03.05.2018

Der Schein trügt – Licht ins Dunkel der Vergan­gen­heit

The Miner
Einer der herausragenden Filmes des Wettbewerbs: Hanna Slaks The Miner
(Foto: Hanna Slak / goEast)

goEast, das 18. Wiesbadener Festival des mittel- und osteuropäischen Films zeigte dieses Jahr sehr unterschiedliche Wettbewerbsfilme, die von der großen Bandbreite eines trotz aller Krisen sehr lebendig gebliebenen mittel- und osteuropäischen Kinos zeugen, und denen man eine breitere Aufmerksamkeit nur wünschen kann.

Von Holger Twele

Das Jahr 2018 ist für das Wies­ba­dener Festival in gleich mehr­fa­cher Hinsicht ein ganz beson­deres Jahr, wie die neue Festi­val­lei­terin Heleen Gerritsen mehrfach betonte. Denn mit der 18. Ausgabe ist das neben Cottbus einzige deutsche Festival, das sich ganz auf neue und alte Filme aus Mittel- und Osteuropa spezia­li­siert hat, dem Alter nach nicht nur »erwachsen« geworden. Es gab auch zwei große Jahres­tage zu feiern: Vor genau 100 Jahren erhielten sieben der im Fokus stehenden Länder ihre Unab­hän­gig­keit und damit eine Chance auf Demo­kratie, die heute insbe­son­dere durch Natio­na­lismus und Frem­den­feind­lich­keit neuen Gefähr­dungen ausge­setzt ist. Und 1968, also vor 50 Jahren, fand der Prager Frühling durch den Einmarsch russi­scher, ostdeut­scher, bulga­ri­scher, polni­scher und unga­ri­scher Truppen ein jähes Ende. In zahl­rei­chen Filmen und Veran­stal­tungen wurden diese beiden Jahres­tage gewürdigt und kritisch unter die Lupe genommen. Und noch ein weiterer Aspekt machte diese 18. Festi­val­aus­gabe zu etwas Beson­derem: Der Wett­be­werb aus 16 aktuellen Spiel- und Doku­men­tar­filmen war im Vergleich zu den letzten Jahren von über­durch­schnitt­li­cher Qualität.

Rück­blicke

Seit jeher versteht sich das Festival als Brücke zwischen Ost und West, als Seis­mo­graph für gesell­schaft­liche Entwick­lungen und als Chance für ein besseres Vers­tändnis der Gegenwart auf einer bila­te­ralen Vers­tän­di­gungs­ebene. Die Ausein­an­der­set­zung mit der Vergan­gen­heit, die sich in vielen Wett­be­werbs­filmen findet, die nicht selten mit west­eu­ropäi­schen Ländern und insbe­son­dere mit Deutsch­land kopro­du­ziert wurden, ist ein Schlüssel dafür. Und fast immer war der persön­liche Bezug der Film­schaf­fenden unmit­telbar gegeben, genau diesen Film machen zu müssen. Mitunter lässt sich über die filmische Umsetzung streiten, etwa im rumä­ni­schen Doku­men­tar­film The Dead Nation / Tara Moarta von Radu Jude, der wunder­schöne alte Foto­gra­fien aus dem länd­li­chen jüdischen Alltag der Jahre 1937 bis 1946 zu einer Tonbild­schau montiert und im selbst gespro­chenen Kommentar aus dem Tagebuch des jüdischen Arztes Emil Dorian zitiert, in dem es um Anti­se­mi­tismus und die syste­ma­ti­sche Ausgren­zung der Juden geht. – Levan Gabriadze lässt in dem Animadoc Rezo / Znaesh', Mama, gde ya byl seinen eigenen Vater, den Dreh­buch­autor und Popkultur-Künstler Revaz Gabriadze, über dessen Kindheit in Georgien während und nach dem Krieg erzählen, wobei die lite­ra­risch zu einer Parabel auf Macht und Unter­drü­ckung verdich­teten Geschichten mit viel Humor und einem ganz persön­li­chen Zeichen­stil animiert wurden.

Geradezu program­ma­tisch stehen zwei Filme, die sich lange Verdrängtem oder Verges­senem stellen, verschlos­sene Türen öffnen und Licht in die Dunkel­heit bringen. Mila Turaylic ist die Tochter der serbi­schen Mathe­ma­tik­pro­fes­sorin Srbijnaka Turaylic, eine der Galli­ons­fi­guren der demo­kra­ti­schen Orga­ni­sa­tion OTPOR, die mit ihren Protesten im Jahr 2000 zum Sturz des Diktators Slobodan Miloševic beitrug. In The Other Side of Ever­y­thing / Druga strana svega porträ­tiert sie ihre Mutter und den von ihr orga­ni­sierten Wider­stand, setzt sich parallel dazu mit der eigenen Kindheit und der Geschichte Serbiens ausein­ander. Denn wie die Mutter wuchs sie in einem vom Großvater erbauten und dann zwangs­ent­eig­neten Haus in einer Wohnung auf, deren eine Hälfte 70 Jahre lang durch eine verschlos­sene Tür getrennt war. Eine wunder­bare Allegorie darauf, wie unendlich kompli­ziert es sein kann, sich den in der Vergan­gen­heit entstan­denen Unge­rech­tig­keiten und Problemen zu stellen und wie einfach, befreiend und desil­lu­sio­nie­rend es zugleich ist, den Worten Taten folgen zu lassen.

Die slowe­nisch-deutsche Kopro­duk­tion The Miner / Rudar von Hanna Slak gehört zu den heraus­ra­genden Filmen des Wett­be­werbs, auch wenn der Film keinen einzigen Preis erhielt. In packenden Bildern wird die authen­ti­sche Geschichte des seit Jahr­zehnten in Slowenien lebenden bosni­schen Berg­ar­bei­ters Alija aus Srebre­nica erzählt, dessen Familie beim Massaker im bosnisch-serbi­schen Krieg getötet wurde. Ausge­rechnet dieser immer noch trau­ma­ti­sierte, aber eben in Slowenien »fremde« Mann wird damit beauf­tragt, vor dem anste­henden Verkauf einen alten Berg­werks­stollen zu unter­su­chen, auf eigene Gefahr natürlich. Dabei kommt er einem anderen Massaker auf die Spur. Nach dem Krieg wurden Tausende von Flücht­lingen aus Jugo­sla­wien, darunter viele Kolla­bo­ra­teure der Nazis mit ihren Familien von den Briten in Italien in ihr Herkunfts­land zurück­ge­schickt, wo sie in diesen Stollen getrieben und syste­ma­tisch ermordet wurden. Allein der Beharr­lich­keit und uner­schüt­ter­li­chen Inte­grität von Alija war es zu verdanken, dass die Mauern des Schwei­gens gegenüber diesem Verbre­chen buchs­täb­lich nieder­ge­rissen wurden.

Ein Fami­li­en­drama der ganz anderen Art entwi­ckelt Aurora Borealis von der inzwi­schen 84-jährigen unga­ri­schen Regis­seurin Márta Mészáros, der vergan­genes Jahr die Werkschau gewidmet war. In ihrem neuen Film ringt sich eine alte Frau kurz vor ihrem Tod endlich durch, ein schwer auf ihr lastendes Fami­li­en­ge­heimnis zu lüften. Es betrifft die wahre Herkunft ihrer Tochter und blendet in die Zeit der sowje­ti­schen Besatzung Öster­reichs und Ungarns nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. In klas­si­scher Erzähl­weise, mit eindrucks­vollen Bildern und mit einem starken Darstel­ler­en­semble beweist die Regis­seurin einmal mehr, dass private Schick­sale oft untrennbar mit gesell­schaft­li­chen Entwick­lungen verbunden sind, und wie wichtig es gerade auch für zukünf­tige Gene­ra­tionen ist, sich der Vergan­gen­heit zu stellen, so schmerz­haft sie auch gewesen sein mag.

Zündstoff

Aktuellen poli­ti­schen Zündstoff boten weitere Filme, die sich aber eher Gegen­warts­pro­bleme zum Thema nahmen. Erhel­lende und zugleich erschre­ckende Einblicke in den erstar­kenden Rechts­extre­mismus in Polen gibt Andrej Jaki­mowski in seinem Sozi­al­drama Once upon a time in November / Pevnego razu w Listopadzie, das auch doku­men­ta­ri­sche Aufnahmen der gewalt­tä­tigen Ausein­an­der­set­zungen zum polni­schen Unab­hän­gig­keitstag in Warschau 2016 in die Spiel­hand­lung einbindet. Exem­pla­risch für die allge­meine Unzu­frie­den­heit der Bevöl­ke­rung mit der Regie­rungs­po­litik, die viele Menschen immer weiter ausgrenzte und soziale Unge­rech­tig­keit vers­tärkte, stehen der mittel­lose Jura­stu­dent Mareczek, seine nach der Zwangs­räu­mung obdachlos gewordene kranke Mutter und seine Freundin aus gutbür­ger­li­chem Haus. Anhand dieser wenigen Einzel­schick­sale gelingt es dem Film, die zuneh­mende Spaltung der polni­schen Gesell­schaft und die Mecha­nismen der Gewalt aufzu­zeigen. Während sich die Prot­ago­nisten eher dem linken Lager zurechnen, das von den Rechten pauschal für die Versäum­nisse der Vergan­gen­heit verant­wort­lich gemacht wird, aber selbst unter ihnen leidet, beginnen sich rechte Kräfte zu radi­ka­li­sieren und versuchen gewaltsam, ein autonomes Kultur­zen­trum zu stürmen.

Wer noch irgend­einen Zweifel daran hatte, dass Russland zumindest medial mit gezielt gesteu­erten Fake-News und Enter­tain­ment-Shows des russi­schen Staats­fern­se­hens versuchte, die Wahl von Donald Trump zum ameri­ka­ni­schen Präsi­denten massiv zu unter­s­tützen, sollte sich die Polit­sa­tire Our New President von Maxim Pozdo­rovkin ansehen. Wie bereits der Titel der Kopro­duk­tion zwischen USA und Russland sugge­riert, sprachen viele Russen damals bereits von »ihrem« Präsi­denten und waren dann umso mehr enttäuscht, als sich Trump mit dem Syri­en­krieg plötzlich als »unbe­re­chenbar« erwies. Ein Film, der deutlich macht, wie wichtig eine unab­hän­gige seriöse Bericht­erstat­tung für eine funk­tio­nie­rende Demo­kratie ist und wie leicht­gläubig das Publikum ist, selbst die absur­desten Meldungen für bare Münze zu halten.

Von der Fipresci-Jury verdien­ter­maßen als bester Doku­men­tar­film ausge­zeichnet, blieb nach der Abschaf­fung der getrennten Preis­ver­gabe für Spiel- und Doku­men­tar­filme der Hauptjury (fast) nur die Möglich­keit, der ungarisch-deutschen Kopro­duk­tion A Woman Captured – Eine gefangene Frau den Regie­preis an Bernadett Tuza-Ritter zu vergeben. Das mag insofern nach­voll­ziehbar sein, wenn man unter »Regie« auch die soziale Verant­wor­tung einer Doku­men­tar­fil­merin für ihre Prot­ago­nistin versteht, die hier zum Opfer von moderner Sklaverei wurde und nur dank der Regis­seurin einen Weg aus diesem totalen Abhän­gig­keits­ver­hältnis fand. Dabei ist Marish, die mit 42 Jahren »abstürzte«, ihre Familie verlor und dann elf Jahre lang ohne Lohn­zah­lung oder Frei­zeit­aus­gleich für eine Familie schuften musste, beileibe kein Einzel­fall, auch nicht in mittel­eu­ropäi­schen Gesell­schaften. Geschätzt 45 Millionen sollen es weltweit sein, darunter 1,2 Mio. in Europa und etwa 22.000 in Ungarn. Dem Film gelingt es eindrück­lich, nicht nur auf diese Proble­matik aufmerksam zu machen, sondern auch mögliche Lösungs­an­sätze durch­zu­spielen. Dabei wird deutlich, dass die Betrof­fenen ohne konkrete Alter­na­tiven kaum selbst ihrer miss­li­chen Lage entfliehen können, die Behörden mangels konkreter Beweis­lage oft machtlos sind und die modernen »Skla­ven­halter« über keinerlei Unrechts­be­wusst­sein verfügen, wo Marish doch so viele selbst­ge­drehte Ziga­retten rauchen und Kaffee trinken darf, »wie sie möchte«.

Privates (Un-)Glück

Die Suche nach dem privaten Glück schwingt fast in allen der sorg­fältig ausge­wählten Wett­be­werbs­bei­träge mit, in einigen bilden sie gar den Dreh- und Angel­punkt. In der tsche­chisch-slowa­kisch-fran­zö­si­schen Produk­tion Ice Mother / Bába z ledu von Bohdan Sláma lernt eine ältere Witwe durch Zufall einen neuen Mann kennen und lieben, sehr zum Verdruss ihrer beiden erwach­senen Söhne, für die sie sich bisher bedin­gungslos aufge­op­fert hatte, die aber vor allem an ihrer Erbschaft inter­es­siert sind. Auch wenn sie am Ende alleine dasteht, bleibt die Beziehung nicht ohne Folgen, hatte Einfluss auf das Fami­li­en­ge­füge der beiden Liebenden, vieles zum Positiven hin verändert. Verän­de­rung ist wichtig, nur so lassen sich alte verkrus­tete Struk­turen aufbre­chen, selbst wenn dafür auch persön­liche Opfer zu erbringen sind.

Diese Notwen­dig­keit von Verän­de­rung betont auch die satirisch ange­hauchte Tragi­komödie Miracle / Stebuklas von Egle Vertelyte, eine litauisch-bulga­risch-polnische Kopro­duk­tion. Aller­dings sind in diesem Film die Folgen weitaus drama­ti­scher für Irena, die Leiterin einer auf Schwei­ne­zucht spezia­li­sierten Kolchose und ihre Mitar­beiter. Kurz nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union droht die Pleite und da scheint es nur allzu vers­tänd­lich, falschen Verspre­chungen bereit­willig Glauben zu schenken. Daher setzt Irena alle ihre Hoff­nungen auf einen Ameri­kaner, der nebenbei bemerkt Donald Trump nicht unähnlich sieht, der auf die Wurzeln seiner litaui­schen Vorfahren pocht und mit viel Geld winkt. Irena verfällt seinem umwer­fenden Charme und merkt viel zu spät, wie zuerst ihre Ehe in die Brüche geht, dann die uralten Bäume weichen, die Schweine geschlachtet werden und schließ­lich der ganze Stall dem Erdboden gleich­ge­macht wird.

Immerhin, das Leben geht weiter, wenn auch nicht in der erhofften Weise. Das gilt auch für die drei jungen Menschen in The Marriage / Martesa der albanisch-koso­va­ri­schen Filme­ma­cherin Blerta Zequiri, die sich mit ihrem viel­ver­spre­chenden Spiel­film­debüt an ein Tabuthema ihres Kultur­kreises wagte, an schwule Liebe. Bekim und Anita stehen kurz vor ihrer Hochzeit, als sein Freund Nol uner­wartet aus dem Ausland zurück­kehrt und die Liebes­be­zie­hung zu Bekim wieder aufleben lassen möchte. Kammer­spiel­artig und leider etwas dialog­lastig entwi­ckelt sich dieses Bezie­hungs­drama, das weniger die Ressen­ti­ments der Umwelt in den Fokus nimmt, als die mora­li­sche Entschei­dung Bekims, zu seiner wahren Liebe zu stehen oder die Lebens­lüge gegenüber seiner Verlobten aufrecht­zu­er­halten.

Die Haupt­fi­guren der beiden folgenden Filme schließ­lich reagieren fast diametral entge­gen­ge­setzt auf geplatzte Träume und gesell­schaft­liche Heraus­for­de­rungen. In Falling / Strim­holov von Marina Stepanska aus der Ukraine erkennt der angehende Komponist Anton seine begrenzten Fähig­keiten und flüchtet sich in den Drogen­rausch. Zurück aus dem klini­schen Entzug lernt er die desil­lu­sio­nierte ehemalige Maidan-Akti­vistin Katja kennen, die am liebsten das Land verlassen möchte. Ihre aufkei­mende Liebe lässt für beide neue Hoff­nungen wachsen, bis Anton seine Wut erneut gegen sich selbst richtet. – Ganz anders die gehörlose Prot­ago­nistin des gleich­na­migen kasa­chi­schen Films Sveta von Zhanna Issa­bayeva. Nach bitteren Erfah­rungen, dass das Zeigen von Schwäche und Mitgefühl von den anderen nur ausge­nutzt wird, setzt sie sich zur Wehr – und geht dabei buchs­täb­lich über Leichen. Augen­blicks-Beschrei­bungen einer Gesell­schaft am Rande des Abgrunds, in der Selbst­zer­störung oder Zers­törung die einzig möglichen Alter­na­tiven scheinen, was in der Mehrzahl der anderen Filme zum Glück rela­ti­viert wird, als Warn­hin­weis aber seine volle Berech­ti­gung behält.

Film­künst­le­ri­sche Expe­ri­mente

Drei der ausge­wählten Filme schließ­lich vermeiden eine offene Gesell­schafts­kritik und versuchen statt­dessen, unmit­telbar an die film­künst­le­ri­sche Tradition des osteu­ropäi­schen Film­schaf­fens anzu­knüpfen und zugleich neue Wege zu beschreiten. In der auch von Deutsch­land mit produ­zierten Natur­do­ku­men­ta­tion The Ancient Woods / Sengire von Mindaugas Survila, der über die Tages- und Jahres­zeiten hinweg das Leben der kleinen und großen Wald­be­wohner in Litauens Urwald in den Fokus nimmt, gibt es keinen einzigen Kommentar, sondern nur Origi­nal­geräu­sche und berau­schend schöne Bilder, deren Inhalt sich oft erst nach längerer Betrach­tung erschließt. Nur ganz kurz erfasst die nahezu statische Kamera auch mensch­liche Bewohner des Waldes, die im Einklang mit der Natur zu stehen scheinen. Ein Film, der voller Über­ra­schungen steckt und so unter­schied­li­chen Themen wie Natur­schutz und Entschleu­ni­gung ganz neue Facetten abgewinnt.

Mit Bildern statt mit Worten erzählen auch die beiden Filme aus Russland bzw. aus Estland ihre Geschichten, die in Schwarz­weiß gehalten sind. Der erste Satz in The Bottom­less Bag / Meshok Bez Dna von Rustam Khamdamov etwa fällt erst nach mehr als sechs Minuten, obwohl der Rahmen von einer profes­sio­nellen Erzäh­lerin abge­steckt ist, die einem Fürsten ein Märchen aus einem mittel­al­ter­li­chen Zauber­wald vorträgt, in dem ein myste­riöser Mord geschieht. Geschickt vermeidet der Film nach der Rashômon-Vorlage »Das Lust­wäld­chen« jede Redundanz zwischen dem gespro­chenen Wort und der Visua­li­sie­rung dieser Geschichte, was allein schon eine Kunst ist, aller­dings auch das Risiko in Kauf nimmt, dass sich dem Publikum nicht alles auf Anhieb erschließt. – Ange­sichts der starken Konkur­renz an Spiel­filmen, die auch in Deutsch­land eine Chance für eine Kino­aus­wer­tung haben könnten, mag der Haupt­preis der Jury für das estische Schau­er­mär­chen November von Rainer Sarnet will­kür­lich wirken. Man muss diesem licht- und trick­tech­nisch eindrucks­voll in Szene gesetzten Drama über eine uner­füllte Liebe, das in einem heid­ni­schen Dorf in Estland ange­sie­delt ist und in dem es von Werwölfen, Geist­wesen und an den Teufel verkauften Seelen nur so wimmelt, aber zugu­te­halten, ein künst­le­ri­sches Wagnis einge­gangen zu sein, durch das Stim­mungen und Irri­ta­tionen glei­cher­maßen erzeugt werden.