Marran Gosov – Ein Bulgare in Schwabing I

BRD 1967-74 · ca. 114 Minuten
Regie: Marran Gosov
Darsteller: Margit Haberland, Dieter Augustin, Henry van LyckKlaudia Littmann, Towje Kleiner u.a.

»Der Deutsch-Bulgare Marran Gosov (*1933) drehte zwischen 1965 und 1975, über­wie­gend in München-Schwabing, 27 Kurzfilme und schuf damit ein in seiner Art umfas­sendes und unver­gleich­li­ches Filmwerk, welches in seiner erzäh­le­ri­schen Viel­fäl­tig­keit und Konti­nuität ein einzig­ar­tiges Zeitbild jener Jahre darstellt. Viele seiner Kurzfilme erhielten Bundes­film­preise bzw. -prämien, Prädikate der FBW oder Festival-Preise. Skurrile Expe­ri­men­tier­freude, der Hang zu Doku­men­ta­ri­schem, kleine, klug poin­tierte Alltags­ge­schichten mit meist jungen Laien, eine humor­volle Leich­tig­keit und trotz allem immer sein Blick als Ostler, der – ob seiner Biografie – doch stets der eines Außen­sei­ters blieb, machen die besondere Mischung und Qualität von Marran Gosovs Filmen aus. Seine Kurzfilme sind eng an ihn selbst und seine unmit­tel­bare Umgebung gebunden: Sei es, daß mit Freunden in der eigenen Wohnung (Sabine 18) gedreht wurde oder vor der Haustüre in der Geor­gen­straße (Der Alte).

Oft spielt er selber mit (Das Denkmal, K.I.N.O.), oder taucht zumindest à la Hitchcock kurz auf (... und dann bye bye). Die Schau­spieler, besser Darsteller seiner Filme fand er auf der Straße oder in Kneipen: Mädchen wurden entdeckt, wie Margit Haber­landt (K.I.N.O.) und Veruschka Mehring (Sabine 18). So auch Dieter „Gustl“ Augustin (Pfeiffer, Der lange Marsch), der später auch in seinen Lang­filmen wirkte. – Es war das Schwa­binger Lebens­ge­fühl: Bohème pur! Später wurden die Filme sozial-kriti­scher (Nach langen Jahren ein Wieder­sehn mit meinem Bruder aus Bulgarien während einer kurzen Zwischen­lan­dung in München) und als eine Art selbst­re­flek­tie­rendes Vermächtnis als Filme­ma­cher kann sein letzter Kurzfilm Spielen in Deutsch­land gelten.

Gleich sein erster Spielfilm Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg (1968) war der deutsche Beitrag auf dem Inter­na­tio­nalen Festival in Karlovy Vary und lief im gleichen Jahr nach Zur Sache, Schätz­chen, obwohl 1967 zeit­gleich gedreht – quasi als Pendant in Farbe – erfolg­reich in den deutschen Kinos an. Es entstanden in relativ kurzer Zeit vier weitere Spielfilm, noch zwei weitere mit Rob Houwer: Zucker­brot und Peitsche (1968), Bengel­chen liebt kreuz und quer (1968), Der Kerl liebt mich und das soll ich glauben (1969) für Horst Wendlandt sowie den selbst­pro­du­zierten Wonne­kloss (1972).

Ab 1975 stieg er aus dem Kino­ge­schäft aus, arbeitete aber noch als Regisseur und Autor für’s Fernsehen (Okay S.I.R., Ein Fall für Zwei), und machte später Filmmusik für Rosa von Praunheim (Horror vacui) oder Maria Knilli (Lieber Karl).

Anfang der 90er, nach Öffnung des eisernen Vorhangs zog es ihn zurück nach Bulgarien. Dort lebt er nun wieder unter seinem bürger­li­chen Namen Tzvetan Maran­gosoff als unbe­quemer, aber allseits geach­teter Schrift­steller, Drama­tiker und Lyriker. Man kann Marran Gosov getrost der soge­nannten „Münchner Gruppe“ zurechnen, die sich lose um Klaus Lemke, Werner Enke, May Spils, Roger Fritz, Eckhardt Schmidt, Rudolf Thome, Max Zihlmann und Martin Müller gebildet hatte. – Sie saßen in den gleichen Cafés und Kneipen, liebten das Kino und machten Filme – aus ihrem Leben. Es war die deutsche ‚Nouvelle Vague’!« (Bernhard Marsch)

Erster Teil der Kurzfilm-Retro­spek­tive mit:

K.I.N.O.
BRD 1968 · D: Margit Haberland, Walter Gnilka, Tom Riedl, Marran Gosov · 11 min.
Ein Kino­be­such wird zum Alptraum.
Pfeiffer
BRD 1967 · D: Dieter Augustin, Martin Müller, Heinz Klopp, Max Zihlmann · 21 min.
Schwa­binger Geschäfts­ideen wider das Schul­den­ka­rus­sell
Sabine 18
BRD 1967 · D: Veruschka Mehring, Sabine A. Wengen, Martin Müller, Klaus Lemke · 12 min.
Sabine hat noch nicht. Ihr Freund ist scho­ckiert. Was bleibt Ihr anderes übrig, als einen anderen zu fragen...
Der Alte
BRD 1968 · D: Friedrich Pauli, Henry van Lyck · 12 min.
Ein alter Mann hält es zu Hause nicht aus und macht gries­grämig die Gegend unsicher.
Tana
BRD 1969 · D: Klaudia Littmann, Peter Lohmann · 11 min.
Eine Durch­rei­sende möchte eine Dusche nehmen & nistet sich bei einem Schrei­ber­ling ein.
Schöner Abschied
BRD 1970 · D: Friedrich Pauli, Towje Kleiner · 10 min.
Ein alter Mann engagiert einen Gast­ar­beiter für einen beson­deren Dienst.
DER LANGE MARSCH
BRD 1970 · D: Dieter Augustin, Siegfried Graue, Henry van Lyck · 14 min.
Lebens­künstler Gustl lebt auf der Straße. Mit einer Wacht­meis­ter­uni­form aus dem Kostüm­ver­leih, will er Park­sünder abkas­sieren…
Nach langen Jahren ein Wieder­sehen mit meinem Bruder aus Bulgarien während einer kurzen Zwischen­lan­dung in München
BRD 1973 · D: Mitko Vulev, Lilith Ungerer · 13 min.
Ein Film über den Stolz – in der BRD, als Bulgare.
Schritte
BRD 1974 · D: Dieter Augustin, Hans Jakob, Bernd Fiedler, Marran Gosov · 10 min.
Verkehrte Welt, quasi mit Rück­wärts­sehn­sucht.

Es folgen Teil 2 und Teil 3 der Kurzfilm-Retro­spek­tive.