Cinema Moralia – Folge 338
Taube, Phoenix und die Asche |
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Der auffälligste Akt der Zensur in der jüngeren Filmgeschichte: Roman Polanskis Intrige | ||
(Foto: Weltkino) |
Kein Kino in der englischsprachigen Welt, zitiert der Perlentaucher Spectator-Kolumnist Nick Cohen diese Woche, würde es wagen, Roman Polanskis Film Intrige über die
Dreyfus-Affäre zu zeigen.
In London lief der Film neulich an einem Tag in einem einsamen Kino in Nord-London. Und im puritanischen Saubermannstaat USA wird er schon gar nicht gezeigt. An Polanski hängt das alte widerrechtliche und juristisch parteiische Vergewaltigungsverfahren sowie ein diffuser #MeToo-Geruch, der in den augenblicklichen toxischen Gesellschaftsverhältnissen sozial tödlich ist. Zwar hat niemand je expressis verbis verlangt, dass sein Film nicht gezeigt
wird, aber die Kinobetreiber agieren aus »vorauseilender Zensur«. Auch bei Amazon Prime oder anderen Streaming-Diensten könne man den Film nicht auf Englisch sehen, so Cohen, der kein Blatt vor den Mund nimmt, und von »autoritären Tendenzen« und »Zensur« innerhalb der Demokratie spricht.
Das hat womöglich auch etwas damit zu tun, dass Polanskis Film so aktuell ist wie überhaupt nur möglich. Er handelt von Antisemitismus; von öffentlichen Kampagnen gegen Juden; von Fake-News und Täter-Opfer-Umkehr, und von einer Identitätspolitik, die in gesellschaftlichen Faschismus mündet.
Dazu nochmal Cohen:
»Dass Dreyfus eindeutig unschuldig ist, spielt für die Armee, den Pöbel auf der Straße oder die rechte Presse keine Rolle. Er ist Jude und der Versuch, seinen Namen reinzuwaschen, ist eine jüdische Verschwörung.« Cohens deprimiertes Fazit: »Dave Rich, der große Experte für modernen Antisemitismus, hat festgestellt, wie Juden aus der modernen Kultur herausgeschrieben werden. Er verweist auf Die Fotografin, Kate Winslets Darstellung des Lebens der Kriegsfotografin Lee Miller. Sie war Zeugin des Holocaust, aber es gibt nur eine einzige 'explizite Erwähnung von Juden in einem Film, der mit der Befreiung von Buchenwald seinen Höhepunkt erreicht', schreibt Rich. Nichts von dieser erbärmlichen Schönfärberei der Geschichte ist in Intrige
zu sehen. Polanski konfrontiert Rassismus und Verschwörungstheorien mit einer Direktheit, die Liberale früher bewundert haben.«
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Auch in den deutschen Medien wurde Die Fotografin nur unkritisch und überaus oberflächlich besprochen.
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Das Jüdische Filmfestival von London zeigte schließlich den Mut, den Arthouse-Kinos, die BBC, Channel 4 und alle Streaming-Dienste vermissen ließen, und präsentierte Intrige für einen einzigen Abend im Phoenix-Kino in Finchley, Nord-London.
Diese »Unterdrückung der Verfilmung von Robert Harris' Roman über die Dreyfus-Affäre (1894 bis 1906) ist der auffälligste Akt der Zensur in der
jüngeren Filmgeschichte«, so der Spectator.
Und weiter: »Viele würden das alte Argument vorbringen, dass man Leben und Werk eines Künstlers trennen müsse, und dass jeder, der in den privaten Leben von Künstlern nach moralischer Erbauung sucht, zwangsläufig enttäuscht wird.
Aber die alten Argumente zählen in unserem neurotischen Zeitalter nicht mehr. Das Verbot von Intrige entbehrt jeder rationalen Erklärung. Die Zensur ist ein
willkürlicher und geheimer Akt, getrieben von den realen und eingebildeten Ängsten der Medienbürokraten.
Bei der Vorführung in Finchley erklärte die Journalistin Tanya Gold, die den Film einleitete, wir lebten in einer ›Zeit der Zensur und der Idiotie, und die beiden seien nicht voneinander zu trennen‹.«
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Wenn man verstehen möchte, warum heute israelische Truppen die Existenz Israels und sein Existenzrecht militärisch gegen arabische Terroristen und ihre Helfershelfer verteidigen, muss man diesen Film sehen.
Theodor Herzl, der Begründer des Zionismus, hörte bei den Anti-Dreyfus-Demonstrationen in Paris erstmals die Parole »Tod den Juden!«. Er erkannte, dass selbst die emanzipierteste Gesellschaft Europas – die französische – für Juden nicht sicher war. Nur ein
eigener jüdischer Staat würde sie aus Dauer vor dem Rassismus der Judenhasser retten.
Aber das ist in Großbritannien und den USA nicht möglich.
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Und die Linken behaupten auch hierzulande, »Cancel Culture« sei nur ein Mythos der Rechtsextremisten.
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So zynisch wie die Realität ist auch das Verhalten des Amsterdamer Dokumentarfilmfestes IDFA in den ehemals liberalen Niederlanden. Im Vorjahr hatte es auch hier einen Antisemitismus-Skandal gegeben.
Die Antwort des syrisch-arabischen IDFA-Direktors, des in Berlin (wo sonst?) lebenden Orwa
Nyrabia, ist das Poster der aktuellen, noch laufenden Ausgabe. Besucher des Festivals und niederländische Journalistenkollegen – die sich das öffentlich zu schreiben nicht mehr trauen – haben mich auf das so abgefeimte wie skandalöse Festival-Poster aufmerksam gemacht.
Betreiben wir mal Bild-Analyse:
Das offizielle Poster ist voller versteckter antisemitischer Symbole, von der »palästinenischen« Wassermelone in einem roten Hamas-Dreieck, über einer Schlange und einer toten Friedenstaube. Nyrabia hat damit mehrere rote Linien weit überschritten – aber bisher bleibt vor Ort die Debatte aus!
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Junge Menschen werden konservativ, das ist nichts Neues. Junge Menschen wählen auch rechtsextrem, das ist leider eine unangenehme Überraschung, aber genau genommen auch nichts Neues. Hinzu kommt: junge Menschen, auch die, die nicht konservativ sind und nicht rechts wählen, wenden sich der Etikette zu: Höflichkeitsformen wie aus dem 19. Jahrhundert feiern plötzlich fröhliche Urständ.
Vollkommen unmotiviert steht beispielsweise in E-Mails ein Satz wie »Danke für deine Wertschätzung«. Überall gibt das Dauerbetonen von »Fairness« und Respekt, vor allem von Vorständen und CEO’s, die die so wertgeschätzten Untergebenen dann bei nächster Gelegenheit eben auf respektvolle Weise rauswerfen.
Sekkieren, aber höflich!