Kinos in München – Kinoprogrammpreise
»Haltet die Ohren steif!« |
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Die Jüngste im Bunde spricht: Carolin Hoehl | ||
(Foto: artechock) |
Von Dunja Bialas
Es war eine ungewöhnlich emotionale Preisverleihung. Als am Dienstag im City-Kino die Kinoprogrammpreise der Stadt München verliehen wurden, galt es zwei Mal Abschied zu nehmen. Marlies Kirchner und Thomas Kuchenreuther, die man ohne Übertreibung »Grande Dame des Kinos« und »Monsieur Cinéma« nennen darf, nahmen Abschied von ihren Kinos – und die Münchner Kinogemeinde von ihnen. Da kam dann auch Wehmut auf.
1957 hatte Marlies Kirchner mit ihrem Mann Walter Kirchner, das Theatiner am Odeonsplatz eröffnet. Mit dem Verleih »Neue Filmkunst« und auch danach brachte das Kino unter ihrer Mitwirkung fast sieben Jahrzehnte die Filmkunst aus Europa und der Welt nach München. Thomas Kuchenreuther hatte 1965 die Leopold-Kinos in Schwabing übernommen und damit die fast 60-jährige Ära der »Kuchenreuther-Kinos« eingeläutet. Hintereinander und teilweise auch zur selben Zeit betrieb er in München sieben Kinos: die Leopold-Kinos, das ABC-Kino, die Kinos Münchner Freiheit in Schwabing, das Eldorado, das Fantasia und das Odyssee in der Sonnenstraße, außerdem eröffnete er ein Kino im Olympischen Dorf. Es existiert heute noch als »Forum 2«, geführt vom örtlichen Kulturverein, und war berühmt für das Kinderkino von Hans und Christel Strobel, das ganze Cineasten-Generationen hervorgebracht hat.
Marlies Kirchner, die nicht persönlich erschienen war, ließ durch ihre Tochter einen Brief verlesen. Viel Rührung kam im City-Kino auf, als Sandra Kirchner die Worte ihrer 95-jährigen Mutter an die Anwesenden richtete: »Ich freue mich, dass es in München eine neue junge Generation gibt, die den Mumm hat, in diese Branche einzusteigen, und auch, dass viele Verleiher weiterhin wichtige, interessante und tolle Filme einkaufen und ins Kino bringen.« An ihre Nachfolger Bastian Hauser und Claire Schleeger gerichtet, fügte Marlies Kirchner hinzu: »Ich wünsche Bastian und Claire und allen viel Glück für die kommende Zeit.« Und schloss mit aufrichtigem Dank: »Das Kulturreferat in München und das Team – heute wie auch das Team der vorhergehenden Zeiten – ist einzigartig in seinem Engagement. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an das Theatiner-Team und den Kollegen und Verleihern aus der Branche. Wir haben viel Spaß gehabt, und ich habe die Jahre genossen. Haltet die Ohren steif!«
Kuchenreuther kündigte an, dass er das Preisgeld, das direkt an den Ausgezeichneten, nicht aber in die Kinokasse fließt, an seine Nachfolger weiterreiche. Noch ist er gewohnt umtriebig und erzählte, dass der von ihm produzierte Film von Werner Schroeter, Malina mit Isabelle Huppert und Mathieu Carrière, im Herbst im Münchner Literaturhaus im Rahmen einer Ausstellung zu Ingeborg Bachmann gezeigt werde.
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Mathias Wild, seit Kurzem stiller Gesellschafter der Leopold-Kinos unter den neuen Betreibern Michael Hehl und Daniela Bergauer, betonte in seiner Dankesrede für die Museum-Lichtspiele das außergewöhnliche Engagement der Stadt für die Kinos, das man andernorts so nicht antreffen könne. »In anderen Städten sind den Verantwortlichen Kinos egal.« Christian Pfeil, der heute in München zusammen mit Markus Eisele vier Kinos betreibt, richtete einen Appell an die versammelten Stadträte: »Benutzen Sie die Bestimmungen zu Bestandsnutzung und Denkmalschutz als ein Schwert!« Das zielte auf die Bedrohung des Filmtheaters Sendlinger Tor, das seit Jahren als Zitterpartie in der Öffentlichkeit verfolgt werden kann. Gäbe es den Denkmalschutz nicht, so heißt es, gäbe es an dem eminenten Eingangstor in die Innenstadt schon längst kein Kino mehr, stattdessen einen gesichtslosen McDonald’s oder Flagship-Store.
Viele Kinos brachten den Nachwuchs auf die Bühne mit. Gemeint sind damit jedoch weder Kuchenreuthers Hund, der zum Applaus immer kräftig mitbellte, noch die zahlreichen Kino-Kinder, die bis auf eine Ausnahme zu Hause geblieben waren. Die Monopolisten Christian Pfeil und Markus Eisele setzen schon seit geraumer Zeit auf ein ungewöhnliches Modell: eigenständige Theaterleiter*innen machen das Programm für »ihr« Kino, sind gleichzeitig durch die Betriebs-GmbH abgesichert, während sich die eigentlichen Kinobetreiber Pfeil und Eisele auf die Manager-Funktion konzentrieren können. Carolin Hoehl fürs Arena, Luisa Müller-Hahl fürs Maxim, Kerstin Schmidt für den Rio Filmpalast und Kilian Plank fürs Monopol, gleichzeitig auch Programm-Koordinator für alle Häuser, sind ihre Verantwortlichen. Auch das Werkstattkino stellte mit Matthias Tiefenbauer einen neuen Mitarbeiter des Kollektivs vor.
Für das Studio Isabella kam Louis Anschütz, der sich jetzt einziger Vertreter der Kinobetreibergeneration von Kirchner und Kuchenreuther zählen darf, leider ohne Nachwuchs. Thomas Wilhelm vom Rex kokettierte ein wenig, als er sagte, er würde sich selbst »wie der T-Rex-Dinosaurier« aus der Laudatio (der auf den alten Projektor im Rex-Foyer gemünzt war) fühlen. Vielleicht sollte er sich auch einmal um Nachfolger kümmern – während Wilhelm selbst inkarnierter Kino-Nachwuchs ist. Seine Eltern Hermann und Lieselotte Wilhelm hatten bereits das Studio Solln geführt, und ihm damit das Kino gewissermaßen in die Wiege gelegt.
Neun Kinos erhielten insgesamt den Kinoprogrammpreis der Stadt München. Diese hatte ihr Bekenntnis zum Kino vor zwei Jahren noch einmal bekräftigt, als die Preise in der Höhe von je 7500 Euro von sechs auf neun ausgezeichnete Kinos erhöht wurden. Manchem mag die jährliche Preisverleihung wie ein Gießkannenprinzip vorkommen. Fakt aber ist: Die Jury sieht sich die eingereichten Unterlagen genau an und entscheidet auf dieser Grundlage. Infrage kommt in München aufgrund der programmatischen Ausrichtung indes nur ein begrenzter Kino-Kreis. Und so wiederholt sich die Auszeichnung naturgemäß, wenn auch in unterschiedlicher Besetzung.
Was viele aber nicht wissen: Privatwirtschaftliche Unternehmungen dürfen nicht gefördert werden, was die ausgezeichneten Kinos jedoch sind. Die Kinoprogrammpreise, nicht nur der Stadt München, auch des Landes und der BKM, können so auch als Korrektiv verstanden werden, das Unternehmen gilt, die sich kulturell engagieren und sich am Auftrag, der Stadtgemeinschaft Zusammenhalt zu bieten, beteiligen. Die Auszeichnung ist so auch in einem höheren Sinne zu werten: Sie gilt der demokratisch bedeutsamen Rolle der Kinos in der Stadt und im urbanen Leben an sich.
Die Autorin war Mitglied der Jury für die Kinoprogrammpreise der Stadt München.