Die universelle Sprache des Kinos |
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Gefühle mit großem Ausrufezeichen: Beating Hearts | ||
(Foto: Studiocanal) |
Von Dunja Bialas
»Nein, in Frankreich haben wir keine Probleme.« Das sagte vor wenigen Tagen Laurence Rilly, Redakteurin für Kurzfilm beim deutsch-französischen Sender arte, der maßgeblich bei Kinofilm-Produktionen beteiligt ist. Sie saß als Panelistin auf einem Podium des 43. Filmschoolfest Munich, das mit »Shortfilm – who cares?« übertitelt war. Gerade wurde die deutsche Filmförderung kritisiert, die mit der neuen Richtlinie des Filmförderungsgesetzes (die Novellierung lässt immer noch auf sich warten) in Aussicht gestellt hat, die Abspielförderung für Kurzfilme zu streichen. Der Satz von Laurence Rilly wurde spontan mit einem Lachen quittiert. Je länger sie aber sprach, desto deutlicher wurde: Rilly meint es nicht ironisch. Nein: Frankreich muss tatsächlich – als Filmland – unproblematisch sein, mit einem Bündel an »phantastischen Förderungen«.
Und immer noch kommen die tollsten europäischen Filme aus Frankreich. So ist es ebenso phantastisch, dass die Französische Filmwoche seit ein paar Jahren neben Berlin auch in München im Theatiner-Kino gastiert und dieses Jahr auch erstmals im Augsburger Liliom zu erleben ist. Insgesamt werden um die fünfzehn Titel zu sehen sein, die meisten davon in Vorpremiere.
Den Auftakt in München macht Ma vie ma gueule (Mein Leben, mein Ding) von Sophie Fillière, die letztes Jahr im Alter von 58 Jahren verstorben ist und mit dem Film ihr Vermächtnis hinterlässt. Sie hat viele Drehbücher geschrieben, zuletzt für Élise Girard für Sidonie au Japon, der kürzlich im deutschen Kino zu sehen war. Wer sie nicht kennt, kann vielleicht etwas mit dem Namen Pascal Bonitzer anfangen, der ihr Mann ist, oder mit der wunderbaren Agathe Bonitzer, ihrer Tochter.
Ma vie ma gueule ist tatsächlich eine Komödie, in der es aber nicht nur heiter zugeht. In ihr spielt Agnès Jaoui Barberie Bichette, »Barbie« genannt. Barbie, 55, ist geschieden, hat zwei Kinder und verzweifelt an ihrer schwindenden Attraktivität als Frau. Ausgespielt wird dies in drei Akten, als Komödie, Tragödie und »Epiphanie«. Fillière hat mit dem Film ihrer eigenen Krankheit eine komödiantische Note entgegengehalten, die in Cannes in der Quinzaine des Cinéastes mit dem Publikumspreis belohnt wurde und von Jaoui, deren Partner Jean-Pierre Bacri vor wenigen Jahren starb, mit großer Energie verkörpert wird.
Eine Einladung zum großen Fest mit alten Bekannten ist Et la fête continue! (Das Fest geht weiter!) von Robert Guédiguian. Es spielen: Jean-Pierre Darroussin und Ariane Acaride. Der Schauplatz wie auch schon in Gloria Mundi und La villa: Marseille. Es geht um die 60-jährige Rosa, die ihr Leben der Familie und – wichtig für Guédiguian – der Gewerkschaft gewidmet hat. Dann trifft sie auf Henri und verliebt sich. Es folgt der große Streit des Herzens gegen den Ruf der Pflicht, ein ewiger Zwiespalt, dem die klassischen Tragödien von Racine und Corneille gewidmet sind. Bei Guédiguian wird dies ungleich leichter verhandelt, unter der strahlenden Sonne von Marseille.
Zwei Filme in dem in allen Details hochkarätigen Programm seien hier noch hervorgehoben. L’amour ouf (Beating Hearts) von Gilles Lellouche (keine Verwandtschaft mit Claude Lelouch) hat im Wettbewerb von Cannes die Leinwand zum Beben gebracht. Schon die Anfangstitel, die sich in roten Lettern über die ganze Leinwand bei harten Beats gießen, machen Schluss mit der französischen Beschaulichkeit. Es geht zurück in die Achtzigerjahre, zu den Banden, die sich in den Docks von Nordfrankreich herumtreiben. Eine Liebe entsteht, hart, unerbittlich, unmöglich. Es spielen Adèle Exarchopoulos und François Civil als grandios tragisches Liebespaar von epischem Ausmaß.
Und dann ist da noch: Matthew Rankins Une langue universelle (Universal Language), ein surrealer Film und sicherlich einer der ungewöhnlichsten Beiträge der Französischen Filmwoche – auch wenn man kaum behaupten kann, dies wäre ein französischer Film (er ist Oscar-Kandidat für Kanada). Regisseur Matthew Rankin kommt aus dem kanadischen Winnipeg, das Guy Maddin in seiner Apotheose My Winnipeg 2007 der Filmwelt bekannt gemacht hat. In Une langue universelle agiert die iranische Community von Manitoba die Absurditäten des kanadischen Winters aus. Ein Geldschein von beträchtlichem Wert wird von einem der Kinder unter dem zentimeterdicken Eis entdeckt, als sie die Brille von einem Schulkameraden suchen, um wiederum der Strafe des Französischlehrers zu entkommen, der sie allesamt in die Besenkammer gesperrt hat. Parallel dazu führt Massoud, der es ebenfalls auf den Geldschein abgesehen hat, auf einer skurrilen Guided Tour durch eine »Stadt ohne Sehenswürdigkeiten«. Regisseur Matthew Rankin selbst spielt in einer Hauptrolle mit. Stilistisch bewegt sich der Film zwischen Quentin Dupieux und Roy Andersson, die Kinderprotagonisten erinnern an Abbas Kiarostami. Während im Film überwiegend Farsi und nur ganz wenig Französisch gesprochen wird, kann bei so vielen Referenzen mit der »universellen Sprache« nur das Kino gemeint sein!