14.11.2024

Junger Blick auf junge Visionen

De Gallo qui ovavit
Ein Highlight des Filmschoolfest: Nina Forsmans De Gallo qui ovavit von der finnischen ELO Film School
(Foto: Filmschoolfest | Nina Forsman)

Das 43. Filmschoolfest Munich zeigt ästhetische Standpunkte und Filme über das, was junge Menschen umtreibt

Von Dunja Bialas

Tiefpunkt meines Lebens als Film­kri­ti­kerin: Als ich dabei sein musste, wie ein befreun­deter Kritiker einem jungen Filme­ma­cher die Frage stellte, warum er meine, Filme machen zu müssen. Es sei doch so aussichtslos, der Markt, die Konkur­renz, die Gelder… Falls der Kultur­pes­si­mismus zutrifft, und das muss man zwei­fels­ohne annehmen, wenn Städte wie München oder Berlin ihren Kultur­etat um 10 Prozent zusam­men­strei­chen, dann gilt dies im selben Maße natürlich für die Film­kritik. Denn wer bräuchte die Film­kritik weniger als ein Markt, der sich durch Verknap­pung der Förderung, Angebot und Zuschau­er­er­folge selbst regu­lieren möchte.

Filme­ma­cher, Kritiker und Festi­val­leiter sein in schwie­rigen Zeiten und im doppelten Wortsinn auch noch daran glauben müssen … das muss man 2024 in beson­derem Maße und unter erschwerten Bedin­gungen aushalten, aussitzen und im besten Falle einfach weglächeln.

Die Frage des befreun­deten Kritikers war natürlich bodenlos. Kultur­pes­si­mismus in allen Ehren – aber was bringt’s? Zudem sollte nicht vergessen werden: Selbst in der aussichts­losen Tätigkeit, die einem aber liegt, wachsen Soft­s­kills bzw. auch harte, belast­bare Fähig­keiten heran. Etwa wenn man es schafft, einen Film zu machen, selbst im geschützten Raum einer Film­hoch­schule. Das Film­school­fest Munich wird als kleine Schwester des Filmfest München von der Münchner Film­wo­chen GmbH veran­staltet. Es ist auf kommu­naler Ebene im Referat für Arbeit und Wirt­schaft verankert, nicht im Kultur­re­ferat – und dennoch ist es vor Kürzungen keines­falls ausge­nommen. Der Prozent­satz wird derzeit noch verhan­delt, hieß es in der Lobby des Monopol-Kinos, während die Besucher:innen vor wenigen Tagen auf den Beginn der »Warm up«-Auftakt­ver­an­stal­tung warteten. Die jungen Leiter:innen, geschäfts­füh­rend Christoph Gröner und die künst­le­ri­sche Co-Leiterin Julia Weigl, pflegen den gesunden Realismus. Und so haben sie, im zweiten Jahr besehen, durchaus Recht mit dem neuen Unter­titel für das ehemalige »Festival der Film­hoch­schulen«: Festival of Future Story­tel­lers.

Story­tel­lers, das haben wir an dieser Stelle bereits letztes Jahr angemerkt, werden schließ­lich überall verlangt. Am wenigsten bringt man die Berufs­be­schrei­bung aber tatsäch­lich mit dem Kinofilm in Verbin­dung. Sie findet ihren Platz statt dessen im Gaming, in der Werbung und im Marketing, außerdem bei den Image­filmen und Firmen­dar­stel­lungen. Story­tel­ling ist auch, wonach der Markt verlangt.

»Formen­viel­falt« ist eines der Stich­worte, die Gröner und Weigl heraus­heben, als sie das Film­school­fest im »Warm-up« vorstellen. In der Reihe »Talks and Labs« wird es um Begeg­nungen der jungen Story­teller mit Akteur:innen der Branche gehen. Die »Welt des audio­vi­su­ellen Erzählens« wird in Panels, Master­classes und Workshops vertieft. Gebaut wird auf die Vernet­zung und gehofft, dass selbige auch Projekte anstoßen kann. Das Format »Talks and Labs« eignet sich, so der Wunsch der Festi­val­lei­tung, als profe­si­on­nelle Dreh­scheibe für future projects.

Vom Freun­des­kreis des Fillmfest München kommt überdies die Initia­tive zu einem neu geschaf­fenen Public Award, inklusive des Preis­geldes, das aus den Mitglieds­bei­trägen gestiftet wird, betont Tina Pieschl vom Freun­des­kreis beim »Warm-up« (am besten gleich hier den Mitglieds­an­trag stellen).

Um neben der inter­na­tio­nalen Ausrich­tung des Film­school­fest auch die Regio­nal­ef­fekte zu stärken, wird dieses Jahr erstmals der DACH-Wett­be­werb (Akronym für Deutsch­land, Öster­reich und die Schweiz) abge­halten. Außerdem gibt es die Fremd­spra­chen­pro­gramme »en français« und »en español«, beides Sprachen, die auch sonst im Münchner Kino eine heraus­ra­gende Rolle spielen – und mit ihren Film­schulen zu den großen Film­län­dern West­eu­ropas gehören. Wünschens­wert wären Länder­per­spek­ti­vie­rungen unter bestimmten Schwer­punkten. Nach dem Motto: Was denkt, wie filmt der Nachwuchs in…? Osteuropa drängt sich als Fokus auf. Oder euro­pa­ferne Kine­ma­to­gra­phien. So könnte für spezi­fi­sche Länder­themen, für die unter­schied­liche Ausstat­tung von Film­hoch­schulen und Film­fi­nan­zie­rung, für Kunst­frei­heit und kultur­spe­zi­fi­sches »Story­tel­ling« Sensi­bi­lität geschaffen werden. Die Welt sieht nicht überall gleich aus.

In 60 Filmen aus 28 Ländern geht es nun nach launigen Über­schriften geordnet (»From big hopes to bigger dreams« – »From small-town boy to big city life« – »From mill­en­nium bug to queer roosters« …) einmal rund um die Welt. Gezeigt werden ausschließ­lich Kurzfilme, die auf den ersten Blick als Nach­wuchs­format gelten dürfen. Damit sollte auf dem Panel mit dem provo­kanten Titel »Short Films – Who cares?« aufgeräumt werden (Termin: Dienstag, 19.11. 13:30 Uhr, Audimax der HFF; ich selbst nehme teil). Es wird auch um die prekäre Situation des Kurzfilms insgesamt gehen, um Sicht­bar­keit und Auswert­bar­keit. Diese steht nicht nur in Deutsch­land auf tönernen Füßen, wo jüngst mit den Richt­li­nien zur Novel­lie­rung des Film­för­de­rungs­ge­setzes die Abspiel­för­de­rung für den Kurzfilm gestri­chen wurde.

Solche Über­le­gungen sollen die jungen »Story­teller« jedoch nicht tangieren, genauso wenig wie der oben zitierte Kultur­pes­si­mismus. Dass das 43. Film­school­fest viel­ver­spre­chendes Kino zeigen wird, sugge­riert die Auswahl nach ästhe­ti­schen Impulsen und dem, was die Filme­ma­cher »umtreibt«. Für »artechock« besucht der Film­kritik-Nachwuchs der LMU das Film­school­fest: Junge Film­kritik trifft auf junges Film­schaffen, junger Blick sieht junge Visionen.