20.03.2025

Ans Licht

Die Anhörung
Ans Licht gezerrt werden bei Asylsuchenden die Lebenswege: Die Anhörung von Lisa Gerig ist ebenfalls im Programm
(Foto: Nonfiktionale | Lisa Gerig)

Die 17. Nonfiktionale in Bad Aibling richtet die Aufmerksamkeit auf das Verborgene

Von Dunja Bialas

Renais­sance der Allzeit­me­ta­pher »Licht«. Während im Kino seit dem heutigen Donnerstag Tom Tykwer im gleich­na­migen Film Das Licht die Proble­ma­tiken unserer immer kompli­zierter werdenden Welt­ord­nung zu lösen versucht, wendet sich die Nonfik­tio­nale im baye­ri­schen Bad Aibling den wirk­li­chen Problemen unserer real exis­tie­renden Welt zu. Das Festival für den doku­men­ta­ri­schen Film wurde 2009 nach dem Vorbild der Duis­burger Filmwoche gegründet. Jedes Jahr werden ästhe­tisch relevante Doku­men­tar­filme zu einem gleich­falls rele­vanten Thema präsen­tiert und im Anschluss an die Film­vor­füh­rung eingehend debat­tiert. Dieses Jahr lautet das Motto: »Ans Licht«.

In gut einem Dutzend Programmen disku­tieren die Festi­val­ma­che­rinnen Tamara Danicic, Melanie Liebheit und Team mit den anwe­senden Film­schaf­fenden über den Doku­men­tar­film als Medium der Sicht­bar­keit. Erst wenn sich die Kamera auf die Wirk­lich­keit richtet, wird sie im eigent­li­chen Sinne sichtbar, und damit auch begreifbar, verstehbar. Sicht­bar­keit verknüpft sich auch mit dem Poli­ti­schen, wenn sie das Private aus seinem stillen Dasein hervor­holt. »Das Private wird politisch«, wenn es öffent­lich wird, das wussten schon die alten Acht­und­sech­ziger.

Gerade im Umgang mit dem Privaten – und nicht so sehr im inves­ti­ga­tiven Jour­na­lismus, der eine Genreü­be­rer­fül­lung bzw. Selbst­er­fül­lung bedeutete, da er nur deshalb besteht, weil er Dinge ans Licht befördert – zeigen sich die Heraus­for­de­rungen des Doku­men­ta­ri­schen. Darüber nach­zu­denken macht den Ausflug nach Bad Aibling zur Nonfik­tio­nale allemal lohnend, wenn nicht sogar lehrreich.

Die Verqui­ckung des Privaten mit dem Poli­ti­schen – eben genau in umge­kehrter Form – macht Benedikt Schwar­zers Die Geheim­nisse des Schönen Leo deutlich. Der Regisseur ist der Enkel des hoch­ran­gigen CSU-Poli­ti­kers Leo Wagner der Bonner Republik, der es ziemlich hat krachen lassen. Neben den aufse­hen­er­re­genden, im wahrsten Sinne, Enthül­lungs­do­ku­menten ist sein Doku­men­tar­film mit viel Material aus dem Privat­ar­chiv der Familie auch ein Sitten­ge­mälde aus einer Zeit, als die Politik noch nicht maßlos, sondern einfach nur schamlos war. Ein scho­nungs­loser Film, denn letztlich exponiert der Filme­ma­cher damit auch seine gesamte Familie.

Obgleich Öster­reich gerade noch so um eine Skandal-Koalition herum­ge­kommen sind, herrschen im Nach­bar­land weiterhin prekäre Verhält­nisse, anders als in Deutsch­land, versteht sich. Die alpen­län­di­sche »Zuckerl­ko­ali­tion« aus ÖVP (türkis), SPÖ (rot) und Neos (pink) geht auf Sparkurs, die Abrie­ge­lung des Landes fällt jedoch weniger drastisch aus, als zu befürchten war. Der neue öster­rei­chi­sche Bundes­kanzler Christian Stocker (ÖVP) ist zwar schon 64 Jahre alt, hat aber trotzdem nicht die Bekannt­heit eines bei Amts­an­tritt erst 31-jährigen Sebastian Kurz. Der verdankte seinen kome­ten­haften Aufstieg dem stra­te­gi­schen Master­plan »Projekt Ball­haus­platz«. Kurt Langbein rekon­stru­iert in seinem gleich­na­migen Doku­men­tar­film die Methoden dieses Aufstiegs. Ein analy­ti­scher und sehr aufschluss­rei­cher Blick, der einen vor der Gegenwart schaudern lässt. Die Machen­schaften sind überall.

Eröffnet wird das Festival am heutigen Donnerstag mit Anima – Die Kleider meines Vaters. Hier wird nun tatsäch­lich das Private politisch gemacht, wenn Uli Decker die klan­des­tine Travestie ihres verstor­benen Vaters im Film öffent­lich werden lässt. Es wird das große Geheimnis, das wohl jede Familie birgt, ans Licht gebracht: In der ober­baye­ri­schen Provinz zog sich der katho­li­sche Vater Frau­en­kleider an. Sein Leben lang verbrachte er in dem seeli­schen Zwiespalt und unter­drückte sein Begehren, erst am Ster­be­bett offen­barte er sich. Eine Lebens­lüge? Sicher­lich eine verpasste Chance für die ganze Familie. Und so ist die Publik­ma­chung seiner Neigung auch ein posthumes Coming-Out und eine Wieder­gut­ma­chung der Tochter für den Vater, die zeigt, dass dieser wohl trotzdem ein richtiges Leben im falschen hatte.

Wenn man diese Filme sieht, stellt sich auch stets die Frage nach dem Verbergen von Sach­ver­halten, dem Zurück­halten von Infor­ma­tionen, dem Schützen der mit einemmal expo­nierten Prot­ago­nisten. All das hat auch mit der Ethik des Doku­men­ta­ri­schen zu tun: Man könnte auch nicht zeigen, was man gefilmt hat, und auch das Material nicht zeigen, das man in den Archiven gefunden hat. Wenn es wichtige Gründe dafür gibt. Eine sensible Frage der einzu­hal­tenden Grenzen im Doku­men­ta­ri­schen, die auf der Nonfik­tio­nale in den Film­ge­sprächen glei­cher­maßen zur Sprachen kommen sollte.