Im Anfang war das Wort |
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Szene aus Asho von Jafar Najafi, am 27.11. um 18:30 Uhr im Kunstlabor 2 | ||
(Foto: IDFA Institute) |
Von Axel Timo Purr
Wie fragil der Status eines Asyls sein kann, zeigen gerade die von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkten, äußerst brutalen Abschiebungen von Haitianern aus der Dominikanischen Republik, die seit Anfang Oktober forciert werden und über die der haitianische Autor Jhak Valcourt vor kurzem eine eindringliche Reportage veröffentlich hat. Hört man jedoch die Ankündigungen des künftigen amerikanischen Präsidenten, ahnt jeder, dass dieses Szenario auch in den USA Wirklichkeit werden kann und wie so oft in der Geschichte, könnten damit auch in Europa Dämme brechen, die bislang noch durch Gesetzgebung und Zivilcourage gestützt werden.
Einer dieser kleinen Dämme, die Schlimmeres verhindern, ist sicherlich das KINO ASYL, das seit nun mehr 10 Jahren unermüdlich junge Menschen mit Fluchterfahrung dazu animiert, Filme aus ihrer Heimat auszuwählen, um sie dem Münchner Publikum zu zeigen und damit eine Brücke zu bauen, die Grenzen überwindet. Grenzen, die Menschen auf ihrem Weg nach München überquerten, und solche, die auch noch nach einem Jahrzehnt den öffentlichen Diskurs bestimmen, denn wie leicht die Thematik Migration wieder und wieder zum Spielball populistischer Politik werden kann, zeigen ja auch die Zerreißproben der deutschen Politik der letzten Monate. Das Projekt KINO ASYL versucht ein Gegennarrativ zu entwickeln: Durch das Zuhören und Verstehen von migrantischen Realitäten und Hintergründen, die über kleine Filmschätze, persönliche Einblicke, Meinungen und Erfahrungen junger Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt nun in München haben, spielerisch in einen öffentlichen Diskursraum gestellt werden. Damit bietet das Festival eine wichtige Plattform für interkulturellen Austausch, Begegnung und die gemeinsame Erkundung neuer Filmwelten.
Auch im diesjährigen Jubiläumsjahr präsentiert das Festival unkonventionelle Filme und Geschichten. So eröffnet das Festival am 24. November mit Standing Free in den Münchner Kammerspielen. Die Weltpremiere des Dokumentarfilms wird von Anastasia kuratiert und erzählt die Geschichte von Max, einem ukrainisch-kanadischen Teenager, der nach der Zerstörung seines Elternhauses durch russische Streitkräfte durch die Ukraine reist. Durch seine Augen zeigt der Film, wie der Krieg das Leben der Menschen in der Ukraine formt – von Zivilisten bis hin zu Soldaten, die trotz der Zerstörung dann doch vereint sind. Besonders für Anastasia: Ihre jüngere Schwester erscheint im Film, mit Szenen, die an ihrer alten Schule in Kiew gedreht wurden. Regisseur Max Khomenko wird persönlich zur Premiere anwesend sein. Neben diesem 16-minütigen Kurzfilm sind noch weitere Filme zu sehen: der jordanische Hummam Eid – Wenn Kunst zur Botschaft wird und Scam Club aus Uganda, die mit dem Eröffnungsfilm ab 18 Uhr zu sehen sind.
Am 25. November wird das NS-Dokumentationszentrum bespielt. Um 18 Uhr wird der ugandische Experimentalfilm The Game gezeigt, der das harte Leben von Straßenkindern thematisiert, danach die ukrainisch-kanadische Dokumentation Us, our pets and the war, der zeigt, wie der Krieg das Leben von Menschen und ihren Haustieren verändert, indem emotionale Geschichten erzwungener Veränderungen erzählt werden. Um 20.15 Uhr wird der Animationsfilm Der Brotverdiener präsentiert, der die epische Suche eines jungen Mädchens nach ihrem Vater schildert.
Am 26. November wird wieder mit Kurzfilmen eröffnet, an diesem Tag jedoch im Gasteig HP8. Ab 18.30 Uhr wird der ukrainische An unserer Stelle gezeigt, eine Geschichte über fünf Freunde, die alle andere Wege gehen. Inside the Box aus Deutschland spiegelt das Schicksal vieler Flüchtlinge in Deutschland wider und Servus Habibi – Gib die Hoffnung nicht auf ist ein einfühlsamer
Dokumentarfilm von KINO ASYL-Kurator und Filmemacher Yahya Mashehor, der die Geschichte dreier Menschen aus verschiedenen Ländern erzählt, die nach Deutschland geflüchtet sind. Der Film schildert ihre Herausforderungen und die Dankbarkeit für die Chancen, die ihnen hier eröffnet wurden. Zugleich teilen sie ihre Träume und Wünsche für die Zukunft. Yahya, der den Film selbst produziert hat, sagt: »Es war mir wichtig, ihre Geschichten zu erzählen, um ein tieferes Verständnis für ihre
Erfahrungen zu schaffen und ihre Stimmen hörbar zu machen.«
Abgeschlossen wird dieser KINO ASYL-Abend um 20.00 Uhr mit der Dokumentation Bobi Wine: the people’s president aus Uganda, die den inspirierenden Aktivismus von Bobi Wine nachzeichnet, der aus den Ghettos von Kampala zu einem der beliebtesten Superstars des Landes aufsteigt.
Am 27. November ist KINO ASYL Gast im Kunstlabor 2 und zeigt ab 18.30 Uhr die Kurzfilme Asho, der das massive Trauma der Trennung vom eigenen Kind, das viele Frauen im Iran erleiden, thematisiert und im Anschluss daran den armenischen Այգ / Ayg, die Geschichte zweier junger Erwachsener aus Artsakh (Berg Karabach), die seit ihrer Kindheit eng befreundet sind, und eines Krieges, der diese Freundschaft belastet. Um 20.00 Uhr wird mit dem afghanischen Kurzfilm Der Wert ihrer Reste eröffnet und dann lang mit Das Reich der Stille weitergemacht, ein Film den Kongo und der seit über 35 Jahren dort herrschenden Gewalt.
Am 28. November lädt um 20.30 Uhr der Dokumentarfilm Carnaval in der Hochschule für Fernsehen und Film München zu einer filmischen Reise in die Welt des Karnevals in Cajamarca in Peru ein. Kuratiert von Ronaldo und Christiam, entfaltet der Film die Geschichte und die tiefen Wurzeln eines traditionellen Festes. »Dieser Film ist eine Hommage an die
lebendige Kultur von Cajamarca,« beschreiben Chris und Ronaldo das Projekt, das den Karneval nicht nur als Feier, sondern auch als Moment des Zusammenhalts zeigt. Im Mittelpunkt stehen die Menschen von Cajamarca selbst, die das Fest aus ihrer Perspektive lebendig machen: Familien, die seit Generationen dabei sind, und junge Menschen, die in den festlichen Paraden, Essen und Tänzen ihre eigene Kreativität einbringen. Eingeleitet wird dieser Langfilm von dem ukrainischen Lost, der davon erzählt »wie Angst unsere Entscheidungen beeinfluss und dass man sich selbst verliert, wenn man nicht auf sein Herz hört.«
Auch die 18.30 Uhr-Schiene in der HFF hat einen ukrainischen Film im Programm: Ukrainians in Exile, der in seinen sechs Minuten mit einer wichtigen Frage eröffnet: Als ich am ersten Tag des Krieges von dem Donnern der Explosionen aufgewacht bin, war mein erster Gedanke »Gehen wir doch zur
Schule, oder?« Der Langfilm am frühen Abend ist Shahid, der unter der Regie von Narges Kalhor eine bewegende Geschichte mit poetischer Ehrlichkeit und Intimität erzählt.
Der letzte Tag des Festivals findet im Bellevue de Monaco statt. Um 20.00 Uhr am 29. November werden vier Kurzfilme präsentiert. Der afghanische Hohe Kiefern beschäftigt sich mit den Hazara, eine große Ethnie in Afghanistan, die seit vielen Jahren mit Diskriminierung und Völkermord konfrontiert sind; der iranische Kein Dach will Mut in schwierigen Situationen vermitteln; Out of Uganda betont, dass jeder so sein sollte, wie er sein möchte und lieben kann, wen er möchte und das ebenfalls ugandische Musikvideo Wanaaza zeigt einen musikalischen Weg zu Gott auf.
Nach den Filmen geben die jeweiligen Kurator:innen Q&As und sprechen mit Expert:innen aus den Bereichen Film, Kunst und Kultur. Ausstellungen, Diskussionen mit Filmschaffenden sowie musikalische Beiträge runden das Programm ab.