Junger Blick auf junge Visionen |
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Ein Highlight des Filmschoolfest: Nina Forsmans De Gallo qui ovavit von der finnischen ELO Film School | ||
(Foto: Filmschoolfest | Nina Forsman) |
Von Dunja Bialas
Tiefpunkt meines Lebens als Filmkritikerin: Als ich dabei sein musste, wie ein befreundeter Kritiker einem jungen Filmemacher die Frage stellte, warum er meine, Filme machen zu müssen. Es sei doch so aussichtslos, der Markt, die Konkurrenz, die Gelder… Falls der Kulturpessimismus zutrifft, und das muss man zweifelsohne annehmen, wenn Städte wie München oder Berlin ihren Kulturetat um 10 Prozent zusammenstreichen, dann gilt dies im selben Maße natürlich für die Filmkritik. Denn wer bräuchte die Filmkritik weniger als ein Markt, der sich durch Verknappung der Förderung, Angebot und Zuschauererfolge selbst regulieren möchte.
Filmemacher, Kritiker und Festivalleiter sein in schwierigen Zeiten und im doppelten Wortsinn auch noch daran glauben müssen … das muss man 2024 in besonderem Maße und unter erschwerten Bedingungen aushalten, aussitzen und im besten Falle einfach weglächeln.
Die Frage des befreundeten Kritikers war natürlich bodenlos. Kulturpessimismus in allen Ehren – aber was bringt’s? Zudem sollte nicht vergessen werden: Selbst in der aussichtslosen Tätigkeit, die einem aber liegt, wachsen Softskills bzw. auch harte, belastbare Fähigkeiten heran. Etwa wenn man es schafft, einen Film zu machen, selbst im geschützten Raum einer Filmhochschule. Das Filmschoolfest Munich wird als kleine Schwester des Filmfest München von der Münchner Filmwochen GmbH veranstaltet. Es ist auf kommunaler Ebene im Referat für Arbeit und Wirtschaft verankert, nicht im Kulturreferat – und dennoch ist es vor Kürzungen keinesfalls ausgenommen. Der Prozentsatz wird derzeit noch verhandelt, hieß es in der Lobby des Monopol-Kinos, während die Besucher:innen vor wenigen Tagen auf den Beginn der »Warm up«-Auftaktveranstaltung warteten. Die jungen Leiter:innen, geschäftsführend Christoph Gröner und die künstlerische Co-Leiterin Julia Weigl, pflegen den gesunden Realismus. Und so haben sie, im zweiten Jahr besehen, durchaus Recht mit dem neuen Untertitel für das ehemalige »Festival der Filmhochschulen«: Festival of Future Storytellers.
Storytellers, das haben wir an dieser Stelle bereits letztes Jahr angemerkt, werden schließlich überall verlangt. Am wenigsten bringt man die Berufsbeschreibung aber tatsächlich mit dem Kinofilm in Verbindung. Sie findet ihren Platz statt dessen im Gaming, in der Werbung und im Marketing, außerdem bei den Imagefilmen und Firmendarstellungen. Storytelling ist auch, wonach der Markt verlangt.
»Formenvielfalt« ist eines der Stichworte, die Gröner und Weigl herausheben, als sie das Filmschoolfest im »Warm-up« vorstellen. In der Reihe »Talks and Labs« wird es um Begegnungen der jungen Storyteller mit Akteur:innen der Branche gehen. Die »Welt des audiovisuellen Erzählens« wird in Panels, Masterclasses und Workshops vertieft. Gebaut wird auf die Vernetzung und gehofft, dass selbige auch Projekte anstoßen kann. Das Format »Talks and Labs« eignet sich, so der Wunsch der Festivalleitung, als profesionnelle Drehscheibe für future projects.
Vom Freundeskreis des Fillmfest München kommt überdies die Initiative zu einem neu geschaffenen Public Award, inklusive des Preisgeldes, das aus den Mitgliedsbeiträgen gestiftet wird, betont Tina Pieschl vom Freundeskreis beim »Warm-up« (am besten gleich hier den Mitgliedsantrag stellen).
Um neben der internationalen Ausrichtung des Filmschoolfest auch die Regionaleffekte zu stärken, wird dieses Jahr erstmals der DACH-Wettbewerb (Akronym für Deutschland, Österreich und die Schweiz) abgehalten. Außerdem gibt es die Fremdsprachenprogramme »en français« und »en español«, beides Sprachen, die auch sonst im Münchner Kino eine herausragende Rolle spielen – und mit ihren Filmschulen zu den großen Filmländern Westeuropas gehören. Wünschenswert wären Länderperspektivierungen unter bestimmten Schwerpunkten. Nach dem Motto: Was denkt, wie filmt der Nachwuchs in…? Osteuropa drängt sich als Fokus auf. Oder europaferne Kinematographien. So könnte für spezifische Länderthemen, für die unterschiedliche Ausstattung von Filmhochschulen und Filmfinanzierung, für Kunstfreiheit und kulturspezifisches »Storytelling« Sensibilität geschaffen werden. Die Welt sieht nicht überall gleich aus.
In 60 Filmen aus 28 Ländern geht es nun nach launigen Überschriften geordnet (»From big hopes to bigger dreams« – »From small-town boy to big city life« – »From millennium bug to queer roosters« …) einmal rund um die Welt. Gezeigt werden ausschließlich Kurzfilme, die auf den ersten Blick als Nachwuchsformat gelten dürfen. Damit sollte auf dem Panel mit dem provokanten Titel »Short Films – Who cares?« aufgeräumt werden (Termin: Dienstag, 19.11. 13:30 Uhr, Audimax der HFF; ich selbst nehme teil). Es wird auch um die prekäre Situation des Kurzfilms insgesamt gehen, um Sichtbarkeit und Auswertbarkeit. Diese steht nicht nur in Deutschland auf tönernen Füßen, wo jüngst mit den Richtlinien zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes die Abspielförderung für den Kurzfilm gestrichen wurde.
Solche Überlegungen sollen die jungen »Storyteller« jedoch nicht tangieren, genauso wenig wie der oben zitierte Kulturpessimismus. Dass das 43. Filmschoolfest vielversprechendes Kino zeigen wird, suggeriert die Auswahl nach ästhetischen Impulsen und dem, was die Filmemacher »umtreibt«. Für »artechock« besucht der Filmkritik-Nachwuchs der LMU das Filmschoolfest: Junge Filmkritik trifft auf junges Filmschaffen, junger Blick sieht junge Visionen.