer: Man braucht für Aner­ken­nung und öffent­liche Wahr­neh­mung Fürspre­cher, und die hatte er nicht. Er war Einzel­kämpfer, hatte keine Gruppe. Und er war Kommunist – was nach dem Krieg auch nicht einfach war. Er hatte deswegen keine Lobby, niemand, der ihn reha­bi­li­tiert. Bis sich jetzt in Heiden­heim ein Arbeits­kreis gebildet hat. Bis Rolf Hochhuth dann ein „Denk­zei­chen“ aufstellen ließ. Er ist in Verges­sen­heit geraten – unter anderem, weil die Diffa­mie­rungen der Nazis inhalt­lich nach Ende des Krieges über Jahr­zehnte fort­ge­setzt worden sind. Maßgeb­lich auch von Martin Niemöller, der ihn diffa­miert hat als einen SS-Mann, der im Auftrag von Himmler die Bombe gelegt hat, um zu beweisen, dass „die Vorsehung“ die Hand über Hitler hält. Was histo­risch absoluter Stuss ist.

artechock: Wie kam Niemöller denn zu so einer Behaup­tung?

Brei­ners­dorfer: Das weiß ich nicht. Da kann ich nur Vermu­tungen anstellen: Niemöller war auch Sonder­häft­ling in Dachau. Er ist Elser wohl nie begegnet. Aber ein Konzen­tra­ti­ons­lage darf man sich nicht als herme­tisch geschlos­senen Block vorstellen, da gab es viele Gerüchte, auch viele Intrigen innerhalb der KZ-Zäune. Und Elser war ein Vorzugs­häft­ling – er hatte zwei Zellen, eine Werkbank, Musik­in­stru­mente. Es kann sein, dass das einfach nur Neid bei den Mithäft­lingen hervor­ge­rufen hat.

artechock: Wie kamen Sie selbst überhaupt zu Elser? Davon abgesehen, dass Sie ein Spezia­list für das Rekon­stru­ieren von histo­ri­schen Fällen aus Aktenlage sind?

Brei­ners­dorfer: Elser ist mir zum ersten Mal im Jura-Studium in Tübingen begegnet im Zusam­men­hang mit der verfas­sungs­recht­li­chen Frage des Wider­stands­rechts. Elser war hier das Beispiel für den modernen Tyran­nen­mörder, der für sich in Anspruch nimmt, den Lauf der Geschichte zu kennen und zu ändern. Das fand ich einer­seits unglaub­lich anmaßend und faszi­nie­rend, auf der anderen Seite sehr inter­es­sant, zu fragen, wie jemand zu so einer Haltung kommt.
Seit 2008 arbeiten wir dran...

artechock: Seit 2008 – das ist ja keine kurze Zeit. Was hat so lange gedauert? Recherche? Finan­zie­rung?

Brei­ners­dorfer: Alles das. Da waren zunächst einmal Recherche-Schwie­rig­keiten: Anders als bei dem bürger­lich-demo­kra­ti­schen Umkreis und den Hinter­blie­benen der „Weißen Rose“ oder der Gruppe um Stauf­fen­berg gab es wenig Dokumente. Es hat sich niemand für Elser inter­es­siert. Es ist ja sogar so, dass sich Angehö­rige dafür schämen, dass dieser Mann zu ihrer Familie gehört, und sich nicht darauf besinnen, was dieser Mann für Deutsch­land geleistet hat und geleistet hätte. Das sind alles große Probleme: Der hat keine Lobby gehabt, niemand, der ihn reha­bi­li­tiert. Bis sich jetzt in Heiden­heim ein Arbeits­kreis gebildet hat. Bis Rolf Hochhuth dann dieses „Denk­zei­chen“ aufge­stellt hat. Das wird jetzt langsam.

Der Mann war Einzel­täter. Und er war Kommunist – was nach dem Krieg auch nicht einfach war. Er ist in Verges­sen­heit geraten und hatte keine Lobby, die ihn da raus­ge­holt hat. Dann passiert das halt.
Also gab es viel weniger Material als im Fall der Sophie Scholl oder der Anne Frank – wo für mich die Heraus­for­de­rung zunächst einmal darin bestand, überhaupt mal den roten Faden der Geschichte zu finden, die ich erzählen will.

Bei Elser war das Haupt­er­gebnis unserer Recher­chen, dass wir ein ganz anderes Bild von ihm bekamen, als das bisher geprägte: Wenn man überhaupt von Elser gespro­chen hat, dann hat man von so einem schwä­bi­schen Wutbürger gespro­chen, der alles in sich rein­ge­fressen hat, bis er irgend­wann eine Bombe baute.
Im Film zeigen wir ein Bild, das eher seinem tatsäch­li­chen Charakter entspricht: Ein frei­heits­lie­bender Mensch, ein Mann, der gut mit Frauen kann, der im Ausland war, der Musiker war, der das Leben geliebt hat.
Zugleich das sich-einkap­seln, dass Schützen der Umwelt – schon richtig faszi­nie­rende Filmfigur, und unge­wöhn­lich für so einen Tyran­nen­mörder.

artechock: Gibt es mögli­cher­weise auch andere, ähnlich bedeu­tende Wider­s­tänd­lier, die wir nicht kennen?

Brei­ners­dorfer: Wir haben in der „Gedenks­tätte Deutscher Wider­stand“ eine große Galerie von Gesich­tern von Wider­s­tänd­lern.
Ein wunder­bares Beispiel ist Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“, dem ja eine tatsäch­liche Geschichte zugrun­de­liegt. Ein ganz einfaches Ehepaar erhält die Nachricht, der Sohn sei „auf dem Feld der Ehre gefallen“. Und dann beginnen sie Post­karten auszu­legen. Sie haben es mit dem Leben bezahlt. Das ist recher­chiertes Wider­stands­leben. Der Geschichte liegen ja Origi­nal­akten der Gestapo zugrunde. Also: Es gibt eine Menge. Wir dürften uns nur nicht der Illusion hingeben, dass der Wider­stand in Deutsch­land auch nur annähernd die Bedeutung hatte, wie in anderen Ländern.

artechock: Das finde ich einen wichtigen Punkt. Der einzige echte Wider­stand auf dem Reichs­ge­biet war an der Grenze zu Slovenien, wo Peter Handke her kommt. In Italien und Spanien, in den besetzten Gebieten Europas sowieso gab es Gruppen, die die ganze Zeit, quasi von den Bergen aus, gegen den Faschismus gekämpft haben. Woran mag es liegen, dass es in Deutsch­land viel weniger Wider­stand gab, als in vergleich­baren Ländern?

Brei­ners­dorfer: Man muss glaube ich die spezi­fi­sche histo­ri­sche Situation des Natio­nal­so­zia­lismus berück­sich­tigen: Die Repa­ra­tionen und der Verlust von Reichs­ge­bieten haben ein Klima geschaffen voller Underdog-Gefühle und der Sehnsucht nach dem Heils­bringer. Ich glaube diese Voraus­set­zungen waren einmalig. Hitler wurde als Heils­bringer gesehen, und Wider­stand gegen diesen Heils­bringer war Verrat.

Es kommt dazu, dass es auch Gewinner dieser Situation gegeben hat. Die Biogra­phie meines Vaters ist typisch dafür. Er war bettelarm, Bäcker, ist zur Polizei, dann zur SS gegangen, er war dann bei der „Leib­stan­darte Adolf Hitler“ – zum Glück nicht in irgend­einem KZ, das habe ich genau nach­ge­prüft. Für den war der Nazismus ein unglaub­li­cher Aufstieg in die Elite der Elite des Reichs zu kommen.

Die Nach­kriegs­zeit hat er als andau­ernde Depres­sion empfunden. Da waren alle anderen schuld, bloß nicht Hitler, dass es ihm schlechter ging. Und gegenüber dem Wider­stand war er richtig aggressiv.
Nach langem Zureden ist er in Sophie Scholl gegangen, dann hast er mich angerufen: Was er denn für Fehler bei der Erziehung gemacht hat, dass sein Sohn einen solchen Film über die Verbre­cher macht. Das war typisch für die frühere deutsche Befind­lich­keit.
Der Nazismus hat sich ja langsam einge­schli­chen. Das zeigen wir im Film. Die Dinge, die Elser gesehen hat, waren alles Dinge, die jeder sehen konnte. Die Nazis haben nichts im Stillen und heimlich gemacht, die haben wahn­sinnig damit angegeben. In Guernica von einem deutschen Bomber­ge­schwader erstmals in der Geschichte unter Bruch des Völker­rechts gegen Zivi­listen gebombt worden.

artechock: Wie fällt der Vergleich zwischen Elser und anderen Wider­s­tänd­lern aus?

Brei­ners­dorfer: Was ich an Elser so schätze: Dass er keinerlei eigen­nüt­zige Motive hatte. Er hat nur und ausschließ­lich das Blut­ver­gießen verhin­dern wollen. Das war sein Thema. Wenn man es vergleicht, ist er der Einzel­kämpfer, der Hand­werker und Prag­ma­tiker, dem es ganz praktisch darum ging: Führung weg!
Der Wider­stand der Weißen Rose war intel­lek­tuell geprägt und völlig gewaltlos. Mit den Mitteln des Wortes gegen ein terro­ris­ti­sches Regime – das konnte eigent­lich nicht gutgehen: Das war eine reine Illusion in so einer verblen­deten Gesell­schaft.

Die Gruppe um Stauf­fen­berg hatte rein mili­täri­sche Ziele. Das waren keine in der Wolle gewa­schenen Demo­kraten. Die wollten einen Sepa­rat­frieden mit dem Westen und dann gemeinsam gegen die Sowjet­union losziehen. Das waren Anti­bol­sche­wisten, die aus mili­täri­schen Über­le­gungen gehandelt haben: Wir können den Krieg nicht mili­tärisch gewinnen; wo steht der eigent­liche Feind: Im Osten. Dem Westen ermög­li­chen wir, uns die Hand zu geben, indem wir Hitler abser­vieren – und dann geht es weiter. Das war kein Frie­dens­plan.
Wenn man fragt, wer wirklich die Welt­ge­schichte geändert hätte, massiv: Das wäre Elser gewesen. Da saß die ganze Bande drumherum: Goebbels, Heydrich, Himmler, es war Ley, es war Frank, die ganze Garde mit Ausnahme von Hermann Göring.

artechock: Wenn Hitler dort gewesen wäre – wäre er sicher gestorben?

Brei­ners­dorfer: Es wären alle gestorben – die ganze Garde mit Ausnahme von Hermann Göring. Wir haben für diesen Film im Stutt­garter „Haus des Doku­men­tar­films“ das Origi­nal­ma­te­rial der Wochen­schau entdeckt.
Da sieht man, was die Wochen­schau nicht gezeigt hat: Die Bude war total kaputt. Selbst in der Wochen­schau sagt der Kommentar: Es lagen drei Meter Schutt auf der Stelle, wo Hitler geredet hat. Die anderen saßen unmit­telbar vor seinem Redner­pult – es war gedrängt voll, es hätte Hunderte von Toten gegeben, und die ganze Gangs­ter­truppe hätte unter Schutt und Asche gelegen. Es hätte wirklich die Welt­ge­schichte geändert.

artechock: Wie würde man heute über Hitler und über Elser reden, wenn das Attentat geglückt wäre?

Brei­ners­dorfer: Das ist eine hoch­in­ter­es­sante Frage. Man kann unglaub­liche Möglich­keiten hoch­rechnen. Ich bin kein Fach­his­to­riker, aber was klar, ist: Der einzige, der überlebt hätte, wäre Hermann Göring gewesen. Göring war eher ein Militär. Er war auch kein Phantast, kein Durch­ge­knallter wie Hitler, sondern in seiner sangui­ni­schen Art eher prag­ma­tisch. Er hätte versucht, den Krieg mit Frank­reich und England zu beenden, und wahr­schein­lich nicht Polen zu teilen, sondern die im Ersten Weltkrieg verlo­renen Ostge­biete zurück­zu­be­kommen.

Ich kann mir vorstellen, dass sich die Nazis konso­li­diert hätten, und es perspek­ti­visch ein hoch­gerüs­tetes, rassis­ti­sches Deutsch­land gegeben hätte, ein Apart­heids­re­gime mit Arbeits­sklaven. Wie lange sich so ein System in der Mitte Europas gehalten hätte, ist schwer zu sagen. Ein hoch­ge­fähr­li­ches Deutsch­land wäre stabi­li­siert worden. Aber Elsers Plan wäre aufge­gangen und mittel­fristig hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben und die 55 Millionen Toten des Zweiten Welt­kriegs hätte es nicht gegeben.

artechock: Oder Deutsch­land hätte die Atombombe gebaut. Erschre­ckend, in den Abgrund dieser Möglich­keiten zu blicken...

Brei­ners­dorfer: Das ist auch ein Aspekt: Ein Deutsch­land im Frieden hätte mögli­cher­weise die Atombombe gehabt, und man hätte dann einen Atomkrieg gehabt: Deutsch­land gegen Sowjet­union, oder gegen England – die Möglich­keiten sind unendlich.
Aber eines kann man als Fazit sagen: Elser hätte die Welt völlig verändert.

artechock: Mit welchen Histo­ri­kern haben Sie eigent­lich zusam­men­ge­ar­beitet?

Brei­ners­dorfer: Mit Peter Steinbach und Johannes Tuchel, den Leitern der Gedenks­tätte Deutscher Wider­stand, die auch die entschei­denden Elser-Biogra­phen sind. Ich bin für ihre Hilfe sehr dankbar.
Es gab viel weniger Material als im Fall der Sophie Scholl oder der Anne Frank – wo für mich die Riesen-Heraus­for­de­rung zunächst einmal darin bestand, überhaupt mal den roten Faden der Geschichte zu finden, die ich erzählen will.

Bei Elser war das Haupt­er­gebnis unserer Recher­chen, dass wir ein ganz anderes Bild von ihm bekamen, als das bisher geprägte: Wenn man überhaupt von Elser gespro­chen hat, dann hat man von so einem schwä­bi­schen Wutbürger gespro­chen, der alles in sich rein­ge­fressen hat, und der irgend­wann nicht mehr anders kann, als eine Bombe zu bauen.
Im Film zeigen wir ein Bild, das eher seinem tatsäch­li­chen Charakter entspricht: Ein frei­heits­lie­bender Mensch, ein Mann, der gut mit Frauen kann, der im Ausland war, der Musiker war, der das Leben geliebt hat. Der dann von seiner Familie in die Verant­wor­tung gerufen wird – also durchaus ein normales Leben.
Das ist eine andere Figur für so einen Tyran­nen­mörder als ein hoch­po­li­ti­scher Mensch wie den Professor Huber, den eigent­li­chen Kopf der »Weißen Rose« – der war ein absolut analy­ti­scher richtiger Intel­lek­tu­eller.
Das war Elsers Sache nicht. Der hat nur gemerkt: Da treten sie mir überall auf die Füße. Ich werde zum Außen­seiter, ich denke nach. Dann aber das sich-einkap­seln, dass Schützen der Umwelt – schon richtig faszi­nie­rende Filmfigur.

artechock: Eine Film­re­cherche ist aber nicht nur histo­risch...

Brei­ners­dorfer: Genau. Wir suchen nach Atmo­sphäri­schem und Anek­do­ti­schem. Es geht um Nuancen: Der Archivar vom Haus des Doku­men­tar­films hat uns auf Aufnahmen von Heiden­heim 1937 hinge­wiesen – da hat einer auf 16mm-Material in Farbe das Ortsleben gefilmt. Das waren unglaub­lich skurrile, wunder­schöne Filme. Da haben wir uns sehr inspi­rieren lassen.
Das Leben in dieser Region war immer schon geprägt durch eine starke indus­tri­elle Kompo­nente. Die Hütten­werke des Films gibt es seit 250 Jahren.

artechock: Sie sind auch Produzent. War es einfach, Förderung zu bekommen?

Brei­ners­dorfer: Die Finan­zie­rung war schwierig. Wir haben zuerst Geld von der MFG bekommen – aber es gab ja das Konkur­renz­pro­jekt von Christoph Müller. Wir haben zusammen Sophie Scholl gemacht, aber er hat uns lange im Unklaren gelassen, dass er auch dran ist. Die hatten Schwie­rig­keiten, einen Regisseur zu finden, aber irgendwie hat er das hinge­bogen und als wir beim FFF in die Finan­zie­rung gegangen sind hieß es auf einmal: Entweder die oder ihr.

artechock: Das ist ja echt nicht nett...

Brei­ners­dorfer: Man hätte ja auch mit offenem Visier sagen können: Ich bin am Konkur­renz­pro­jekt – dann hätte keiner gemeckert.
Dann haben wir in München die Förderung bekommen. Aber bei der FFA gab es die nächste Konkur­renz­runde. Die haben zweimal, auch im Wider­spruchs­ver­fahren Müller gefördert. Mit der Begrün­dung, dass wir „nicht markt­fähig“ sind.
Inzwi­schen haben wir den Film in 50 Länder verkauft, unter anderem in die USA an Sony-Classics. Tja.

artechock: Den Müller-Film gibt es jetzt auch?

Brei­ners­dorfer: Nein, den gibt es natürlich nicht. Er hat es jetzt zurück­ge­stellt. Das Medi­en­board hat hinter­ein­ander uns gefördert und beim nächsten Termin Müller gefördert.
Ich musste dann innerhalb einer Woche einen Privat-Investor finden. Bei uns wackelte das Projekt bis zum Schluss.

artechock: Wo lagen die Probleme der Finan­zie­rung?

Brei­ners­dorfer: Es gab wieder die üblichen Vorbe­halte, die wir bei Sophie Scholl auch hatten: Es gab zwei Filme vorher, den von Brandauer und den von Erler. Und dann gibt es generell Schwie­rig­keiten, einen NS-Stoff heute zu finan­zieren. Man bekommt für jede Komödie leichter Förderung. Das ist so. Man muss sich die Förder­gre­mien ja auch nur angucken.

artechock: Was hat Sie an der Arbeit am meisten über­rascht?

Brei­ners­dorfer: Ich war relativ früh über­rascht, dass man auf so eine Wand des Schwei­gens stößt. Das Mauern, die kollek­tive Diffa­mie­rung dieses Dorfes als „Atten­tats­hausen“.
Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann und die baden-würt­tem­ber­gi­sche Landes­re­gie­rung machen meiner Ansicht nach zu wenig. Da gibt es noch nicht mal eine Erklärung des Landes­re­gie­rung – das ist beschä­mend. Die Helden des Wider­stands sind ja alles Schwaben: Scholl ist aus Ulm, Stauf­fen­berg und der Elser. Es gibt kein Denkmal für den schwä­bi­schen Wider­stand.

artechock: Im Film selbst über­rascht Ihre Entschei­dung, die unmit­tel­bare Vorbe­rei­tung relativ kurz zu halten?

Brei­ners­dorfer: Das hat uns nicht inter­es­siert. Das hat Brandauer gemacht – der Film ist ja gut, und kam zur richtigen Zeit. Wir haben uns auf das Warum, nicht auf das Wie konzen­triert. Dass wir das auf zwei Ebenen erzählen, war für uns klar: Ich finde es aber hoch­in­ter­es­sant zu zeigen, wie in so ein Dorf der Faschismus einzieht. Soweit ich das sehe, ist das im Film noch nie erzählt worden, es gibt nur eine Episode in der Heimat von Edgar Reitz.

artechock: Warum ist er auf diese riskante Weise über die Grenze gegangen – wobei er erwischt wurde. Mit Beweisen...

Brei­ners­dorfer: Warum er die Beweise dabei hatte: Da gehen die Histo­riker davon aus, dass er Beweise wollte, um sich in der Schweiz als politisch Verfolgter zu legi­ti­mieren.
Die andere Frage: Warum hat er sich so dämlich ange­stellt? Die ist meiner Ansicht nach nur aus der Psycho­loge von Menschen zu erklären, die sich ganz auf ein Ziel fokus­sieren, und nicht darüber nach­denken, was danach kommt.
Das war so dämlich! Der Mann kannte Konstanz, er kannte den Weg, der Zaun war nur einein­halb Meter hoch. Ich bin sicher, dass er nicht absicht­lich in die Falle gegangen ist.