Verfluchte Liebe deutscher Fernsehfilm |
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Ein Ausnahmefall im Programm des Festivals: 24 Wochen mit Julia Jentsch ist ganz bei sich und zeigt deutsches Problem-Kino, das trotzdem gut ist |
Von Dunja Bialas
Der Rhein sei über die Ufer getreten, keine Auen, alles anders dieses Jahr, erzählt man mir aus Ludwigshafen. Dort wurde gestern Abend das 12. Festival des deutschen Films eröffnet, das sich ausschließlich um den, ja, deutschen Film dreht. Es macht den Auftakt für eine Reihe deutscher Sommer-Filmfestivals: es folgen das Filmfest München, NaturVision in Ludwigsburg, das Fünf-Seen-Film-Festival im Bayerischen Voralpenland, die Filmkunstwochen München, das Open-Air-Festival Weiterstadt, das durch verschiedene Städte tourende, kommerziell ausgerichtete Fantasy-Filmfest. Und dann ist der Sommer schon wieder vorbei.
Das am Rhein liegende »Festival des deutschen Films« wurde 2005 als Ableger des baden-württemberger Festivals in Mannheim auf der gegenüberliegenden Flussseite gegründet, die Leitung hat bei beiden Festivals Dr. Michael Kötz inne. »Möglich wurde das neue Festival«, so heißt es auf der Website, »durch die 'Zukunftsinitiative Metropolregion Rhein-Neckar' und besonders durch den großzügigen Beitrag der BASF AG«. Ein anfänglich durchweg privat finanziertes Festival also, erst später kommen Stadt und noch später das Land Rheinland-Pfalz hinzu, bei dem laut Selbstdarstellung »nicht vom Geld die Rede ist, sondern von der Kunst des Kinos«, was angesichts der Preisgelder von 50.000 Euro (Filmkunstpreis) und einem vom Förderverein »Freunde des Festivals« mit 10.000 Euro ausgestatteten Publikumspreis doch erstaunt. Aus Gründen von Kunst oder Geld, das sei dahingestellt, floriert jedenfalls das Festival am Rhein, das gerne seine Strände, die »Zeltlandschaft« und laue Nächte unter Sternenhimmel rühmt, unter dem sich das Who is Who des deutschen Filmschaffens zusammenfindet.
Dieses Jahr wird anders werden, ohne Strände, mit einem in die Auen übergetretenen Rhein. Der Sommer findet zunächst einmal nicht statt, aber das kann sich noch ändern, denn das Festival dauert immerhin neunzehn lange Tage (15. Juni bis 3. Juli), auf die sich die Vorführungen von 66 Filmen aufteilen. Zum Vergleich: das Münchner Filmfest ist um einiges kürzer (23. Juni bis 2. Juli) und zeigt »207 Filmpremieren aus 62 Ländern«. Jeder rühmt sich, wie er kann.
Wie dem allem auch sei, Ludwigshafen setzt auf den Dialog, ob unter Sternenhimmel oder im Regenzelt, das macht die Aufmerksamkeit, die den eingeladenen Gästen zukommt, allemal deutlich. Die Presse-Mailings heißen »Gäste«, »Neue Gäste« und »Weitere Gäste« im Betreff, der erste Blick offenbart viel Fernseh-Glamour: Ulrich Matthes kommt mit dem ARD-Degeto-Thriller Die vermisste Frau, Jürgen Vogel mit Der Äthiopier, ebenfalls eine ARD-Degeto-Produktion, oder Corinna Harfouch mit Die vermisste Frau von Regisseur Horst Sczerba (ARD Degeto). Zum Glück kommen aber auch Dominik Graf mit seiner unabhängigen Produktion Verfluchte Liebe deutscher Film und Deutschlands Bad Boy Dietrich Brüggemann mit Heil an den Rhein, die Premierenregelung ist dem Festival egal. Was gut ist.
Das Festival des deutschen Films, und das ist dann wiederum auch gut, macht deutlich, wie es um die Filmlandschaft in Deutschland beschaffen ist: Zeugnisse von einem vitalen, innovativen Filmschaffen finden sich auf den ersten Blick nicht. Immer wieder stolpert man über Fernsehfilme, auch im Wettbewerb, darunter auch Filme, die das Münchener Filmfest in der Sektion »Neues deutsches Fernsehen« als solche benennt, wie Allmen und die Libellen (ARD-Martin-Suter-Krimireihe) oder Marc Bauders Dead Man Working (ARD-Degeto-Doku). Und so weiter.
Hervorzuheben sind Auf einmal von Asli Özge der Berliner EEE Productions, den man auf der Berlinale im Panorama entdecken konnte, Anne Zohra Berracheds 24 Wochen, der auf der Berlinale im Wettbewerb lief, reflexmäßig von der Kritik angefeindet wurde, in Wirklichkeit aber ein hochgradig sensibles Drama ohne falsche Rührseligkeit über eine schwierige Entscheidung über Leben und Tod zeigte, mit einer herausragenden Julia Jentsch. Das muss dazugesagt werden, die Ludwigshafener Website verrät leider nichts über die Besetzung oder den anderweitigen Stab der programmierten Filme. Vergeblich sucht man im Programm außerdem ungezähmtes deutsches Kino, wie Tatjana Turanskyjs streitbaren, aber kraftvollen und wutentbrannten Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen, der auf der Berliner Woche der Kritik uraufgeführt wurde. Auch kein Wild von Nicolette Krebitz (der an der Kinokasse allerdings auch kein Erfolg war – ein Auswahlkriterium?) oder andere Produktionen, die das deutsche Kino nicht aufgeben lassen, kein Mängelexemplar (Laura Lackmann), kein Schau mich nicht so an (Uisenma Borchu). Immerhin aber Maria Schraders Vor der Morgenröte.
Wir behaupten, mit einem Blick auf das Programm des Münchner Filmfests, das neunzehn deutsche Filme als Weltpremiere zeigt, darunter Unterwäschelügen von Klaus Lemke oder das Regiedebüt 5 Frauen des Drehbuchautors Olaf Kraemer, dass es Filme gibt aus Deutschland, die vielleicht nicht die große Kasse machen, jedoch Diskussionen befördern können, die Ludwigshafen doch so gerne will. Vielleicht will es aber vor allen Dingen: Erfolg.
Bei den Zuschauern. Bei der Branche. Bei den Sponsoren. Oder, wie Dr. Kötz es in einer Pressemitteilung verlautbaren lässt:
»Die Resonanz an den Vorverkaufsstellen ist überwältigend. Lange Schlangen an den Vorverkaufsstellen haben sich schon vor der Öffnung gebildet. Und auch beim neu eingerichteten Online-Ticketing ist Geduld gefragt. Der Server muss die vielen Anfragen abarbeiten. Aber die Filme und Gäste werden das Publikum entschädigen, das verspreche ich.«