Zwischen Humor und Ernst |
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Holy Electricity verbindet vieles miteinander... | ||
(Foto: Georgische Filmtage) |
Von Paula Ruppert
Die südkaukasische Republik Georgien ist für vieles bekannt: für altehrwürdige Klöster, eine traumhafte Landschaft sowie vorzügliches Essen – und natürlich als Ursprungsland des Weines. Auch die Film- und Kinolandschaft ist seit jeher illuster und brachte einige namhafte Persönlichkeiten hervor, darunter Tengis Abuladze, Otar Ioseliani, Eldar und Giorgi Schengelaia sowie Lana Gogoberidze, um nur ein paar zu nennen. In letzter Zeit konnte man davon aber vergleichsweise wenig hören, da sich auch in den hiesigen Medien die Berichte zu den seit Monaten anhaltenden Protesten gegen die Regierung häufen. Wer nun jenseits von Berichterstattung und Reiseführern erlesene Eindrücke sammeln möchte, ist auf den Georgischen Filmtagen im Filmmuseum und Werkstattkino vom 26.-29. Juni genau richtig. Neben fünf Langfilmen gibt es auch einen Abend mit drei Kurzfilmen sowie eine begleitende Ausstellung in der arTea-Gallery nahe des Viktualienmarktes.
Der Eröffnungsfilm From Life to Life von Beka Sikharulidze spielt in den Anfangszeiten des Georgiens, wie es heute ist. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben viele Leute kein Geld, finden keine Arbeit oder versuchen, ins Ausland zu gehen. Chirurg Luka versucht alles, um seine Familie zu ernähren, wird jedoch aufgrund seiner Moral und Aufrichtigkeit in einem von Korruption und Vetternwirtschaft geprägten System regelmäßig wieder entlassen. Ein ruhiger Film, der die Tücken eines plötzlichen neuen politischen Umfelds mit den Überbleibseln des alten Systems aus der Sicht eines Arztes zeigt, der seiner Berufung nachkommen möchte.
Eine ähnliche Ausgangslage, allerdings im heutigen Georgien, hat auch der Dokumentarfilm Blueberry Dreams (Elene Mikabeidze). Familienvater Soso kauft im Rahmen eines staatlichen Förderprogrammes ein Stück Land im Norden Georgiens, um dort Blaubeeren anzupflanzen und sich und seiner Familie so ein idyllisches und unabhängiges Leben zu ermöglichen. Ohne landwirtschaftliche Erfahrung und mit kaum Unterstützung außerhalb der Familie wird die Verwirklichung dieses Traumes allerdings eine Herausforderung. Dabei wird der Film nie übermäßig emotional, zeigt die Familie und ihre Herausforderungen gleichermaßen wie die schönen, trauten Momente.
Ein weiterer Dokumentarfilm geht auf einen Kern der georgischen Kultur abseits von Wein, Klöstern oder der pastoralen Idylle: The Country of Rustaveli (Zurab und Erekle Inashvili) begibt sich auf Spurensuche nach dem Erbe des Nationaldichters Shota Rustaveli, der in etwa das georgische Pendant zu Goethe, Schiller, Heine und Mann zusammen ist. Der Film bietet eine interessante Perspektive: Eine studierte Linguistin aus Deutschland reist nach Georgien, um den Einfluss des Dichters auf Gesellschaft und Kultur heute zu erfahren.
Eine Dichterin stellt auch der Kurzfilm Elene Dariani (Elene Tavadze/ Sofia Chincharauli) ins Zentrum, allerdings ist dieser Film komplett mit handgemachten Puppen animiert, sodass er seine ganz eigene Ästhetik entwickelt. Diese Puppen sind während der Filmtage in der eingangs erwähnten Ausstellung zu sehen. Auch die anderen beiden Beiträge des Kurzfilmabends, der Experimentalfilm „Mila“ (Regie: Salome Vepkhvadze) und der Spielfilm „Sophia“ (Regie: Sophia Berikashvili), haben ihre Protagonistinnen in ihrem jeweiligen Titel. Zusammen bieten die drei Filme einen angenehm abwechslungsreichen Abend.
In der Auslese der diesjährigen Georgischen Filmtage ist außerdem das Coming-of-Age-Drama Panopticon (George Sikharulidze). Sandro ist ein unsicherer junger Erwachsener, gerade volljährig, der in seiner Familie nicht den Halt findet, den er braucht. Seine Unsicherheit führt ihn auch an weniger unbedenkliche politische Ideologien heran, was ihm jedoch auch nicht die gesuchte Sicherheit bringt. Es ist ein visuell kühler Film über jugendliche Sorgen, Haltlosigkeit und dem Gefühl, überall dazugehören zu wollen.
Und dann leuchtet noch ein Film durch das Dunkel des Kinosaals: Holy Electricity (Regie-Debut von Tato Kotetishvili), der dieses Jahr auf dem goEast Filmfest des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden die Goldene Lilie für den besten Film gewann. Gonga und Bart durchsuchen stets den Schrottplatz auf der Suche nach Dingen, die sich gut verkaufen lassen. Eines Tages finden sie eine Kiste mit metallenen Kreuzen, die sie nach ein paar Experimenten tatsächlich zum Leuchten bringen. Holy Electricity verbindet vieles miteinander – Erwachsenwerden und Alltag, Liebe und Pech, finanzielle Schieflagen und die Hoffnung auf das große Geld. Der Film wechselt munter zwischen Humor und Ernst und ist dabei visuell so gelungen, dass er viel Spaß macht.
Während der vier Abende der Georgischen Filmtage gibt es also die Chance, erlesene Einblicke in das Land im Südkaukasus und seine Gesellschaft zu erhalten. Und natürlich darf – zumindest bei der Eröffnung am 26. Juni um 19 Uhr – auch das kleine Glas des ebenso erlesenen georgischen Weines nicht fehlen.