21.05.2020

Buena Vista Headbang Club

Trash Metal aus Kuba: Ein Film über die Band »Zeus«
Nicht alle Konzerte laufen wie geplant
(Foto: Nicholas Brennan / DOK.fest München@home)

Trash Metal aus Kuba: Ein Film über die Band »Zeus«

Von Matthias Pfeiffer

»They hated us, because we were something different.« Mit diesem Satz begrüßt uns Dionisio Arce, Sänger der kuba­ni­schen Metal-Band Zeus in Los Últimos Frikis. Hier­zu­lande dürften lange Haare, Totenkopf-Shirts, harte Riffs und Schr­ei­ge­sang nur noch die Wenigsten scho­ckieren. Aller­spä­tes­tens seit Wacken ist Heavy Metal auch in der deutschen Gesell­schaft ange­kommen. Ganz anders in Kuba: Unter Castros sozia­lis­ti­scher Diktatur waren Anhänger der Subkultur Poli­zei­ge­walt und staat­li­cher Repres­sion ausge­setzt. Für Dionisio setzte es sogar Knast. Trotzem halten er und seine Mitstreiter auch heute noch die Fahne hoch. »But here we are. We are the last freaks in Havanna.«

Dem kann man schwer wider­spre­chen. Trotz ihres 25-jährigen Bestehens sind Zeus eine exotische Rander­schei­nung in ihrem Heimat­land. Außerhalb Kubas sind sie nicht mal das, da kennt sie nämlich kein Mensch. Für die Kinder auf den Straßen Havannas ist Dionisio in erster Linie dieser komische, lang­haa­rige Typ, der schreit. Für die wenigen treuen Fans sind sie Legenden, wie es sie kein zweites Mal gibt. Auch ein Vier­tel­jahr­hun­dert nach ihrer Gründung ziehen sie ein Stamm­pu­blikum an, das feiert, bis Blut fließt (anschließende Kran­ken­ver­sor­gung inklusive). Anlass genug, auf die erste Tour durch ihr Heimat­land zu gehen.

Regisseur Nicholas Brennan hat kein Interesse daran, die Musiker als über­le­bens­große Rock­le­genden zu insze­nieren. Sie sind recht normale Männer mittleren Alters mit ihren Familien und Brot­be­rufen. An sich nichts Unge­wöhn­li­ches, sieht doch das Privat­leben der meisten Musiker aus der härteren Richtung genauso geregelt aus. Was das Besondere an Zeus ist, kann man in Deutsch­land auch nicht verstehen. Wo sich hier um Heavy Metal eine rege Szene gebildet hat, war es den Jugend­li­chen in Kuba von Staates wegen verboten, sich in der feind­li­chen Musik des Westens zu verlieren. In den Acht­zi­gern gründete Dionisio die Gruppe Venus, die ihm einen sechs­jäh­rigen Gefäng­nis­auf­ent­halt einbrachte. Während seiner Gefan­gen­schaft wurde auch Kuba liberaler und wieder in Freiheit fand er frucht­baren Nährboden für sein nächstes Projekt. Musi­ka­lisch im Thrash Metal behei­matet, verar­bei­teten sie die jahre­lange Frus­tra­tion, Unter­drü­ckung und Knecht­schaft, gaben der jungen Genera­tion endlich den Sound­track, den sie brauchten.

Und wie sieht es heute aus? Los Últimos frikis macht leider klar, dass die Saat nicht so aufge­gangen ist wie erhofft. Die kuba­ni­sche Jugend des 21. Jahr­hun­derts findet sich eher in kommer­zi­eller Tanzmucke wieder, als in donnernden Riffs und gegrowlten Wutti­raden. In den ange­sagten Clubs ist für die Band kein Platz mehr. Teilweise findet man am verein­barten Veran­stal­tungsort auch noch gähnende Leere vor. Zeus stehen vor den Folgen jahr­zehn­te­langer Nicht­be­ach­tung einer Under­ground-Kultur. Sie waren damals mit der richtigen Message am richtigen Ort, doch die Zeit war ihnen hinterher.

Trotzdem ist Nicholas Brennans Film mehr als ein pessi­mis­ti­scher Lage­be­richt. Los Últimos frikis ist durch­zogen von Aufbruchs­geist und dem uner­schüt­ter­li­chen Willen, sein eigenes Ding zu machen. Stilis­tisch bleibt er in einem recht konven­tio­nellen Rocku­men­tary-Stil, inhalt­lich jedoch erzählt er eine ganz eigene Geschichte, die nur in einem Land wie Kuba spielen kann. Wo sonst würde ein Tourbus normales Reisevolk mit aufgabeln? Man muss kein Head­banger sein, um Gefallen an diesem Stück über­se­hener kuba­ni­scher Musik­ge­schichte zu finden. Und letzten Endes bleibt die Hoffnung, dass es in Kuba bald wieder ein paar Freaks mehr gibt.