11.12.2025
Cinema Moralia – Folge 370

Kampf um die Bilder

In die Sonne schauen
Manchmal will man einfach nur den Hammer kreisen lassen (In die Sonne schauen)
(Foto: Neue Visionen)

Neureiche schlagen Tradition, das »Kartell der Willigen« und die Woche mit Wolfram Weimer – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 370. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Große Enttäu­schung für alle Fans von In die Sonne schauen. Der deutsche Über­ra­schungs­er­folg des Jahres liegt nach wie vor im Rennen um den Auslands-Oscar, die Sparte »Inter­na­tional Feature Film« – aller­dings gegen 85 andere Konkur­renten. Da muss der Film erstmal vor Weih­nachten unter die »Shortlist« der besten 15 Filme kommen.
Es gibt starke Konkur­renz: Der »fran­zö­si­sche«, eigent­lich iranische Beitrag Ein einfacher Unfall von Jafar Panahi und der Norweger Joachim Trier mit Senti­mental Value sind gesetzt. Aber auch Brasilien mit dem Thriller The Secret Agent von Kleber Mendonça dürfte gute Chancen haben, unter die besten fünf Filme zu kommen, die am Ende nominiert werden.

Für Ernüch­te­rung sorgten jetzt die Nomi­nie­rungen für die Golden Globes. In den oft als Oscar-Barometer ange­se­henen Preisen der Auslands­presse befinden sich aller­dings nur drei nicht­ame­ri­ka­ni­sche Filme. Hoffnung für In die Sonne schauen gibt es also noch, wenn auch nur gedämpft.

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»Netflix kauft Warner Brothers« – so lautete die andere Nachricht aus Hollywood. Zumindest am Montag. Netflix hat seine Abon­nen­tinnen schon mit Rundmails versorgt, in denen verkündet wurde, dass Netflix Warner Bros. »bei sich will­kommen« heiße. Dann kam Paramount mit einer noch höheren Summe um die Ecke. In Hollywood ist der Kampf um die Bilder und die Bild­rechte der tradi­ti­ons­rei­chen Warner Brothers Studios entbrannt.
Aber was passiert da genau? Was bedeutet dieser Bilder-Bieter­streit?

Es ist ohne Frage ein schweres Beben, das Hollywood hier erschüt­tert. Ein großes Studio taumelt, und auf den ersten Blick gilt wieder einmal, dass Neureiche Tradition schlagen, Streamer über das Kino siegen. Falls Netflix als Sieger aus dem Streit hervor­geht, würde auch zu Recht noch einmal an die bekannte Kinofeind­lich­keit von Netflix erinnert.
Netflix-Filme starten bislang – wenn überhaupt – nur limitiert in den Kinos. Und auch das gilt nur für einige »Perlen« des Programms, und für Aushän­ge­ware, die die Presse begeis­tern und neues Publikum anlocken soll. Wirklich geguckt werden aber andere Filme und vor allem Serien.

Avatar-Regisseur Cameron sprach in einem Podcast jetzt davon, dass das Netflix-Vorgehen, Filme lediglich »eine Woche oder zehn Tage« in den Kinos zu zeigen, um sich für die Oscars zu quali­fi­zieren, »bis ins Mark verrottet« sei. Mag stimmen, ist aber vor allem mora­li­sie­rend, und um Moral hat sich der Kapi­ta­lismus noch nie besonders gekümmert.
So oder so muss die Balance zwischen Kino und Streaming neu austa­riert werden.

Und so oder so wäre es wohl für die Film­in­dus­trie besser, wenn Paramout Warner über­nehmen würde. Denn dann wäre das Ergebnis ein größeres, mäch­ti­geres Studio, ein Monopol mit allen Nach­teilen, aber immerhin ein Kino­mo­nopol.

Gegen Paramount spricht von außen betrachtet vor allem die Nähe des Studios zu Donald Trump. Schon ist von einem »Kartell der Willigen« die Rede. So hat denn der US-Präsident auch Zweifel an der Übernahme durch Netflix geäußert. Netflix habe bereits »einen sehr großen Markt­an­teil«, sagte Trump am Sonntag dazu. Mit Blick auf die kartell­recht­liche Prüfung des Geschäfts fügte der Präsident hinzu, er werde »an dieser Entschei­dung beteiligt sein«.

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Kultur­staats­mi­nister Weimer ist nicht besonders beliebt in der Film­branche. Wer mit Verbänden spricht, hört oft etwas von einem »irrlich­ternden Minister«, der seine Rolle immer noch nicht gefunden habe und der sich gerade in seinem Haupt­ar­beits­feld, der Film­po­litik, bisher als absoluter Versager zeige. Der Bund hat zwar seine Förder­mittel fast verdop­pelt, aber derzeit geht es darum, dass die Strea­ming­por­tale nun auch endlich verpflich­tend in die Förder­töpfe einzahlen, und ein bisschen etwas von ihren Gewinnen im wich­tigsten europäi­schen Filmmarkt – das ist über­ra­schen­der­weise der deutsche – wieder zurück in die Film­branche fließen lassen. Es geht um Verbind­lich­keit. Absichts­er­klärungen reichen nicht.

Die rein politisch zu beant­wor­tende Frage ist: Betei­ligen sich die Internet- und Streaming-Konzerne an den Kosten der Film­för­de­rung, die am Ende ihnen wiederum zugute kommt? Genau aus diesem Grund fordern die deutschen Film­pro­du­zenten seit Jahren Abgaben auch durch die Streaming-Dienste. Streit gibt es vor allem darüber, ob diese Abgaben frei­willig oder verpflich­tend sein sollten. Nun weiß jeder, dass im Kapi­ta­lismus ziemlich wenig frei­willig abgegeben wird – letzt­end­lich geht es um Gewinne.

Solche verpflich­tenden Gesetze sind in Italien und Spanien daher längst die Regel.

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Minister Weimer schwa­dro­niert bei diesem Thema dagegen zwar in schönen großen Worten vom »Inves­ti­ti­ons­booster«, aber dahinter stecken bislang weder Inves­ti­tionen denn ein Boost für irgend­etwas.

Vom Koali­ti­ons­streit um Film­po­litik titelte daher heute schon der Deutsch­land­funk. Viel­leicht etwas kess.

Eher sollte man titeln: Film­branche gegen Minister. Von einer Bank­rott­erklärung spricht daher nämlich inzwi­schen selbst die Verei­ni­gung der unab­hän­gigen Produ­zenten »Prog«, die bisher lange höflich und wie ich fand, viel zu zurück­hal­tend formu­lierte. Inzwi­schen ist es mit der Höflich­keit aber auch hier vorbei: »Das Ergebnis der mona­te­langen Verhand­lungen ist eine Bankrotterklärung für den Film­standort Deutsch­land. Die Berech­nungen der Produk­ti­ons­al­lianz legen nahe, dass kein Cent mehr als bislang in die deutsche Film­wirt­schaft fließen wird. Selbst­ver­pflich­tungen sind eine Blackbox für Produ­zenten und für die Politik. Es ist völlig unklar, in welcher Höhe sich die jewei­ligen Platt­formen konkret verpflichten und wie eine Kontrolle erfolgen soll. Wir vertrauen auf den demo­kra­ti­schen Gesetz­ge­bungs­pro­zess. Nur ein Gesetz kann die Höhe der Inves­ti­tionen trans­pa­rent und die Kontrolle effektiv festlegen«, so Marcel Lenz, Mitglied des Vorstandes »PROG Producers of Germany« in einer heutigen Pres­se­mit­tei­lung.

Entschieden wird viel­leicht schon morgen. Da tagt der Koali­ti­ons­aus­schuss und entscheidet, wie es mit der Filmförderung in Deutsch­land weiter­geht. Es sollen »Summen in Milliardenhöhe von den welt­weiten Konzernen in die deutsche Film­pro­duk­tion fließen«, so eine weitere blumige Formu­lie­rung im Papier des »Beauf­tragten für Kultur und Medien«.

Immerhin wacht die Branche jetzt auf und scheint zu begreifen: Mit Leise­tre­terei und Höflich­keit kommt man nicht weiter. Schon gar nicht bei diesem Minister, schon gar nicht in dieser Koalition.