26.06.2025

Zwischen Humor und Ernst

Holy Electricity
Holy Electricity verbindet vieles miteinander...
(Foto: Georgische Filmtage)

Die Georgischen Filmtage vom 26.-29. Juni zeigen erlesene aktuelle Filme aus dem Land im Kaukasus, das auf eine lange filmische Tradition blicken kann

Von Paula Ruppert

Die südkau­ka­si­sche Republik Georgien ist für vieles bekannt: für altehr­wür­dige Klöster, eine traum­hafte Land­schaft sowie vorzüg­li­ches Essen – und natürlich als Ursprungs­land des Weines. Auch die Film- und Kino­land­schaft ist seit jeher illuster und brachte einige namhafte Persön­lich­keiten hervor, darunter Tengis Abuladze, Otar Ioseliani, Eldar und Giorgi Schen­ge­laia sowie Lana Gogo­be­r­idze, um nur ein paar zu nennen. In letzter Zeit konnte man davon aber vergleichs­weise wenig hören, da sich auch in den hiesigen Medien die Berichte zu den seit Monaten anhal­tenden Protesten gegen die Regierung häufen. Wer nun jenseits von Bericht­erstat­tung und Reise­füh­rern erlesene Eindrücke sammeln möchte, ist auf den Geor­gi­schen Filmtagen im Film­mu­seum und Werk­statt­kino vom 26.-29. Juni genau richtig. Neben fünf Lang­filmen gibt es auch einen Abend mit drei Kurz­filmen sowie eine beglei­tende Ausstel­lung in der arTea-Gallery nahe des Viktua­li­en­marktes.

Der Eröff­nungs­film From Life to Life von Beka Sikha­ru­lidze spielt in den Anfangs­zeiten des Georgiens, wie es heute ist. Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union haben viele Leute kein Geld, finden keine Arbeit oder versuchen, ins Ausland zu gehen. Chirurg Luka versucht alles, um seine Familie zu ernähren, wird jedoch aufgrund seiner Moral und Aufrich­tig­keit in einem von Korrup­tion und Vettern­wirt­schaft geprägten System regel­mäßig wieder entlassen. Ein ruhiger Film, der die Tücken eines plötz­li­chen neuen poli­ti­schen Umfelds mit den Über­bleib­seln des alten Systems aus der Sicht eines Arztes zeigt, der seiner Berufung nach­kommen möchte.

Eine ähnliche Ausgangs­lage, aller­dings im heutigen Georgien, hat auch der Doku­men­tar­film Blueberry Dreams (Elene Mika­be­idze). Fami­li­en­vater Soso kauft im Rahmen eines staat­li­chen Förder­pro­grammes ein Stück Land im Norden Georgiens, um dort Blau­beeren anzu­pflanzen und sich und seiner Familie so ein idyl­li­sches und unab­hän­giges Leben zu ermög­li­chen. Ohne land­wirt­schaft­liche Erfahrung und mit kaum Unter­s­tüt­zung außerhalb der Familie wird die Verwirk­li­chung dieses Traumes aller­dings eine Heraus­for­de­rung. Dabei wird der Film nie übermäßig emotional, zeigt die Familie und ihre Heraus­for­de­rungen glei­cher­maßen wie die schönen, trauten Momente.

Ein weiterer Doku­men­tar­film geht auf einen Kern der geor­gi­schen Kultur abseits von Wein, Klöstern oder der pasto­ralen Idylle: The Country of Rustaveli (Zurab und Erekle Inashvili) begibt sich auf Spuren­suche nach dem Erbe des Natio­nal­dich­ters Shota Rustaveli, der in etwa das geor­gi­sche Pendant zu Goethe, Schiller, Heine und Mann zusammen ist. Der Film bietet eine inter­es­sante Perspek­tive: Eine studierte Lingu­istin aus Deutsch­land reist nach Georgien, um den Einfluss des Dichters auf Gesell­schaft und Kultur heute zu erfahren.

Eine Dichterin stellt auch der Kurzfilm Elene Dariani (Elene Tavadze/ Sofia Chin­cha­r­auli) ins Zentrum, aller­dings ist dieser Film komplett mit hand­ge­machten Puppen animiert, sodass er seine ganz eigene Ästhetik entwi­ckelt. Diese Puppen sind während der Filmtage in der eingangs erwähnten Ausstel­lung zu sehen. Auch die anderen beiden Beiträge des Kurz­film­abends, der Expe­ri­men­tal­film „Mila“ (Regie: Salome Vepkhvadze) und der Spielfilm „Sophia“ (Regie: Sophia Beri­ka­sh­vili), haben ihre Prot­ago­nis­tinnen in ihrem jewei­ligen Titel. Zusammen bieten die drei Filme einen angenehm abwechs­lungs­rei­chen Abend.

In der Auslese der dies­jäh­rigen Geor­gi­schen Filmtage ist außerdem das Coming-of-Age-Drama Panop­ticon (George Sikha­ru­lidze). Sandro ist ein unsi­cherer junger Erwach­sener, gerade voll­jährig, der in seiner Familie nicht den Halt findet, den er braucht. Seine Unsi­cher­heit führt ihn auch an weniger unbe­denk­liche poli­ti­sche Ideo­lo­gien heran, was ihm jedoch auch nicht die gesuchte Sicher­heit bringt. Es ist ein visuell kühler Film über jugend­liche Sorgen, Halt­lo­sig­keit und dem Gefühl, überall dazu­gehören zu wollen.

Und dann leuchtet noch ein Film durch das Dunkel des Kinosaals: Holy Elec­tri­city (Regie-Debut von Tato Kote­tish­vili), der dieses Jahr auf dem goEast Filmfest des mittel- und osteu­ropäi­schen Films in Wiesbaden die Goldene Lilie für den besten Film gewann. Gonga und Bart durch­su­chen stets den Schrott­platz auf der Suche nach Dingen, die sich gut verkaufen lassen. Eines Tages finden sie eine Kiste mit metal­lenen Kreuzen, die sie nach ein paar Expe­ri­menten tatsäch­lich zum Leuchten bringen. Holy Elec­tri­city verbindet vieles mitein­ander – Erwach­sen­werden und Alltag, Liebe und Pech, finan­zi­elle Schief­lagen und die Hoffnung auf das große Geld. Der Film wechselt munter zwischen Humor und Ernst und ist dabei visuell so gelungen, dass er viel Spaß macht.

Während der vier Abende der Geor­gi­schen Filmtage gibt es also die Chance, erlesene Einblicke in das Land im Südkau­kasus und seine Gesell­schaft zu erhalten. Und natürlich darf – zumindest bei der Eröffnung am 26. Juni um 19 Uhr – auch das kleine Glas des ebenso erlesenen geor­gi­schen Weines nicht fehlen.