29.07.2021

Subventionswürdig

Kinoprogrammpreis
Ellbogen-Preisverleihung
(Foto: Elisabeth Greil)

Die Kinoprogrammpreise der Stadt München wurden dieses Jahr durch einen Kinokultursonderpreis ergänzt. Insgesamt wurde ein Preisgeld von über 100.000 Euro freigemacht

Von Dunja Bialas

Eine gute Seite hat Corona: man verlässt ausge­tre­tene Pfade und wird fündig, wenn es darum geht, sich unter Beachtung aller geltenden Maßnahmen trotzdem zu treffen. Schon zum zweiten Mal hat so die Landes­haupt­stadt München im idyl­li­schen, aber sonst unge­nutzten Innenhof des Kultur­re­fe­rats in der Burg­straße zur Verlei­hung der Kino­pro­gramm­preise einge­laden. Opti­mis­tisch wird in diesem zweiten Jahr von Corona – trotz der trau­ma­ti­schen Erfahrung im Herbst 2020, als über die Kinos erneut ein Betriebs­verbot verhängt wurde – davon ausge­gangen, dass die Kinos nun offen bleiben dürfen. Dennoch weiß man im Stadtrat von der Not der Kultur­anbieter, die zum Neustart mit vielen Einschrän­kungen und auch der Zurück­hal­tung des Publikums rechnen müssen. Er hat deshalb bewilligt, dass einmalig »Kino­kul­tur­son­der­preise« an Licht­spiel­häuser vergeben werden, die dieses Jahr zwar nicht für den Kino­pro­gramm­preis in Frage kommen, aber ebenfalls förder­würdig sind.

Denn den Kinos ist es als Kultur­orten verwehrt, eine reguläre Subven­tion zu beziehen, wie dies etwa die Theater können. Kinos gelten – bis auf die wenigen kommu­nalen Kinos, die Geld aus dem Stadt­sä­ckel beziehen (in München das Film­mu­seum) – als rein privat­wirt­schaft­liche und kommer­zi­elle Wirt­schafts­un­ter­nehmen. Kino­pro­gramm­preise, die bundes­weit von der BKM, auf (baye­ri­scher) Länder­ebene vom FFF Bayern und auf kommu­naler Ebene von der Stadt München vergeben werden, sind für Kino­be­treiber die einzige Möglich­keit, ein wenig Förder­luft durch öffent­liche Geld­zu­wen­dungen zu schnup­pern, anders als die benach­barten Sparten Produk­tion und Verleih.

Die Summe macht’s

Zwölf Licht­spiel­häuser kamen in den Genuss dieser einma­ligen Sonder­zu­wen­dung von je 6000 Euro. Wenn man die sechs jährlich verge­benen Kino­pro­gramm­preise in Höhe von 7.500 Euro hinzu­rechnet, wird deutlich: für das einzelne Kino mag der Preis nur eine kleine (aber wichtige) Zuwendung sein, in der Summe macht das aber stolze 135.000 Euro, die die Stadt München dieses Jahr trotz gebotener Haus­halts­ein­spa­rungen von 6,5 Prozent aufbringt. Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters kriti­sierte diesen Monat prompt den Sparzwang der Stadt, der auch den kultu­rellen Bereich betrifft: »Und trotzdem kommt ausge­rechnet eine so wohl­ha­bende Kommune wie München als erstes mit so einer Botschaft rüber. Das fanden wir schon eine ziemlich scho­ckie­rende Ansage.« Viel­leicht weiß sie nicht, dass Kommunen anders als der Bund immer einen ausge­gli­chenen Haushalt vorweisen sollten.

Ausge­zeich­nete Charak­ter­köpfe

Der Stadt liegen die inha­ber­ge­führten Arthouse-Kinos besonders am Herzen. Seit genau zwanzig Jahren werden die Kino­pro­gramm­preise vergeben, seit über zehn Jahren stets an zehn verschie­dene Häuser, vor ein paar Jahren wurde der Zuwen­dungs­be­trag zusätz­lich um 25 Prozent erhöht. Im Innenhof des Kultur­re­fe­rats (er)griff zunächst die Zweite Bürger­meis­terin Katrin Haben­schaden das Wort, und dann Kultur­re­fe­rent Anton Biebl nach den Urkunden, die er den Kino­be­trei­bern und –betrei­be­rinnen übergab.

Kinoprogrammpreise
Trainer mit Mann­schaft (v.l.): Ehepaar Preßmar, Bernd Brehmer, Doris Kuhn, Erich »Waco« Wagner, Claire Schleeger, Bastian Hauser, Thomas Wilhelm, Susanne Schmid, Thomas Kuchen­reu­ther, Daniel Kuonen. Vorne: Kultur­re­fe­rent Anton Biebl (Foto: Elisabeth Greil)

Mit Preisen wurden ausge­zeichnet: Thomas Kuchen­reu­ther, der sich vor zwei Jahren von seinen Kinos Münchner Freiheit verab­schieden musste, erhielt einen Preis für das ABC Kino in Schwabing. Das Film­theater Send­linger Tor von Fritz und Christoph Preßmar, das gerade die Zitter­partie einer drohenden Kündigung hinter sich gebracht hat (die Entschei­dung wurde gericht­lich vertagt, was ein weiteres aufre­gendes Jahr mit sich bringt), erhielt als zwei­täl­testes Kino ebenfalls die Auszeich­nung. Für Laim wurde das Neue Rex von Thomas Wilhelm ausge­zeichnet, der zusammen mit seiner stell­ver­tre­tenden Geschäfts­füh­rerin Susanne Schmid außerdem noch das Rottmann und das Cincin­nati betreibt. Es führt vor, wie ein Stadt­teil­kino inte­grie­rend auf die Bevöl­ke­rung wirken kann.

Der Rio Film­pa­last bekam, retro­spektiv gespro­chen, für das Inte­rims­jahr, in dem Thea­ter­lei­terin Kerstin Schmidt und Kino­be­treiber-Witwer Daniel Kuonen Reich das Rio gemeinsam führten, ebenfalls eine Auszeich­nung. Damit ist wieder einmal ein Stück Münchner Kino­ge­schichte in den Annalen doku­men­tiert. Denn ab diesem Juli wird das Rio von Christian Pfeil und Markus Eisele betrieben, denen auch das Arena und Monopol gehört (wir berich­teten).

Marlies Kirchner von der »Theatiner Filmkunst«, wie das Theatiner in der gleich­na­migen Passage offiziell heißt, ließ sich entschul­digen. Den Preis für das denk­mal­ge­schützte Fünf­zi­ger­jahre-Kino nahm Bastian Hauser entgegen, der seit einiger Zeit das operative Geschäft in Absprache mit der vielfach ausge­zeich­neten Kino­lei­terin stell­ver­tre­tend führt.

Wie eine gut gelaunte Kombo wirkt das Werk­statt­ki­no­kol­lektiv bei der Preisü­ber­gabe. Das Kino feierte dieses Jahr sein 45. Jubiläum, aber selbst Mitbe­gründer Erich »Waco« Wagner sieht man (neben Bernd Brehmer, Doris Kuhn und Wolfi Bihlmeir) kein fort­ge­schrit­tenes Alter an. Wen wundert’s: Standhaft hält sich das im Ehrenamt geführte Keller­kino als jüngste und frechste, oder – in den Worten des Kollek­tivs – »verwe­genste« Spiel­stätte der Stadt. Das Haus in der Fraun­ho­fer­straße ist der eindrucks­volle Beweis dafür, dass Kinos nicht kommer­zi­elle, sondern kultu­relle Orte sind, schüt­zens­wert und subven­ti­ons­würdig.

Offen­le­gung: Die Autorin war Mitglied der Jury 2021.